Heinz Wolf
Der Wiener Struwwelpeter

Der reisende Geschichtenerzähler

Mittwoch, 5. November 2014
Der Wiener Autor Harald Pesata zog mit einem Koffer durch die Stadt. Klappte er ihn auf, entstand ein Bühnenbild für seine Lesungen des Wiener Struwwelpeter. Jetzt erscheint das Buch mit Zeichnungen von Heinz Wolf im Verlagshaus Hernals. Mit dieZeitschrift sprach er über kollabierende Rechtschreibprogramme, Nazibuam und Hühnerfutter.

Mehr als 550 mal verlegte der deutsche Verlag Rütten & Loening das Kinderbuch „Struwwelpeter – Lustige Geschichten und drollige Bilder“. Der Autor, der Psychologe Heinrich Hoffmann, hatte Weihnachten 1844 ein Kinderbuch für seinen dreijährigen Sohn Carl gesucht. Keines der Bücher entsprach seinen Ansprüchen. Also zeichnete und textete er selbst eines: den Struwwelpeter. 1845 erschien es erstmals in gedruckter Form. Seit der Erstauflage entstanden unzählige Variationen der Geschichten über das brennende Paulinchen, den bösen Friedrich und den anorektischen Suppenkaspar, Struwwelpetriaden genannt.

1926 entstand der Rundfunk-Struwwelpeter, der Schwarzhörer ermahnte, die Rundfunkgebühren zu bezahlen. Es gab den Marine-Struwwelpeter, in dem der Suppen-Kaspar von Deck geweht und von einem Hai gefressen wird. Im Struwwelhitler 1941 wurden nationalsozialistische Größen karikiert und 1980 erschien schließlich der Schwuchtelpeter.

Der Wiener Struwwelpeter

Der Autor Harald Pesata und der Zeichner Heinz Wolf
Heinz Wolf
Der Autor Harald Pesata und der Zeichner Heinz Wolf

Auch wurde der Original-Struwwelpeter in mehr als 40 Sprachen und unzähligen Dialekte übersetzt, aber abgesehen von einer Fassung 2002, die sich sehr an das Original hielt, nie ins Wienerische.

Bis 2012 Pino, der kleine Sohn des Wiener Mundartautors Harald Pesata, ihn nach einer Wienerischen Version der Geschichten fragte. Also setzte Pesata sich hin und übertrug die Texte in seine „Erstsprache“. „Denn Wienerisch muss nicht tief sein. Es eignet sich wunderbar für Literatur“, sagt Pesata. Allerdings kollabieren die Rechtschreibprogramme bei den vielen fehlenden Vokalen. „Ich verwende keine Sonderzeichen und versuche auch ohne Apostrophe auszukommen, so bleibt der Text leicht lesbar. Schließlich soll die Lektüre Spaß machen.“

Daamalutschn

Konrad!“, sogt de Mama streng, „des Monat is’s mit’n Gerschtl eng. Ob heit’ muass i ois Nebnhockn no an Job ois Putzfrau pockn. Vo vis á vis de oide Trutschn hot di gsegn beim Daamalutschn. A Moi, waunn i des no hear, kummt da Schneida mit da Schear! Pass auf, mei Bua, des is kaa Guata, aus Daam mocht der a Hendlfuatta!
Harald Pesata

Pesata begann mit dem Schicksal des Daumenlutschers. „Diese Geschichte ist mir besonders in Erinnerung geblieben“, sagt er. „Als Kind habe ich nicht am Daumen gelutscht, aber ich fürchtete mich ganz schrecklich vor dem Schneider mit der riesigen Schere.“

Er fand keinen Verlag, und so verlegte er den Wiener Struwwelpeter selbst. Seine Frau, die Kunstmalerin Andrea Pesata, bemalte zwei Leinwände mit Szenen aus dem Buch und Pesata baute einen Koffer daraus. Mit dem zog er durch Wien, klappte ihn in Wirtshäusern auf und las den Gästen den Struwwelpeter auf Wienerisch vor. Bis die Chefin des Verlagshaus Hernals davon hörte und ihm einen Buchvertrag anbot.

Factbox

Harald Pesata . Heinz Wolf
Der Wiener Struwwelpeter
Lustige Gschichten und urliabe Büüdln
60 Seiten, € 23,90
Mit einer beigelegten CD, gelesen von Harald Pesata. (Musik von Christian Hemelmayr)
Erschienen im Verlagshaus Hernals

Im November 2014 erscheint nun die überarbeitete Version mit Zeichnungen von Heinz Wolf. Aus dem Kinderbuch ist eher eine Erwachsenenlektüre geworden. Über den Zappel-Philipp steht zu lesen: „er wüü no ’s Tischtuach zuwareißn, oba d’Schwerkroft sogt: Geh scheißn!“

In Pesatas Struwwelpetriade ist der erhobene Zeigefinger weniger drohend, dafür hat sie an Gesellschaftskritik gewonnen. „Es ist ein lustiges Buch, das trotzdem zeigt, dass einige Dinge nicht so gehören, wie sie sind.“ Wie die Nazibuam, die vom Hausmeister, dem Herrn Nikolaus, in ein Tintenfass getaucht werden, nachdem sie einen Buben schwarzafrikanischer Herkunft beleidigt haben, denn schließlich „san olle Menschn gleich, vua Gott und aa in Östarreich!“

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