Am 13. März 1848 suchte der Schriftsteller Franz Grillparzer die Revolution. Er fand sie aber weder am damaligen Universitätsplatz, noch in der Bäckerstraße oder auf der Freyung, sondern erst vor dem Niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse. Schon seit Tagen war in den Wiener Kaffeehäusern die Rede des Ungarn Lajos Kossuth vor dem Landtag in Pressburg (heute Bratislava) diskutiert worden - über seine Forderung, nämlich der Einführung der konstitutionellen Monarchie im Habsburgerreich.
Akademie der Wisssenschaften – Ignaz-Seipel-Platz (ehemals Universitätsplatz)
Die Unzufriedenheit mit der Regierungsform „Stabilität durch Stillstand“ unter Kaiser Ferdinand und seinem Staatskanzler Fürst Metternich wuchs schon seit Jahrzehnten. Das Spitzelsystem und der Pressezensur störte die Bürger_innen des Vielvölkerstaates. Auch Grillparzer hatte eine Petition zur Lockerung des Pressgesetzes unterzeichnet. Erfolglos, genauso wie die Petitionen des Gewerbevereins, der Wiener Buchdrucker und eines juridisch-politischer Leseverein wurden die Ansinnen einfach ignoriert.
In den Tagen vor Beginn der Revolution trafen sich in der Aula der Akademie der Wissenschaften am ehemaligen Universitätsplatz Studenten. Sie verfassten einen Forderungskatalog: ein demokratisch gewähltes Parlament, die Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren, die Installierung von Geschworenengerichten, die Selbstverwaltung der Gemeinden, die Aufhebung des Untertanenverhältnisses der Bauern, die Festlegung der bürgerlichen Grundrechte, die Beseitigung der metternichschen Zensur, die Presse-, Lehr- und Lernfreiheit und die Gleichstellung der Konfessionen.
Die Regierungsspitzel wussten wahrscheinlich Bescheid, dass am 13. März etwas passieren sollte. Sie wussten sogar wo, nämlich bei der Sitzung der Niederösterreichischen Stände im Landhaus in der Herrengasse. Sie wussten aber nicht was passieren würde. In diesem Punkt ging es ihnen nicht besser als dem Rest der Bevölkerung.
Als Grillparzer am 13. März – einem schönen Frühlingstag – beim Herrenhaus ankam, sah er rund 250 Menschen davor stehen. Er schrieb darüber: „Die von Zeit zu Zeit einen schwachen Ausruf hören ließen, aber so matt, so erbärmlich, dass ich mich im Namen meiner Landsleute schämte, dass, wenn sie schon krawallen wollten, sie's gar so unscheinbar anfingen.“ Drinnen tagten die Stände und der jüdische Arzt Adolf Fischhof wiederholte die Rede Kossuths. Vor dem Gebäude zogen gegen Mittag die ersten Truppen auf.
Grillparzers Hoffnung, dass niemand verletzt würde, wurde enttäuscht. Es „wurde auf das Volk gefeuert“, fünf Menschen starben und 500 wurden verletzt. Er schrieb darüber „Wer immer befohlen (es) hat, er hat die Monarchie an den Rand des Abgrunds gebracht, indem er die Gassenbüberei zu einer Revolution stempelte – nun war kein Halt mehr.“ Er sollte Recht behalten. Aus einer Demonstration war eine Revolution geworden.
Michaelerplatz
Die Menge zog zum Michaelerplatz und dort erwarteten sie Soldaten und Kanonen. Erzherzog Albrecht gab Schießbefehl. Doch der Oberfeuerwerker Johann Pollet weigerte sich die Kanonen abzusfeuern. Nicht weil er ein Blutbad verhindern wollte, sondern weil seiner Meinung nach der Erzherzog kein Recht hatte ihm Befehle zu geben. Die Demonstrierenden wussten nichts davon und machten Pollet zum Helden und sie selbst die Erfahrung, dass sie den Staatsapparat in die Knie zwingen können. Die Nachricht von der Revolution verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit auch in den Vorstädten. Dort entlud sich der Volkszorn. Genährt von jahrzehntelanger Unterdrückung, Arbeitslosigkeit und Hunger. Linienämter (Zollstationen) wurden angezündet, Fabriken gestürmt, Geschäfte geplündert – insgesamt Werte um rund 2,5 Milliarden Euro in einer Nacht zerstört.
Hofburg
Der Hofstaat sah den Flammenzirkel um Wien und schickte um 21.00 Uhr Fürst Metternich in Pension. Er flüchtete nach England. Somit war eine Forderung der Revolutionär_innen erfüllt. Weitere folgten kurz danach. Kaiser Ferdinand beauftrage die Ausarbeitung einer Verfassung und es wurde die Zensur aufgehoben. Daraufhin steckten die Revolutionär_innen der Statue des Reform-Kaisers Josef II eine weiße Fahne mit der Aufschrift „Pressfreiheit“ an.
