Drei Packerl unterm Tannenbaum

Jahr für Jahr werden mangels besser Einfälle Abermillionen mittelmäßige und schlechte Bücher unter den Weihnachtsbaum gelegt. Hier die Namen zweier wirklich guter – auch für Nichtschachspieler.

Am Ende ist er an seiner Bescheidenheit erstickt: Carl Schlechter starb 1918 in Budapest an einer verschleppten Lungenentzündung. Man hatte den Wiener Schachmeister zu einer Simultanvorstellung dorthin eingeladen, aber Schlechter dachte nicht daran, den Komfort in Anspruch zu nehmen, den diese Einladung mit sich gebracht hätte. Er war unterernährt, kränklich, schwach, doch Hilfsangebote lehnte er ab. So starb er mit nur 44 Jahren einen Tod, der sich vermutlich vermeiden hätte lassen.

Der Grazer Thomas Glavinic hat aus dem real existierenden Carl Schlechter einen fiktiven Carl Haffner gemacht. In einem eher kurzen, schnell ausgelesenen Roman konzentriert er sich auf die Ereignisse des Jahres 1910, als Schlechter in Wien und Berlin die Chance hatte, dem Deutschen Emanuel Lasker dessen Weltmeister-Titel zu entreißen. Wer atmosphärische, tief in die Psyche schürfende Geschichten mag, wird an Carl Haffners Liebe zum Unentschieden (ISBN 3423134259) seine Freude haben.

Getürkt

Ein anderer historischer Roman zum Thema Schach gehört ebenfalls zu meiner Lieblingslektüre. Er ist nicht ganz so eindringlich, dafür aber facettenreicher und mit echter Krimispannung ausgestattet. Und wieder handelt ein guter Teil der Story in Wien. Der Deutsche Robert Löhr erfindet eine Geschichte rund um den vermeintlich allerersten Schachcomputer der Welt: Den Schachtürken (davon leitet sich das Wort „getürkt“ ab), mit dem Baron Wolfgang von Kempelen halb Europa bereiste und hereinlegte.

In Wahrheit verbarg sich im hölzernen Spieltisch des Türken ein klein gewachsener Schachmeister. Die Herausforderung, diese Täuschung nicht auffliegen zu lassen, die gefeierten Erfolge, die vorherige Konstruktion des Apparats und die Geschichten und Konflikte der Protagonisten verwebt Löhr zu einem mitreißenden Lesestoff. Der Schachautomat: Roman um den brillantesten Betrug des 18. Jahrhunderts (ISBN 3492248683) ist ein blendend recherchiertes und doch phantasievolles Druckwerk, das man kaum weglegen kann, hat man es erst einmal zur Hand genommen. Es erfordert absolut keine Kenntnisse des Schachspiels – wie auch der erste Tipp nicht. Beide Bücher können Sie also bedenkenlos unter jedem Christbaum platzieren und damit eigentlich nicht falsch liegen.

Theater

Meine persönlichen Top Drei der Schachromane werden komplettiert von Stefan Zweigs Schachnovelle. Die kennt man ohnehin, ich will Ihnen aber nochmals die Inszenierung im Pygmalion-Theater ans Herz legen, die an dieser Stelle vor genau einem Jahr schon gelobt wurde. Ursprünglich sollte das Stück nur bis zum vergangenen Sommer aufgeführt werden, zumindest im Jänner sind aber noch immer Aufführungen angesetzt. Karten dafür machen sich als Geschenk sicherlich auch nicht schlecht.