Amici delle SVA
Amici

„Wir Armutschkerln sollen alles wissen“

Sonntag, 29. Dezember 2013
Die SVA (Sozialversicherungsanstalt für Selbstständige) hat seit zwei Jahren ein paar tausend spezielle Freunde. Wie sich Einzelkämpfer ohne Lobby gemeinsam gegen ein ungerechtes System wehren, das seit Jahrzehnten in Stein gemeißelt scheint.

„Mein letztes Hemd hat die SVA“. Das schrieben sich am 10. Mai 2011 etwa 30 Selbstständige vor dem SVA-Gebäude auf der Wiedner Hauptstraße medienwirksam gegenseitig auf nackte Rücken, Dekolletes und Oberarme. Die Presse kam, sah, berichtete. Das war wahrscheinlich die Geburtsstunde der „Amici delle SVA“, wie sich die Initiative selbstironisch nennt. Organisiert wurde die Aktion von Werbetexterin Cosima Reif, die sich über eine SVA-Nachzahlung geärgert hatte und einen Teil ihrer Facebook-Freunde für die Aktion motivieren konnte. Danach erstellte sie die Facebook-Seite „Amici delle SVA“, die nur wenige Monate später mehr als viertausend Mitglieder verzeichnete.

Seitdem kämpfen die Amici mit Flashmobs, Demos und Klagen für ein gerechteres Sozialsystem für Selbstständige. Mitglieder, die etwa als Steuer- oder Unternehmensberater arbeiten oder sonst viel Erfahrung mit der Bürokratie und dem Paragraphendschungel aufweisen können, stellen ihr Wissen auf der Plattform gratis zur Verfügung. Sehr bald engagierte sich auch der Kabarettist Werner Brix, dessen Bekanntheit für die Aufmerksamkeit an den entsprechenden Stellen sehr dienlich ist. Nicht zuletzt deswegen konnte diese Gruppe einige wichtige Erfolge wie zum Beispiel das Krankengeld für Selbstständige verbuchen.

Zwei Amici, der pensionierte Baumeister Robert Blazek und Steuerberater Andreas Knipp gehören zum aktiven und harten Kern der Gruppe. In einem Interview mit dieZeitschrift sprechen sie über ihre Forderungen, kritisieren Ungerechtigkeiten des Systems und verraten, welche Fehler ein Selbstständiger auf keinen Fall machen sollte.

„Das System ist viel zu kompliziert“

Amici delle SVA
Amici delle SVA
Die Amicis vor dem Parlament

dieZeitschrift: Was kritisieren Sie konkret an der SVA?

Blazek: Erstens: Egal, wie wenig man verdient, auch wenn ich Verluste habe, zahle ich 2300 € an die SVA. Das ist viel zu hoch. Das ist ungerecht. Zweitens stört mich, wie kompliziert das System ist. Wenn man bei der SVA anruft, wissen die Mitarbeiter selbst nicht alles. Als ich in Korridor-Pension gegangen bin, wurden mir bei der SVA gleich zwei Spezialisten zugeteilt, jeder war für etwas anderes zuständig. Und wir Armutschkerln sollen alles wissen. Die Gesetze sind so gemacht, dass sie ein Normalsterblicher nicht versteht. Das ist meiner Meinung nach Absicht. Der Staat hat Angst, dass viel mehr Leute auf die Barrikaden gehen, wenn sie alle Gesetzestexte verstehen würden, oder sie wollen, dass man wegen des Nichtverstehens aufgibt und schulterzuckend zahlt.

Knipp: Im Gegensatz dazu ist das ABGB (Anmerkung: Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) relativ einfach, fast kindlich geschrieben. Dieser Gesetzestext ist ungefähr 200 Jahre alt. Das war damals so formuliert, damit breite Bevölkerungsgruppen wissen, worum es geht. Dieser Gedanke ist aus heutigen Gesetzestexten komplett weg. Ein Laie könnte ohne fachgerechte Betreuung ziemlich schwerwiegende Fehler machen. Zum Beispiel sollten Selbstständige die Sozialversicherung in Jahren mit gutem Verdienst gemäß diesen Einkünften voraus zahlen. Aber das wissen viele nicht.

