Bild
Bild, by Eugene Quinn
Coffeehouse Conversations

Gespräche über das Leben

Samstag, 25. Juli 2015
Ein Tisch, zwei Stühle, gutes Essen und ein Frage-Menü: Das sind die Zutaten für die „Coffeehouse-Conversations“, die der Brite Eugene Quinn in seine neue Heimatstadt Wien geholt hat. Das Ergebnis: überraschende Gespräche über Einstellungen, Beziehungen, die Arbeit und das Leben.

„Was war das schwierigste Gespräch, das du jemals geführt hast?“ Gute Frage…. Ich sitze im Café Ministerium in Wien, Eve, Mitte zwanzig, US-Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln, sitzt mir gegenüber. Nun fährt sie sich durchs Haar, überlegt kurz – und erzählt mir dann von ihrem Studium der Sozialpädagogik. Und dass sie danach in einer lokalen Notrufstelle in Los Chicago gearbeitet hat. Und da ist es auch schon, ihr schwierigstes Gespräch: Mit einer verzweifelten Frau, vollgepumpt mit Schlaftabletten. Eve telefonierte mit ihr, bis die Polizei sie orten und retten konnte. Smalltalk ist das hier keiner.

Bis vor einigen Minuten habe ich Eve noch nicht gekannt. Nach einer Stunde kenne ich sie besser als so manche Bekannte. Dazwischen liegen Leberknödelsuppe, Käsespätzle und Salat - und das Fragemenü des Philosophen Theodore Zeldin. Der Oxford-Professor erfand die „conversation dinners“ als Rezept gegen die banalen Gespräche unserer Zeit. Der Brite und Wahlwiener Eugene Quinn brachte sie in seine neue Heimatstadt – und da zunächst ins Kaffeehaus: „Die Wiener Cafés waren früher Orte lebhafter Auseinandersetzungen. Diese Tradition ist ziemlich verloren gegangen, wir wollten sie mit den Coffeehouse Conversations wiederbeleben.“

Reise in die Tiefe

Insgesamt 14 Personen, davon fünf Männer, zwischen 20+ und 70+ nehmen an den heutigen Kaffeehausgesprächen teil. Die sind, so Quinn bei der Einleitung, „no speed dating and no psychotherapy“. Vielmehr die Chance, ein Wagnis einzugehen. Ein soziales Risiko mit Sicherheitsleine sozusagen: Wie in einem Zugwaggon, wo eine flüchtige Begegnung zur Reise in die Tiefe werden kann. Ob man einander danach jemals wiedertrifft, ist offen…

Für Quinn sind die Events (11 Euro ohne Essen, 23 Euro mit Hauptspeise und Kaffee) auch der Beitrag zu einem Austausch zwischen Wien und der Welt: „Als Fremder ist es nicht so leicht, spontan mit Wienern in Kontakt zu kommen. Die meisten Einheimischen sind sehr reserviert oder haben sogar Angst. Da ist ein artifizieller Rahmen hilfreich, um dem Dialog auf die Sprünge zu helfen.“ Und dies habe, so Quinn, nicht zuletzt auch eine politische Dimension: „Wien ist viel spannender als das gängige Klischee mit Sachertorte und Co. Es ist modern, lebendig, international. Das möchten wir zeigen.“

Mitterweile ist die Idee vom Kaffeehaus aus an andere Tische übergeschwappt: ins kürzlich eröffnete Caritas-Hotel magdas etwa, wo beim „social dinner“ Flüchtlinge und Nichtflüchtlinge zusammensitzen. Auch mit anderen Projekten, etwa der „Vienna Ugly Tour“, möchte Quinns Verein „space and place“ Leute zusammenzubringen und die Stadt aktiv mitgestalten.

Wenn du eine Frucht wärst, welche wäre das? Frage gestrichen. Hattest du jemals einen Mentor und wenn ja, wie hat er dich beeinflusst? Schon besser. Ich erzähle Eve von meinem Mathelehrer. Der war sich so sicher, dass ich Mathe kann, dass es irgendwann gestimmt hat. Und dann hat es echt Spaß gemacht…

Sie hört mir aufmerksam zu. Ich höre ihren Geschichten aufmerksam zu. Ich bin doppelt so alt wie sie. Sie lebt auf einem anderen Kontinent, hat aus ihrem Reiseführer von den Coffeehouse Conversations erfahren. Wir entdecken viel Gemeinsames: Auch sie liebt Betty Smiths Bestseller „A tree grows in Brooklyn“. Sie kennt Viktor Frankl. Wir reden über unsere Auffassung von einer „sinnvollen“ Arbeit. Wir erzählen uns unsere Familiengeschichten. Ein gutes, inspirierendes Gespräch. Ein Geschenk.
Was braucht die Welt, um ein besserer Platz zu werden? Auch eine gute Frage. Vielleicht ja mehr kreative, lustvolle und verbindende Ideen wie diese….

Mehr Infos und Anmeldung
spaceandplace.at

Share this content.