In der Marx Halle steht Nebel. Aus hunderten von E-Zigaretten steigt dichter weißer Rauch auf. Besucher_innen der Vienna Vape Show spazieren durch Wolken, die nach Erdbeeren oder Buttermilch riechen. Schließlich dampfen mehr als 80 % der Konsument_innen Fruchtgeschmäcker. Sie setzen sich an Testbars, stecken die Tanks mit Liquids auf ihre E-Zigaretten und inhalieren. Es ähnelt Weinverkostungen: „die Himbeere ist klar zu schmecken, verstärkt durch unaufdringliches Menthol“, sagt eine Testerin, „der Geschmack ist sehr weich“. Der E-Zigaretten-, E-cigs- und Liquidmarkt boomt seit rund fünf Jahren. Aus Raucher_innen werden Dampfer_innen und einige davon machen ihre neue Leidenschaft zum Geschäft.
Heisenberg & Pinkman
Ein Dampfer aus Kroatien fand keine E-Zigarette, die seinen Erwartungen entsprach und entwickelte daraufhin in seinem Metallbearbeitungsbetrieb selbst ein Gerät. Er gründete Crovape und verkauft seither limitierte und nummerierte handgemachte High-End-Dampfgeräte aus Damaststahl mit vergoldeten Verdampfern, Driptips aus Titan und verpackt alles in Steinboxen (die auch als Ständer dienen). Das gesamte Set kostet rund 800 Euro.
Simon ist passionierter Dampfer. Er gründet 2011 in Blackburn (GB) die Liquid-Manufaktur „Vampire Vape“. Der große Durchbruch gelingt ihm mit den von der US-Serie „Break Bad“ inspirierten Liquids „Heisenberg“ (Menthol mit leichter Anisnote) und „Pinkman“ (Kombination aus sechs Früchten).
Tabakgesetz
Joe aus England hat nur einen einzigen Geschmack mitgebracht: Buttermilch mit Honig. Selbstbewusst sagt er, es bräuchte kein anderes Liquid mehr, es sei einfach zu großartig. Ganz unrecht hat der „happy vaper“ nicht. Am Stand daneben vertreibt die britische Firma Grey Haze „Just Jam“ und „Jam on toast“. Als Obstliebhaber hätten sie mit Fruchtaromen experimentiert und den Geschmack entdeckt und daraus den wahrscheinlich typischten britischen Liquid entwickelt: Erdbeermarmelade auf getoasteten Weißbrot, sagt der Verkäufer. Ganz auf traditionelle Wiener Spezialitäten konzentriert sich „Wiener Dampfgut“: ihre Liquids schmecken nach Sisi-Veilchen, Kaiserschmarrn und Wiener Melange. All die Anbieter_innen haben das gleiche Problem: Sie suchen im digitalen 21. Jahrhundert analoge Geschäftspartner_innen. Nicht, weil das ihren Umsatz erhöhen würde, sondern weil am 20. Mai 2016 die Tabakgesetz-Novelle – entsprechend der EU-Tabakprodukterichtlinie (TPD2) – in Kraft getreten ist. Es beinhaltet auch Bestimmungen über die „Elektronische Zigarette“. In Österreich ist seither u.a. der Online-Handel mit Liquids und Dampfgeräten verboten, es darf für E-Zigaretten nicht geworben und Liquids nur mehr in 10 ml-Fläschchen verkauft werden.
Das Verbot des Online-Handels trifft nicht Konsument_innen außerhalb der Ballungszentren sondern auch die Verkäufer_innen schwer. Machte dieser doch rund 50 % der Umsatzes aus. Insgesamt wurden letztes Jahr in Österreich rund 15 Millionen Euro umgesetzt.
"Prohibition hat noch nie funktioniert"
Bei der Vape Show treffen sich drei Pro-Dampfer-Lobbyisten zu einer Podiumsdiskussion. Der Youtube-Blogger Philgood aus der Schweiz, Bernd Mayer aus Graz und Dirk Oberhaus aus Deutschland. Sie diskutieren u.a. seltsam anmutende Gesetze: so dürfen in der Schweiz keine nikotinhaltigen Liquids verkauft werden, aber Dampfer_innen dürfen sich 150 ml pro Bestellung aus dem Ausland schicken lassen. Der Toxikologe und Universitätsprofessor Mayer glaubt, dass durch die Gesetze versucht würde das Dampfen unattraktiv zu machen – etwa durch das Verbot von einzelnen Aromen wie Menthol oder Kaffeeextrakt – die Geschmacksbandbreiten der Liquids massiv einzuschränken würden. Oberhaus sagt, dass alle Liquids und Geräte nun von staatlichen Gremien genehmigt werden müssen, bloß wisse bis jetzt niemand was genau wo eingereicht werden muss und nach welcher Methode die Produkte getestet werden sollen. Ein rechtsfreier Raum sei entstanden. Klagen sind angedacht, aber noch sind keine eingebracht.
Die Diskutanten sind sich einig, dass durch Verbote das Dampfen nicht mehr aufzuhalten sei, „Prohibition hat noch nie funktioniert“. Vapen sei eine „gesündere“ Alternative zum Rauchen von Tabakzigaretten. Es wird weder Teer noch Kohlenmonoxid inhaliert. Und es sei noch kein Fall von Schäden durch „passiv dampfen“ bekannt geworden.
Cloud Trick
All das beschäftigt Niel aus San Diego Kalifornien nicht. Er ist auf Einladung des US-Produzenten für Liquids und Dampfer-Hardware Vgod in Wien. Er sagt, seit er dampft, habe er keine Zigarette mehr angerührt und habe entdeckt, dass man mit dem Dampfen auch Spaß haben kann. Seit Stunden präsentiert er seine „Cloud-Tricks“, bläst Rauchringe aus, schubbst sie durch den nächsten Rauchring und zeigt weiter „Dampf-Kunststücke“.
Auf der Bühne sammeln sich junge Männer, sie nehmen am Cloud Contest teil. Rücken an Rücken gestellt, pusten sie lange dicke Dampfwolken aus. Der mit der größten Wolke gewinnt. Während in Kalifornien fast wöchentlich „Cloud Chasing Contests“ stattfinden, gibt es in Österreich noch keine Events, aber in Deutschland wird jetzt erstmals eine Meisterschaft organisiert. Am 3. Dezember 2016 treffen sich die Besten in Recklinghausen.