Tauchen
Tauchen, by Alexandra Gruber
Alexandra Gruber
Skurril

Kochen in Niederösterreich, schlafen in der Steiermark

Montag, 13. Januar 2014
Der Ort Tauchen am Wechsel liegt auf niederösterreich-steirischem Grenzgebiet. Die Postleitzahl ist dem Burgenland zugeordnet. Die Auswirkungen auf den Alltag der Bewohner sind gering. Nur die Rehe ziehen lieber in die Steiermark.
Tauchen  am Wechsel
Alexandra Gruber

Die beiden weißhaarigen Steirerinnen sitzen wie jeden Tag mit ihrem Rollator im Bushaltestellenhäuschen in Niederösterreich, um zu tratschen. Wo sollen sie auch sonst hin? Das letzte Wirtshaus in Tauchen am Wechsel hat schon vor einiger Zeit zugesperrt. „Wir spazieren jeden Tag über die Grenze,“ sagt die eine und zupft an ihrer Kleiderschürze. „Drüben über dem Bach ist die Steiermark, da wohnen wir,“ erklärt die andere.

Die eine Hälfte von Tauchen liegt in Niederösterreich (Gemeine Mönichkirchen), die andere in der Steiermark (Gemeinde Pinggau). Die Gemeinde ist steirisch, Pfarre samt Friedhof niederösterreichisch. Die Postleitzahl 7421 ist wiederum burgenländisch, was angeblich in den Wirren der Nachkriegsjahre aus einem Missverständnis heraus entstanden ist. Der Ort soll damals mit dem burgenländischen Tauchen der Gemeinde Mariasdorf verwechselt worden sein.

„Ihr in Tauchen habt ein Durcheinander“

Tauchen  am Wechsel
Alexandra Gruber

Die Bundesländer-Grenze geht in dem 400-Seelen-Dorf sogar direkt durch ein Einfamilienhaus. „Die Familie kocht in Niederösterreich und schläft in der Steiermark“, erzählen die Damen. Das wirft Fragen auf. Welche Feuerwehr kommt zum Beispiel, wenn es in dem Haus brennt? Das sei sowieso egal, meinen die die beiden schulterzuckend. Das Feuerwehrhaus steht nämlich in der Steiermark, während die Feuerwehr und ihre Einsatzfahrzeuge dem Land Niederösterreich zugeordnet werden. Also müssen die Männer hüben wie drüben löschen und Keller auspumpen. Und zum beliebten Feuerwehrfest, das wiederum in Niederösterreich stattfindet, „sind sowieso alle eingeladen.“

Der Müll wird aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten an verschiedenen Tagen abgeholt. Die niederösterreichischen Kinder fahren nach Mönichkirchen zur Schule, die kleinen Steirer nach Pinggau. In Steirisch-Tauchen fangen die Sommerferien eine Woche später an. Eigentlich alles nur Kleinigkeiten. Nur für das Wild geht es bei der Bundesländerzugehörigkeit unter Umständen um Leben und Tod. Die Jäger aus Erwin Prölls Reich dürfen schon eine Woche früher mit dem Abschuß beginnen. Angeblich, so behaupten manche Tauchener, würden die Rehe in dieser Woche scharenweise in die Grüne Mark abwandern. Das ist wahrscheinlich genauso wahr wie die Geschichte, dass die niederösterreichischen Fische im Grenzbach schlauer sind als ihre steierischen Kollegen, weil sie sich bei Regen unter der Brücke einfinden würden.

Und was halten die auskunftsfreudigen Damen im Bushaltestellenhäuschen von der komplizierten Situation? „Die Leute aus den Nachbarortschaften sagen: 'ihr in Tauchen habt ein Durcheinander'. Wir sagen: Uns macht das nix: Wir kennen uns aus.“

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