Marliese Mendel
Arbeitsmarktprojekt

Kooperatives Personalmanagement

Samstag, 28. März 2015
In Niederösterreich teilen sich seit 2014 neun Arbeitergeber mittlerweile sechs Angestellte. Das kooperative Personalmanagementsystem ermöglicht Arbeitnehmern Vollzeit in der Region zu arbeiten und den Unternehmern ihre Teilzeit- und Saisonjobs mit Fachkräften zu besetzen.

Ein Naturkosmetikproduzent in Ober-Grafendorf, ein Restaurantbesitzer in Melk, ein Hotelbetreiber sowie ein Bowlingcenter in St. Pölten, haben das gleiche Problem. Sie suchen qualifizierte Saisonarbeitskräfte, die jedes Jahr zurückkehren, oder sie brauchen Mitarbeiter für in regelmäßigen Abständen entstehende Teilzeitbeschäftigungen. Doch Arbeitnehmer wollen lieber fixe Fulltimejobs, finden sie diese, kehren sie nicht mehr in die Saisonbetriebe oder die Teilzeitjobs zurück und Unternehmen verlieren eingearbeitete und erfahrene Angestellte. Anfallende Arbeiten können nicht erledigt werden, Beschäftigte müssen zahllose Überstunden leisten um die Spitzen abzudecken oder Unternehmer greifen auf teure Leiharbeiter zurück. Die Lösung dieser Probleme könnte der 2014 in Niederösterreich gegründete Arbeitgeberzusammenschluss sein.

Bei Arbeitgeberzusammenschlüssen (AGZ) kooperieren mehrerer Unternehmer, die wiederkehrende und planbare Arbeitnehmerbedarfe haben, denen jedoch aus wirtschaftlichen Gründen keine Vollanstellung eines Arbeitnehmers möglich ist. Deshalb wird Personal Vollzeit im AGZ angestellt und die Arbeitgeber koordinieren, in Absprache mit den Angestellten, wann wer wo und wie viele Stunden arbeitet.

Arbeitgeberzusammenschluss

Alexander Szöllösy und Franz Heumayr
progressNETZ
Alexander Szöllösy und Franz Heumayr

Der Politologe und Regionalentwickler Alexander Szöllösy und sein Team gründeten 2010 den Verein progressNETZ. Beim ersten Projekt entwickelten sie für den Zentralraum Niederösterreich ein Tourismuskonzept mit 50 Ideen. Zielsetzung war es die Region für Gäste attraktiver zu machen, neue Betriebe anzusiedeln oder bestehende besser auszulassen und somit neue Arbeitsplätze zu schaffen. Szöllösy besuchte unzählige Ortschaften und interviewte mehr als 50 Unternehmer. Immer wieder hörte er, wie schwierig es sei Fachkräfte für Saisonbetriebe oder zur Abdeckung von Teilbedarfen zu finden. Also machte er sich auf die Suche nach einer Lösung. Aus Frankreich „importierte“ er die Idee des Arbeitgeberzusammenschlusses und setzte es in Niederösterreich in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium und dem AMS NÖ um.

Er unterstützt die ersten Unternehmer, die sich zusammengeschlossen haben um gemeinsam Arbeitnehmer anzustellen, die zwischen den Betrieben „pendeln“. Restaurantfachleute arbeiten etwa im Sommer in Melk und im Winter in St. Pölten in zwei verschiedenen Betrieben, sind aber das ganze Jahr beim AGZ angestellt und verdienen auch noch mehr als die in den Kollektivverträgen festgelegten Löhne. So bleiben erfahrene Mitarbeiter in den Betrieben. Und Arbeitnehmer haben sichere Ganzjahresjobs.

Herausforderungen

Marko ist über 50 und war seit Jahren arbeitslos. Als auch noch seine Frau und sein Sohn ihren Job verloren, brach seine Welt zusammen. Über das AGZ hat er jetzt zwei Halbtagsjobs aber nur einen Arbeitgeber, den AGZ. Mirzeta ist über 50 und hat eine behinderte Tochter. Für sie war es unmöglich eine Anstellung mit Arbeitszeiten zu finden, die sich mit der Betreuung der Tochter kombinieren ließ. Über den AGZ hat sie den passenden Job gefunden.

Für Szöllösy stellten sich anfangs einige Herausforderungen: wie kann man sich von Leiharbeiterfirmen abgrenzen; wie kann man Betriebe finden, die zu einem solidarischen Personalmanagement bereit sind: genügend Gelassenheit und Erfahrung mitbringen um nicht gleich wieder aussteigen, wenn das Modell nicht sofort reibungslos funktioniert. Das Ziel, neue fair entlohnte Jobs zu schaffen, die dem Arbeitnehmer Spaß machen und dem Arbeitgeber qualifizierte Fachkräfte auch in saisonalen Betrieben garantiert, ist beim Pilotprojekt schon gelungen.

AGZ-Mehrwert-Check

Durch das kooperative Personalmanagement ergeben sich zusätzliche positive Nebeneffekte, wie geteilte Kompetenzen: der AGZ führt Gespräche mit Bewerbern, erledigt alle Formalitäten bei der Anstellung und auch Kündigung von Mitarbeitern, koordiniert die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit und ermöglicht Angestellten Weiterbildungen. Im Gegensatz zu Leiharbeiterfirmen ist der AGZ nicht gewinnorientiert und der Geschäftsführer erhält nur eine Aufwandsentschädigung.

Mitmachen können prinzipiell Betriebe aus allen Branchen, die den AGZ-Mehrwert-Check bestehen. Neben der Produktivität wird auch geprüft, ob die Betriebe alle Arbeiternehmerrechte beachten und ob es wiederkehrende Teilbedarfe gibt. Und jeder Arbeitssuchende kann sich beim AGZ bewerben, von der Reinigungskraft bis zum Anwalt. Das AGZ prüft, ob für den Bewerber genügend Bedarf für eine Vollzeitanstellung besteht. So können sich zum Bespiel kleine Betriebe keine eigene Marketingabteilung leisten. Der AGZ hat jetzt eine Marketingfachfrau angestellt, die sich in Zukunft in mehreren Betrieben um deren Webauftritt, die Betreuung der Social-Media-Kanäle und Presseaussendungen kümmert.

Expansion

Vor allem in ländlichen Regionen in Frankreich und Deutschland funktioniert das Modell gut und hilft Fachkräfte und junge Arbeitskräfte in den Betrieben und vor allem in den ländlichen Regionen zu halten. Arbeitnehmern erspart es das Pendeln zu weit entfernten Jobs, Teilzeitjobs die die Lebenserhaltungskosten nicht decken oder Scheinselbstständigkeit.

Szöllösy plant momentan die Ausweitung des Projektes nach Oberösterreich und ins Burgenland. Er glaubt, dass in Österreich durch AGZs fürs Erste mehrere hundert neue, sozialversicherungsrechtlich begründete Arbeitsplätze geschaffen werden können.

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