Holstuonarmusigbigbandclub
Musik

Wild West Coast of Austria

Montag, 14. Juli 2014
Der Bregenzerwälder Dialekt ist für Außenstehende vollkommen unverständlich. Selbst die Vorarlberger aus angrenzenden Regionen verstehen ihn nicht. Das hält die Bandmitglieder von der weltweit wahrscheinlich kleinsten Bigband Holstuonarmusigbigbandclub nicht ab, in bregenzwäldlerisch zu singen und Konzerthallen auf der ganzen Welt zu füllen.

Auf dem Heimweg werden fünf fröhliche Musikanten entführt. Dahinter steckt ihr Manager: Er will sie zwingen, beim Song Contest mitzumachen – sie sollen in Dirndln auftreten und mit alpenländischer Folklore das zahlungswillige Millionenpublikum begeistern. Die Entführten sind die Bandmitglieder des bregenzerwälder Holstuonarmusigbigbandclubs (HMBC). Diese Geschichte erzählen die Vorarlberger in ihrem neuen Video „Wild West Coast of Austria“ und räumen mit zwei angedichteten Bandmythen auf: sie sind nicht die Spice Girls Vorarlbergs und sie denken nicht daran, beim Song Contest aufzutreten – obwohl Ö3 sie 2011 für die Vorentscheidung nominiert hatte.

Kleinste Bigband der Welt

Holstuonarmusigbigbandclub, Wien, HMBC, Schoppernau, Mellau
Adolf Bereuter

Der HMBC ist sicher eine der unkonventionellsten Bands, die je auf Ö3 gespielt wurden: Sie sind die kleinste Bigband der Welt und sie singen in einem Dialekt, der selbst in den Nachbarbezirken kaum verstanden wird. „Der Dialekt birgt einen Fundus von phonetischen Besonderheiten. Mit dieser Sprache kann ich mich textlich austoben“, sagt Gitarrist, Sänger und Akkordeonspieler Philipp Lingg. „Mein Vater war der Kapellmeister im Musikverein und meine Mutter spielt Zither und singt im Kirchenchor. Papa hat mich schon mit acht Jahren mit auf die Bühne genommen. Ich sang, spielte Akkordeon und Achtung Klischee: jodelte.“

Für Lingg war es aber ganz normal, sich mit den Erwachsenen auf der Holstuona (Niederalm) nach getaner Arbeit in der Stube zu treffen, Witze zu erzählen, zu tanzen und zu musizieren. Von der Alm kommt auch der sperrige Bandname: eine Hommage an den wälder'schen Dialekt, die Kindheit und an das Historische. Kennen gelernt hat sich die Band 1999 bei einem Volksmusikworkshop auf einer Alm.

„Vo Mello bis ge Schoppornou“

Bevor sie ihren ersten, eigentlich eher unbeabsichtigten Hit „Vo Mello bis ge Schoppornou“ hatten, probierten sie sich in verschiedenen Musikrichtungen aus. Auf der ersten CD „Querschlager“ singen sie Schlagertexte, auf der zweiten Platte Cover von Sting, den Rolling Stones, Ben E. King, Police und Abba. Bei der dritten CD 2011 finden sie ihre Tonsprache: eine Mischung aus traditionellem Volksmusikwalzer, Jazz, Balkansounds und Dixie.

Der Erfolg des HMBC begann mit der musikalischen Wegbeschreibung „Vo Mello bis ge Schoppornou“, einer Geschichte, die wahrscheinlich jeder kennt, der auf dem Land aufgewachsen ist: Es ist früh am Morgen. Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren noch nicht und das Taxigeld ist versoffen. Fünf Männer wanken entlang der B200 zwischen Mellau und Schoppernau. Mehr als zwölf Kilometer, fast drei Stunden Fußmarsch trennten sie vom warmen Bett und der kiebôenden (schimpfenden) Mutter.

„Tun euch die Füße noch weh“

Holstuonarmusigbigbandclub, Wien, HMBC, Schoppernau, Mellau
Adolf Bereuter

Ihr Lied wurde ein Youtube-Hit. Mehr als 900.000 Menschen hatten das Video angeklickt, bis es der sonst recht dialektfreie Radiosender Ö3 das Lied erstmals spielte. Kurz später hatte es Platz Zwei der Hitparade erreicht. „Zwischen einem gewissen Eminem und einer gewissen Katy Perry“, wie der Vater des Bandmitglieds Philipp Lingg seinem Sohn erzählte. Das Lied lief pausenlos auf Radio Vorarlberg. Doch nicht alle hörten die beschwippste Nachtwanderung gerne. Anrufer beschwerten sich, dass das Lied Alkohol verherrlichte und gottlos geflucht würde.