„Die meisten Leute haben schon einen dicken Hals“

dieZeitschrift:Sie raten Selbstständigen also, eine freiwillige Vorauszahlung an die SVA zu leisten?

Blazek: Ja. Wenn ich in einem guten Jahr eine Vorauszahlung leiste, wird mein Einkommen geringer und dadurch die Einkommenssteuer ebenfalls niedriger. Dieser geringere Gewinn wird auch der SVA gemeldet. Das bedeutet, dass auch die SVA den Beitrag auf Basis einer geringeren Bemessungsgrundlage berechnet. Viele Leute legen das Geld lieber auf ein Sparbuch. Das ist aber totaler Blödsinn. Denn das Schlimme ist, wenn Nachzahlungen in Jahren kommen, wo man keinen oder wenig Gewinn hat, kann man die SVA-Nachbemessungen als Ausgaben nicht abziehen.

dieZeitschrift: Wie hoch sollte diese Vorauszahlung sein?

Knipp: So Mitte Dezember kann man den Gewinn dieses Jahres schon ungefähr abschätzen. Zu diesem Zeitpunkt sollte man eine Berechnung machen. Bei ermittelten Vorauszahlungen muss dann dieser Betrag noch im alten Jahr gezahlt werden. Die ersten vier Quartale sind vorgeschrieben, die fünfte Zahlung dann freiwillig. Auf der Homepage business-papas.at stellen wir den Betroffenen alle möglichen Tools zur Verfügung, um diesen Betrag auszurechnen. Die SVA hat auf ihrer Homepage auch so einen Rechner, aber wir sind der Meinung, dass unserer genauer ist.

dieZeitschrift: Wenn ich mich selbstständig mache und zur SVA gehe, was erwartet mich dort?

Blazek: Ein Mitarbeiter in der Infozone, der alle drei Monate ausgetauscht wird, damit er kein Burn Out kriegt. Denn die meisten Leute, die dort hingehen, haben schon einen dicken Hals.

Knipp: Nicht nur das. Da kommen Leute mit wirklich geringem Einkommen hin. Und dieser Mitarbeiter muss denen dann sagen: ,Bilden Sie Rücklagen!´ Und er weiß genau, dass dieser arme Knopf sich nichts zurücklegen kann, weil er wahrscheinlich zu wenig zum Leben verdient.

„Nach einem guten Jahr kommt die fette Nachzahlung“

dieZeitschrift: Wie könnte man dieses System vereinfachen?

Blazek: Das Berechnen der Umsatzsteuer bei einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist einfach und die Selbstbemessung wird beim Finanzamt seit Jahren praktiziert. Am Monatsende weiß ich, wie viel ich zahlen muss. Das könnte man bei der SVA auch so einfach machen. Stattdessen verschleppt man alles drei Jahre.

dieZeitschrift: Das heißt, wenn ich 2013 ein gutes Jahr hatte, dann muss ich drei Jahre später richtig heftig nachzahlen?

Blazek: Ja. Der Vorgang ist der: Das Finanzamt erhält meine Angaben über den Gewinn. Dieser Betrag minus 13 Prozent Freibetrag wird der SVA gemeldet. Nun wird bei der SVA erst ermittelt, wie viel man nachzahlen muss – das nennt man Nachbemessung. Das wird nun in Teilbeträgen zusätzlich zu den normalen Vorauszahlungen vorgeschrieben.

Knipp: Wenn Sie ein gutes Jahr hatten, kommt eine fette Nachzahlung. Können sie das Geld dafür nicht aufbringen, weil sie im Jahr der Nachbemessung weniger verdienen, folgt die finazielle Tragödie. Der Supergau war früher, am Anfang gut zu verdienen, und im nächsten Jahr schwanger zu werden. Da sind dann viele Frauen komplett um das Karenzgeld umgefallen – mussten es nachträglich zurück zahlen, weil die Nachbemessungen aus den vergangenen Jahren als „Einkommen“ gewertet wurden und man dann über die Einkommensgrenze geschossen ist. Das zum Beispiel ist seit unserem starken Einsatz in der Zwischenzeit anders.

Serie, Teil 1

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