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Kabarett

„Ich war schon immer der Goscherte“

Sonntag, 2. November 2014
Der Kabarettist Werner Brix steht seit 20 Jahren auf der Kabarettbühne. dieZeitschrift sprach mit ihm anlässlich des Bühnenjubiläums und seines 50. Geburtstag darüber warum er wildfremde Menschen umarmt, warum er nicht mehr bei „Was gibt es Neues“ mitmacht und was er sich zum Geburtstag wünscht.

An diesem Abend saß Werner Brix besonders lang auf dem Häusl. Die Kloschüssel stand auf einer Bühne – jener des Pfarrheims in Königsstetten. Brix spielte die Vorpremiere seines allerersten Stücks „Lurch“. Das Publikum war begeistert, der Auftritt war der Start einer langen Karriere. Letzten Mittwoch konnte Brix im WUK mit einer DVD-Box sein 20. Bühnenjahr feiern.

Bereits vor dem denkwürdigen Auftritt in Königsstetten drängte er ins Scheinwerferlicht; er sang in einer Rockband und spielte Theater, weil er „immer schon der Goscherte“ war, wie er selbst sagt. Dabei war im sein Karriereweg nicht vorgezeichnet: er hatte die HTL für Nachrichtentechnik besucht und arbeitete sechs Jahre lang im „Magistrat Siemens“ auf einem relativ sicheren Posten. In seiner Freizeit begann er, in Klosterneuburg Theater zu spielen.

Obwohl er zunächst nicht an eine Professionalisierung seiner Leidenschaft dachte, machte er eine Ausbildung bei Herwig Seeböck und Erika Mottl. Zwischen 1991 und 1993 übernahm er in einer in der Übergangsphase vom Nachrichteningenieur zum Kabarettisten die Leitung der Kleinkunstbühne Spektakel.

"Der einzige rote Faden bin ich"

dieZeitschrift: Warum entschieden sie sich dafür, Kabarett zu spielen?
Werner Brix: Ich bin ein sehr unsteter Mensch. Ich kann nichts über Jahre hinweg mit einer gewissen Konsequenz durchziehen. Nur beim Kabarett geht das. Es ist abwechslungsreich. Man reist viel. Trifft Leute. Man kann und muss sich alle Jahre wieder mit einem neuen Werk beweisen. Oft will man das gar nicht, aber der Markt verlangt es. (lacht).

dieZeitschrift: Sie haben bis jetzt acht sehr unterschiedliche Programme geschrieben.
Werner Brix: Der einzige rote Faden bin ich. Jeder, der Kabarett ernsthaft betreibt, sollte ein Anliegen auf die Bühne bringen. Ich widme mich zunehmend gesellschaftsphilosophischen Themen. Im ersten Programm gab es viele einzelne Nummern: Ein junger Mann schreibt ein Kabarettprogramm. Die Premiere rückt immer näher, der Protagonist hat keine Zeit zu üben, weil er ein kleines Kind hat und Scheißjobs machen muss. Es war schon autobiographisch: es war tatsächlich nach der Geburt meines ersten Kindes.

Kabarettprogramme zu schreiben, ist ein Spagat zwischen: was gefällt den Journalisten, was den Veranstaltern, was mir selbst und was dem Publikum? Der Wichtigste bin ich, es muss mir gefallen. Ich kann nichts spielen, was mir nicht gefällt. Danach kommt aber sofort das Publikum.

"Ich bin ein alter Grübler"

Mit Vollgas ins Burnout
Ludwig Rusch
Werner Brix: Mit Vollgas zum Burnout

dieZeitschrift: Wann kam der Durchbruch?
Werner Brix: 2003 mit „Brix allein im Megaplex oder Mit Vollgas zum Burnout“. Eigentlich dachte ich mir, ich schreib für die Schublade, das wird niemanden interessieren. Aber es ist eingeschlagen wie eine Bombe. Der Abend war eine Therapiesitzung mit dem Publikum. Der Protagonist ist ein gestresster Manager und sitzt auf der Bühne. Er schwafelt extrem schnell, er ist am Limit. Es mündet in die Erkenntnis, dass er entschleunigen muss - aber mit Vollgas.

dieZeitschrift: Zwischen 2004 und 2007 erlebten Sie schwere Zeiten.
Werner Brix: Zuerst meine Scheidung 2004 und 2007 starb meine Mutter. Wir haben sie daheim gepflegt, so lange es möglich war. Nach ihrem Tod ging es mir ziemlich schlecht. Ich hatte Panikattacken und war depressiv. Ein Journalist gab mir eine CD des Bochumer Kabarettisten Jochen Malmsheimer: „Jauchzet, frohlocket!“. Ich hörte die CD jeden Tag beim einzuschlafen um mich abzulenken. Das war für mich wie ein Lutscher, wie ein Mohnzuzler.