„Nachdem das Lied ein Hit war, fragte man uns immer das Gleiche: „Tun euch die Füße noch weh“, „Seid ihr wirklich zu Fuß gelaufen?“ sagt Lingg, Gitarrist, Sänger und Akkordeonspieler der Band. „60 Prozent sind Fiktion und 40 Prozent sind Realität. Genauere Details bleiben ein Geheimnis.“

Der Erfolg kam mit allen Nebenwirkungen. Plattenbosse wollten sie unter Vertrag nehmen, große Tourneen wurden versprochen und man bot ihnen sogar an, Fingernägelsticker mit ihren Köpfen drauf herzustellen. Nichts davon haben sie angenommen, sondern darüber einen Song geschrieben: „Vorreasso, vorkouft, as louft“: Ein geschleckter Plattenboss will ihnen einen Vertrag unterschieben. Doch anstatt sich knebeln zu lassen, kleben sie ihm den Mund zu. „Kein Schleimi, kein Heini“ kann ihre Musik korrumpieren.

Dirndl und Stöckelschuhe. Spicy.

Auch der Moderator im Ö3-Frühstücksradio konnte nicht verstehen, dass die Band nicht beim Songcontest mitmachen wollte. „Aber für uns stand das nie zur Debatte. Wir sind gegen Playback-Kultur. Wir wollen Menschen nichts vormachen.“ Lingg schaute sich den Song Contest auch 2014 nicht an. Er stand zeitgleich mit seiner Band auf der Bühne. Sie präsentierten ihr neues Lied „Wild West Coast of Austria“ und antworteten damit auf die Aufforderung, beim Song Contest aufzutreten.

Klischee eins war also ausgeräumt. Blieb noch jenes, dass sie die Spice Girls aus Vorarlberg wären. Seinen Ursprung nahm der „Mythos“ im November 2010 bei einer Konzertankündigung im Kurier: „Wir sind die Spice Girls der Volksmusik, wollen Musikstücke neu gestalten, mischen verschiedenste Stile und Instrumente“, sollen sie gesagt haben. Im neuen Video karikieren sie diese Aussage, die ihnen seitdem als Etikett anhaftet: Sie zwängen sich in Dirndl und Stöckelschuhe. Spicy.

Holstuonarmusigbigbandclub, Wien, HMBC, Schoppernau, Mellau
Holstuonarmusigbigbandclub

„Ich hatte davor noch nie ein Dirndl angehabt. Es war wirklich schlimm. Ich habe die Dirndl meiner Mama und meiner Schwester probiert. Ich passt in keines rein. Es scheiterte an meinen Hüften. Bis die Oma mir ihres gab. Es war seltsam, ein Dirndl zu tragen, aber der wahre Horror war, die Stöckelschuhe anzuziehen. Das wirklich coole war aber die Verwandlung zur Frau. Unsere Friseurinnen haben extra für uns die Mittagspause sausen lassen. Wir übten die angeblich typisch weiblichen Gestiken. Aber jetzt bin ich froh, dass ich wieder so sein darf, wie ich scheinbar bin. Jetzt ist es abgehakt, wir arbeiten weiter an unserer neuen Platte.“

Die Tonsprache des HMBC hat sich weiter verändert: „Der Sound ist jetzt konkreter, es wird viel gesungen, momentan sind nur zwei Instrumentalnummern geplant. Es geht um „Hag“, Zäune. Man hat entlang des Radwegs der Bregenzer Arche von Au bis Schoppernau einen Zaun gezogen.“ Ob man damit die Fahrradfahrer einsperren oder die Kühe mit kleinen Maschendrahtzäunen aussperren will, war nicht zu eruieren.

In „Life after Facebook“ fragen sie nach der Lebenszeitverschwendung in Sozialen Medien. Und es geht um Nasen und verrückte Nächte in Vorarlberg. Mehr darf er noch nicht sagen, hat man ihm gesagt.

Die neue CD soll am 5. September 2014 erscheinen. Bis dahin werden die Bandmitglieder noch viele Stunden im Zug verbringen. Denn drei von ihnen wohnen in Wien und zwei in Vorarlberg. Ein Glück, dass Lingg ein „Zugmensch“ ist, die fast siebenstündige Fahrt verbringt er mit schreiben. Er hätte aber einen Wunsch an die ÖBB: dass sie ein Probenabteil einrichten sollten.
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Termine, Bandgeschichte, u.v.m.

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