Winterreitschule
Nach der Veröffentlichung der sehr restriktiven Verfassung – die vor allem die Arbeiter (von Frauenwahlrecht wollen wir gar nicht reden) vom Wahlrecht ausschloss, begann die zweite Welle der Revolution. In ganz Wien wurden von Bürgerlichen, Arbeiter_innen und Studenten Barrikaden errichtet. Sie waren bereit weiter zu kämpfen. Und tatsächlich gab es eine Neufassung der Verfassung und am 11. Juni 1848 erging an die „braven Arbeiter“ (…) „die erfreuliche Nachricht“, dass sie unter gewissen Voraussetzungen nicht nur den Reichstag wählen durften, sondern auch selbst dafür kandidieren konnten. Die Zeit bis zu den Wahlen war jedoch zu kurz, um tatsächlich Kandidaten aus den Arbeiterkreisen zu finden oder gar einen Wahlkampf zu organisieren. Deshalb waren die gewählten 383 Delegierten Adelige, Bauern und Männer aus freien Berufen. Darunter auch der Jurist und spätere Arzt Hans Kudlich. Er stellte bei der Reichstagssitzung in der Winterreitschule am 24. Juli 1848 den Antrag über die Aufhebung des bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses, der Robot und Zehent und tatsächlich trat diese am 7. September 1848 als Grundentlastungspatent in Kraft.
Stallburg
Unweit der Winterreitschule ist die Stallburg. Dort wo heute Tourist_innen Lippizanern bei der Morgenarbeit zusehen, war bis zur Revolution der Sitz des „Geheimen Ziffernkabinetts.“ Hier öffneten hochqualifizierte Beamte Briefe der Bürger_innen. Immer auf der Suche nach subversiven Elementen, lasen sie Briefe, schrieben sie ab, versiegelten sie wieder, um sie endlich an den/die Adresssat_in weiterzuleiten.
Mit Beginn der Revolution zog die Nationalgarde in die Stallburg ein. Einer noch am 13. März von Kaiser Ferdinand gegründete bewaffnete Organisation. Bestehend aus rund 44.000 Bürgern aus allen politischen Lagern. Arbeiter waren ausgeschlossen. Die Aufgabe der Nationalgarde war es „für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu sorgen und Ausschreitungen, etwa Zerstörung von Fabriken oder Plünderungen zu verhindern und das taten sie schon zu Beginn der Revolution. Sie richteten in den Vorstädten ein Blutbad an. 50 Menschen starben.
Tuchlauben 12
Als Reaktion auf die Konterrevolution schlossen sich die Nationalgarde und die Akademische Legion zum Sicherheitsausschuss zusammen. Dieser war nun die Macht in der Stadt. Der Musikverein stellte ihnen ihr Haus (Tuchlauben 12) zur Verfügung und alle Bürger_innen konnten bei dem Ausschuss ihre Beschwerden, Bitten und Anfragen vorbringen. Es waren so viele, dass der Ausschuss gar nicht mehr dazu kam, sich um die großen Dinge der Revolution zu kümmern.
Maria am Gestade
Um die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, beschloss die Regierung Notstandsarbeiten durchführen zu lassen. Die Nationalgarde vertrieb die Mönche aus dem Kloster Maria am Gestade und richtete dort eine Art Arbeitsvermittlungsbüro ein. Frauen, Männer und Jugendliche erhielten Arbeit auf öffentlichen Baustellen. Als jedoch die Regierung entschied deren Löhne zu kürzen, begehrten die Arbeiter_innen auf. Am 23. August 1848 demonstrierten die Arbeiter_innen auf der Praterstraße. Die monarchistische Seite der Nationalgarde ritt mit gezogenen Säbeln in die Menschenmenge. Das Resultat waren 22 Tote.
Am Hof
Die Revolution beschränkte sich nicht nur auf Wien. Auch in Ungarn kämpften die Menschen gegen den Kaiser und für mehr Bürger_innenrechte. Das kaiserliche Heer zog gegen sie und als diese Unterstützung brauchten, kam der Kriegsminister Theodor Latour auf die Idee Truppen aus Wien nach Ungarn zu entsenden. Die Revolutionär_innen hörten davon und zogen am 6. September 1848 zum Sammelplatz Am Tabor. Tatsächlich gelang es ihnen Soldaten für ihre Sache zu gewinnen und gemeinsam marschierten sie zum Kriegsministerium Am Hof. Latour versteckte sich, wurde von den Revolutionär_innen gefunden, erschlagen und an einer Gaslaterne aufgehängt. (Die Musikanten Christoph und Lollo haben daraus ein Video gemacht.)
Nun zog Fürst Alfred zu Windisch-Graetz mit zwei Korps nach Wien um die Revolution niederzuschlagen. Der Kaiser und die ihm nahestehenden Bürger_innen flohen aus der Stadt. Die Revolutionär_innen formierten sich nochmals, bauten Barrikaden und ein aus rund 10.000 Arbeitern bestehende Mobilgarde entstand. Aber die Nationalgarde war von 44.000 auf 18.000 Mann geschrumpft und die akademische Legion von 4.500 auf 1.800. Dennoch gelang es ihnen Wien eine Woche lang zu verteidigen. Doch am 31. Oktober eroberte Windisch-Graetz die Innenstadt. Es folgten Massenverhaftungen und Hinrichtungen. Die während der Revolution erkämpften Rechte wurden fast alle vom neuen Kaiser, Franz Joseph, zurückgenommen.
Die nächste Führung findet am 8. Juni um 17.00 Uhr bei der Alten Universität (Ignaz-Seipel-Platz) statt.