Dann erfuhr ich, dass Malmsheimer nach Salzburg kommt. Also fuhren der Gunkl und ich hin. Als Malmsheimer ins Lokal kam, fiel ich ihm um den Hals. Er kannte mich nicht. Nach der Vorstellung erzählte ich ihm die Geschichte und seither sind wir Freunde. Ich bin ein alter Grübler. Doch durch Malmsheimer habe ich den Schalk, die Gaudi wieder entdeckt.

"Ich brauchte das Geld"

dieZeitschrift: Warum sind sie nicht mehr bei „Was gibt es Neues?“
Werner Brix: Ich war ein, zwei mal dabei. Beim ersten Mal habe ich Blut geschwitzt. Anstatt über die richtige Antwort nachdenken zu können, muss man auf Druck witzig sein und das ist nicht meine Stärke. Trotzdem versuchte ich es ein paar Jahre später noch einmal. Ich brauchte das Geld und musste mein Gesicht aus Werbegründen wieder ins Fernsehen kriegen. Diesmal gab ich Vollgas und war so in Fahrt, dass es dem Oliver Baier zu viel war. Das war's dann wohl.

dieZeitschrift: Seit 2008 engagieren Sie sich für die „Entwicklungshilfe für Künstler“. Wie kam es dazu?
Werner Brix: „Zum Tod Lachen“ ist ein soziales Projekt, das der Burgschauspieler Otto Tausig ins Leben gerufen hatte. 2008 lasen Josef Hader, Lukas Resetarits, Erwin Steinhauer, Tini Kainrath und ich Texte von Autoren und Kabarettisten, die von den Nationalsozialisten ermordet worden waren. Als ich Tausig kennenlernte, konnte ich ihm gleich 12.000 Euro Erlös übergeben.

Das Geld ging an ein Projekt in Indien, um Kindern zu helfen, die in einem Steinbruch die Schulden der Eltern abarbeiten mussten. Ich war entsetzt und bin dran geblieben. Kurz vor seinem Tod versprach ich Tausig, sein Projekt weiterzuführen. Seitdem habe ich jährlich eine Veranstaltung im Ronacher organisiert.

"Da muss es zischen"

dieZeitschrift: seit Anfang 2014 stehen sie mit ihrem neuen Programm „LUST – Lasst uns Leben“ auf der Bühne. Wie geht es Ihnen damit?
Werner Brix: Das Programm flutschte am Anfang nicht. Es gab Textunsicherheiten und ich hab die Figur nicht gespürt. Ich bin mit der Produktion spät dran gewesen, und die Kritiker hatten anfangs mit ihren verhaltenen Kritiken recht. Es ist auch keine leichte Kost: Ein Kabarettprogramm über den Zynismus in der Gesellschaft und in den Medien. Auf der Bühne steht ein Optimist, der über schöne Dinge sprechen will, aber der Zyniker kommt immer wieder durch. Wenn man das nicht genug geprobt hat, dann pfeift das nicht. Seit Herbst zischt es aber. Ich bin hineingewachsen. Es ist wichtig, dass man meint, was man sagt, in meinem Fall ist es noch leichter, weil ich es selbst geschrieben habe.

"Ich kann da jetzt auch nix machen"

dieZeitschrift: Wie kam es zum Deal mit Universal, wo Ihre DVDs erscheinen?
Werner Brix: Das war ein Glücksfall. Meine Frau gab dem Marktingchef Peter Draxl eine CD und sie gefiel ihm. Er sagte: „Wieso ist dieser Mann in Österreich nicht top und tritt überall auf?“ Das hat mir geschmeichelt, aber ich sagte zu ihm: Ich kann da jetzt auch nix machen. Daraufhin beschloss Draxl, die fünf DVDs zu produzieren. Das ist ein sehr nobles Geburtstagsgeschenk.

dieZeitschrift: Was wünschen sie sich zum 50. Geburtstag, der ja auch ansteht?
Werner Brix: (schweigt lange) Ich wünsche mir Ausgeglichenheit für mein Wesen, weil es meiner Gesundheit gut tut. Aber dennoch nicht soviel Ausgeglichenheit, dass ich fad werde. Ich wünsche mir, damit zurechtzukommen, dass ich ein Feuerwesen bin, das ständig irgendetwas tun muss, ständig Ideen hat. Mit dem umzugehen zu lernen, das wäre nach 50 Jahren langsam an der Zeit. (lacht)

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