Spricht man Juan Garcia-Herreros auf seine Bassgitarre an, beginnt er zu schwärmen, von Mensurlängen, Quintstimmungen und davon, dass sein Gitarrenbauer Andreas Neubauer eigentlich unmögliches geleistet hat: eine Gitarre zu bauen, die den doppelten Tonumfang eines normalen Basses hat, die auch unorthodoxe Stimmungen aushält, ohne sich zu verbiegen.
Was wie nerdiger Enthusiasmus klingt, erweist sich als gut durchdachtes, zentrales Element seines Schaffens: Garcia-Herreros, der sich seiner kolumbianisch-indianischen Herkunft gemäß auch „The Snow Owl“ nennt, ist ein musikalischer Weltreisender. Lateinamerikanische Percussions, Wiener Streicher, westafrikanische Sakralchöre und bulgarische Tupan-Trommeln finden bei ihm zueinander – ganz organisch und ungekünstelt, abseits des Ethnokitsches, der oft mit dem Label „World-Music“ verbunden ist.
Es geht ihm nicht um das Sammeln möglichst exotischer Klangfarben, sondern um respektvolle Auseinandersetzung mit anderen Kulturen. Und hier kommt seine Kontrabass-Gitarre ins Spiel: „Die traditionellen Instrumente der verschiedenen Kulturen sind, wie sie sind. Sie haben einen bestimmten Tonumfang und eine bestimmte Klangfarbe. Die Vielseitigkeit meines Basses macht einen Dialog mit diesen Instrumenten überhaupt erst möglich.“
The Blue Road
Dieser Dialog passiert auf dem Album „The Blue Road“ äußerst behutsam und mit viel Respekt: vor der Aufnahme des Stückes „Ne Togo Ye Sadjouma“ holte er sich die Erlaubnis des Grand Griot, eines spirituellen Führers ein: „Nicht jeder darf mit den Griots deren sakrale Musik spielen. Jede Note des Balafons ist auch ein Satz: man kann mit dem Instrument buchstäblich sprechen. Ich habe von Mamadou ein paar Phrasen gelernt und bin damit zum Grand Griot gefahren. Ich habe ihn auf dem Bass in der Balafon-Sprache begrüßt und um die Erlaubnis gefragt. Offenbar hat ihm gefallen, was er gehört hat, denn er hat zugestimmt. Die Griot haben mir dann sogar die Ehre erwiesen und mir den Zeremoniennamen „Sadjouma“ (Snow Owl) gegeben.“
Andere Stücke des Albums bewegen sich in komplett anderen musikalischen Traditionen: in „Bu(ho)ñuelitos“ treffen Walzer, Jazz und der Kolumbianisch-Venezolanische Tanz „Pasillo“ aufeinander. Bei der Hommage an gebackene Teigbällchen („Buñuelos“) spielen Musiker_innen aus Bulgarien, Venezuela, Kolumbien und Österreich mit so unterschiedlichen Instrumenten wie der bulgarischen Tupan-Trommel und der Kaval-Flöte, den lateinamerikanischen Maracas, Mundharmonika und Violinen. „Bach to the Future“ spielt mit der Frage, wie Johann Sebastian Backs Oevre geklungen hätte, wäre er Kolumbianer gewesen.
The only man who can unite the world
Die Musiker_innen für das Album sind wohl ausgesucht: von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker und des Radiosymphonieorchesters über die kolumbianische Violinistin Alejandra Maria, dem mehrfachen venezolanischen Grammypreisträger Roberto Quintero, dem bulgarischen Perkussionisten Stoyan Yankulov, der haitianischen Emmygewinnerin SuCh bis hin zum Wiener Mundharmonikameister Bertl Mayer. Der belgische Radiomoderator Nico Kanakaris sagt über das Album: „[Snow Owl is] the only man who can unite the world“.
Dass die Kommunikation bei den gemeinsamen Aufnahmen nicht immer unproblematisch waren, versteht sich. „Das große Sprachenchaos und die oft sehr lustigen Mißverständnisse lösten sich sofort auf, sobald der erste Ton gespielt war“.
Der blaue, rote und gelbe
Der Albumtitel „The Blue Road“ bedeutet für Garcia-Herreros auch eine spirituelle Reise. Im Glauben der kolumbianischen Indianer gibt es drei Wege, die ein Mensch einschlagen kann: den blauen, den roten und gelben Pfad. Der Blaue Pfad steht für die Spiritualität, die Verbindung zwischen dem Universum und der physischen Welt auf der Erde. Das nächste Album wird sich mit dem Roten Pfad beschäftigen, der ein Weg der Körperlichkeit, des Blutes ist. Ein Album über den Gelben Pfad, der ein Weg der Balance zwischen dem Blauen und dem Roten Pfad darstellt, soll die Trilogie abschließen. Garcia-Herreros wird demnächst also den Blauen, den spirituellen Pfad verlassen und dem Roten Pfad folgen. Im August reist er nach Spanien, um sich den Aufnahmeort des zweiten Albums anzusehen: ein Schloss, das seit mehr als 800 Jahren vom spanischen Zweig seiner Familie bewohnt wird und durch diese Blutlinie den perfekten Ort für die Aufnahmen für den „Roten Pfad“ bietet.
Warnung
Garcia-Herreros warnt die Hörer_innen des neuen Albums „Blue Road“. Die Texte setzen Englischkenntnisse auf Collegeniveau voraus und es singen und spielen echte Menschen. Entstanden ist der Warnhinweis nach der Lektüre eines Artikels: die Texte der Top-Ten-Nummern der letzten zwei Jahre wären auf Volksschulniveau. Seine Warnung ist sein Protest gegen die „Fast-Music-Industry“, die statt die Künstler_innen zu fördern, nur danach fragen, ob das Lied sich als Ringtone eignet.
Deshalb ist seine CD auch beim Label Inner Circle Music des legendären Jazz-Saxophonisten Greg Osby erschienen, der seinen Künstler_innen – heute unüblich – noch Zeit gibt, sich sein Publikum zu erspielen und zu wachsen.
Das lohnt sich: Snow Owl war 2014 für sein Album „Normas“ für den Latin Grammy nominiert und 2016 gewann er die Bronzemedaille des Global Music Award für instrumentale Musik. Immer wieder ziert er das Cover renommierter Basszeitschriften. Anerkennungen, die er sich laut eigener Aussage ohne Schleimen, ohne Betrug und nur mit ehrlicher Arbeit verdient hat, die er auch nützt, um eine Botschaft zu senden: die Welt zu vereinen. Bei allem Respekt für die kulturellen Unterschiede. Sichtbar auch mit der Social-Media-Aktion “We are on #TheBlueRoad”
Termine auf the-snow-owl.com