„Es ist ein Nachteil“, sagt Florian Wisser, „für unsere Musik gibt es keine Schublade. Aber man ganz sicher sagen, viele wie uns gibt es nicht. Da sind wir uns ziemlich sicher.“ Damit hat er recht. Die Texte des Ersten Wiener Heimorgelorchesters (EWHO) sind vergnüglich dadaistisch, voller humoresker Sprachspiele, schön absurder Reime und verdrehter Morpheme. Sie spielen Coverversionen, schreiben selbst Liedtexte oder vertonen Gedichten, etwa von Clemens Setz, Konrad Bayer, Andreas Okopenko, Ror Wolf, Barbi Marković, Pia Hierzegger oder Antonio Fian. Dazu spielen sie auf Billig-Keyboards LoFi-Pop.
„Wir wollen nicht nur eine Band sein, die in Clubs Popsongs spielt. Wir behalten uns vor, auch in anderen Kontexten Musik zu machen, aber immer mit dem selben Instrumentarium,“ sagt Daniel Wisser. Die vier Musiker untermalten im Jahr 2006 bei den Wiener Festwochen zu Stummfilme und standen zwischen 2005 und 2009 mit ihren Keyboards beim Peter Handke Stück „Untertagblues“ mit selbstkomponierter Musik über 50 mal auf der Bühne des Akademietheaters.
Seit 1994 sind sie ein Fixstern in der Wiener Szene, gewannen den Protestsongcontest und landeten in Liechtenstein mit dem Lied „Vaduz“ einen Hit.
Die Freiheit der Dilettanten
Jetzt ist ihre achte CD erschienen: „Die Letten werden die Esten sein“. Ein hervorragender Grund, mit zwei Vierteln der Band ein Gespräch zu führen, dem Mathematiker Florian Wisser, der „interessante Programmieraufträge übernimmt“ und seinem Bruder Daniel Wisser, der fabelhafte Bücher schreibt. „Wir vier sind auch was anderes, als Keyboard-Musiker“ sagt Daniel. Jürgen Plank ist Journalist und Labelchef von Lindo Records, Thomas Pfeffer und Florian spielen auch noch in der Band „Pfeffer & Konsorten“. Obwohl alle Bandmitglieder Instrumente gelernt haben - Blockflöte, Trompete, Schlagzeug, Gitarre und Klavier - sehen sie sich als Dilettanten, „weil und dies die Freiheit gibt, Dinge so zu machen, wie wir es mögen,“ sagt Florian Wisser.
Wuchtige Töne
Über das genaue Gründungsdatum gehen innerhalb der Band die Meinungen auseinander, gesichert ist aber, dass sie im Dezember 1994 das erste Mal auftraten. Das Brüderpaar veranstaltete damals Kulturveranstaltungen in Wohnzimmern und beschlossen, dass auch Musik dazugehört. „Jeder von uns hatte in den frühen 1980er Jahren kleine Keyboards, also entschieden wir, damit Musik zu machen“, sagt Daniel. Der erste Auftritt im Jahr 1997 im Flex „hat uns recht überfordert“, erinnert sich Daniel, „wir waren technisch nicht gerüstet und die Menschen haben sich sehr über unsere Musik gewundert. Nicht nur wegen der Musik und der Texte, sondern wir waren wohl auch die einzige Band der Welt, die sitzend im Flex auftrat und unsere Keyboards lagen auf Bügelbrettern.“
Damals hörten sie ihre über 20 Jahre alten Instrumente zum ersten Mal über eine richtige Sound-Anlage. „Wir hatten ein wahres Aha-Erlebnis: man kann wuchtige Töne schaffen,“ sagt Daniel.
Kind mal Weihnachten mal Großeltern
„Was uns verändert und erweitert hat, war das Internet“, sagt Florian. „Wir brauchen immer genau das selbe Fabrikat von Heimorgeln, verwenden wir andere, müssen wir die Songs umarrangieren, weil jedes Gerät anders ist.“ Inzwischen hat jeder von ihnen bei Auftritten bis zu fünf Heimorgeln dabei und der Proberaum ist bis unter die Decke mit rund 200 Geräten angefüllt. Vor dem Entstehen der Online-Marktplätze grasten sie Flohmärkte und Altwarenhändler ab, mancher Konzertveranstalter schenkte ihnen Geräte und nach jedem Radiobeitrag melden sich Hörer_innen und bieten ihre „Spielzeuge“ an. „Eine Heimorgel oder ein Keyboard hat fast jeder, man muss sich nur ausrechnen: Kind mal Weihnachten mal Großeltern,“ lachen die Brüder. Das älteste Keyboard der Band ist über 35 Jahre alt und läuft noch. Sie schwören auf die japanischen Geräte aus den frühen 1980er Jahren. „Zu unserem 15. Geburtstag haben wir das Lied „Move your body close to me“ von Dana Gillespie 15 Stunden lang gespielt“, erzählt Daniel, „das haben diese Geräte locker durchgehalten. Und nein, zu ihrem 25. Geburtstag im Jahr 2019 spielen wir sicher nicht 25 Stunden lang, denn schon nach dem Anbruch der zweiten Stunde habe ich mir geschworen, dass mach ich nie wieder.“
Widerstand ist Ohm
Im Jahr 2009 begannen sie aber etwas anderes, sie begannen zu üben für ihre erste Teilnahme an einem Wettbewerb, den Protestsongcontest, den sie prompt mit (laut SRA) „vielleicht besten Protestsongcontestsong aller Zeiten“ „Widerstand ist Ohm“ gewannen. Als Folge lernten sie den den Labelchef von Monkey Music kennen, der ihre nächsten Alben herausbrachte. Beim Protestsongcontest lernten sie auch den „Held des Wiener Rock-Undergrounds“ Ronnie Urini kennen. Dieser spielte mit dem EWHO die Neuinterpretation seiner Vertonung des Konrad-Bayer-Gedichts „Niemand hilft mir“ für die CD „Es wird schön gewesen sein“ ein. Seitdem hat das EWHO öfters Gedichte vertont. Auf der neuen CD „Die Letten werden die Esten sein“ gibt es zwei Gedichte aus Antonio Fians neuem Lyrikband „Mach es wie die Eieruhr“ zu hören.
Das Album enthält aber auch Selbstgetextetes wie das schwer hitverdächtige Lied „Unverständlich“. „Wir machen Musik zum Hinhören,“ sagt Florian, „man muss den gesamten Text verstehen, nicht nur den Refrain.“ Die alten Texte sind im 2015 beim Verlag „Plag dich nicht“ erschienen Buch „Widerstand ist Ohm“ nachzulesen, mit Kommentaren von Johannes Grenzfurthner, Edek Bartz und Austrofred. Für die neue CD gibt es natürlich ein eigenes Beiheft.
Am 17. Jänner 2018 präsentiert das EWHO im TAG in der Gumpendorfer Straße 67 die neue CD mit einem zweistündigen Programm mit allen neuen und ein paar alten Liedern, es gibt eine Lesung aus „Widerstand ist Ohm“ und auch Antonio Fian wird aus seinem neuen Buch lesen. Ein vergnüglicher Abend für das Publikum und die Bandmitglieder ist absehbar und es wird schön gewesen sein…
Antonio Fian präsentiert sein Buch "Mach es wie die Eieruhr" am 28. Februar 2018 in der Alten Schmiede, Schönlaterngasse 9, 1010 Wien