Heyne Verlag
Rezension

1894: Ein Spionagefall spaltet Frankreich

Samstag, 30. November 2013
Kurt Lhotzky kann alles. Er macht den besten grünen Tee der Stadt, reicht knuspriges Gebäck dazu und kennt fast jedes Buch. Im Literaturbuffet lesen Autoren aus ihren Werken und Buchfreunde finden den richtigen Lesestoff. Für dieZeitschrift schreibt er Rezensionen.

1894 verurteilte ein Militärtribunal in Paris den einzigen jüdischen Offizier im französischen Generalstab, Hauptmann Alfred Dreyfus, wegen Hochverrats zugunsten des deutschen Kaiserreichs zu lebenslänglicher Haft auf der Teufelsinsel.

Dem Prozess vorangegangen waren eine wüste antisemitische Hetze in verschiedenen Gazetten und Tageszeitungen, “nationalistische” Demonstrationen, bei denen “jüdische” Geschäfte demoliert wurden und in einem Aufwaschen gleich auch die Elsässer (denn die Familie Dreyfus stammte aus Mülhausen) als potenzielle deutsche Kollaborateure denunziert wurden.

Der britische Historiker, Journalist und Thrillerautor Robert Harris lässt im Roman “Intrige” den Offizier Marie-Georges Picquart berichten, wie dieser Schritt für Schritt der Wahrheit näher kommt: Dass ein verbohrter, dünkelhaft-reaktionärer, antisemitischer Offiziersklüngel einen Unschuldigen auf die Anklagebank gesetzt hat und mit allen Mitteln verhindert, dass der wirkliche Verräter entlarvt wird.

Erschießungskommando

Factbox

Ein großartiger Autor, ein großartiges Thema, ein großartiges Buch.
Robert Harris
Intrige
Heyne, 622 Seiten, 23,70 EUR

Buchhandlung Literaturbuffet
Taborstraße 28,
(Eingang Rotensterngasse)
1020 Wien
Telephon: +43 1 276 47 36
Mobil: +43 6991 585 16 68

Picquart ist eine historische Persönlichkeit - als Chef des französischen Geheimdienstes klärt er den “Fall Dreyfus” - und stürzt tief … Bis zur Rehabilitierung Dreyfus’ 1906 stürzen Regierungen, liegen Staatsstreichpläne in der Luft, gibt es Morde und manipulierte Richtersprüche.

“Intrige” ist mehr als ein historischer Thriller - das Buch zeigt, dass lange vor Edward Snowden und Chelsea (Bradley) Manning Menschen vor der schwierigen Frage standen, ob “nationale Interessen” über Gerechtigkeit und Moral stehen oder nicht; wie man die Wahrheit “leaken” kann, ohne als Hochverräter vor dem Erschießungskommando zu landen; und welche Chancen ein Einzelner gegen einen Machtapparat hat, der ihn ohne jede demokratische Kontrolle zermalmen kann.

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