Stefan Pattis
Parkour

Die Stadt als Spielplatz

Samstag, 30. November 2013
Man sieht sie überall. Sie springen von Mauer zu Mauer, scheinen der Schwerkraft durch magische Kräfte zu entgehen. dieZeitschrift wollte wissen wie gefährlich Traceure tatsächlich leben und haben erstaunliches erlebt.

Mit Angst geweiteten Augen schauen die Parkbesucher dem Traceur zu. Er steht auf einer Mauer, geht in die Knie, springt ab und landet auf einer Stange. Für ihn existieren markierte Wege nicht. Zebrastreifen, Gehsteige und Wanderwege sind ihm zu langweilig für seinen Stadtspaziergang. Traceure springen lieber über Mauern, landen auf Geländer und fliegen über Parkbänke. Sie machen die Stadt zu ihrem urbanen Spielplatz. dieZeitschrift wollte wissen, wie knochenbrecherisch und gefährlich die Sportart tatsächlich ist.

Die Betonwüste auf der Donauinsel ist das Paradies der Traceure. Um einen der Wiener Parkour-Pioniere Tom Stoklasa haben sich an einem kühlen Sonntagnachmittag rund 50 Traceure versammelt. „Ohne sich aufzuwärmen sollte man niemals anfangen zu springen“, sagt Tom. Ich suche einen sonnigen Platz um nicht zu erfrieren. Fuß- und Armkreisen gelingen mir, obwohl Schreibtischtäterin, noch schmerzlos gut.

Dann müssen wir in die Knie gehen. Der Reihe nach soll von 60 runter gezählt werden. Bei 40 brennen die Oberschenkel, bei 30 zittern die Muskel und bei 28 verzählt sich jemand. Die Zählerei beginnt wieder bei 60. Bei Null dürfen wir wieder aufstehen. Tom teilt die Anfänger in Gruppen auf. „Durch das Parkour-Training wird der Körper und der Kopf geschult. Man lernt Hindernisse, auch im Alltag, zu überwinden“, erklärt Tom, „durch gezieltes Training und hohe Konzentration kann jeder seine persönlichen Grenzen erweitern“.

Frau die auf Mauern starrt

Parkour, Traceure,
Stefan Pattis
Selbstversuche der Reporterin

Grenzüberschreitung? Wir schwer kann es schon sein, genau auf Linien am Betonboden zu landen? Obwohl ich glaube, die Anweisungen genau zu befolgen, springe ich natürlich daneben. „Stellt euch vor, ihr landet auf Stangen unter denen heiße Lava fließt“, sagt Tom. Erst jetzt schaffen es die Anfänger, mit den Fußballen auf den Linien zu landen. Zugegebenmassen mit teilweise wildem Armrudern, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Das nächste Hindernis ist eine brusthohe, anscheinend unüberwindbare Mauer. „Anfangs schaut es schrecklich schwierig aus. Ich hab nur die Mauer angestarrt. Als ich sie aber überwunden hatte, war ich enttäuscht wie leicht es war,“ sagt Armin. Er ist seit einem Jahr Traceur.

Tom zeigt den Sprung über die Wand vor und fliegt federleicht über das Hindernis: Linke Hand auf die Mauer, rechten Fuß dazu, linkes Bein durchziehen, Hand wechseln. Nach einigen Fehlversuchen mit hohem Unterhaltungswert für die Umstehenden gelingt mein erster Flugversuch. Nicht sehr grazil, aber immerhin: Ich springe über die Mauer. Bei Armin klang es einfacher.

Muskelkater

Factbox

Forumtreffen: Jeden Sonntag um 13.00 Uhr am Schwedenplatz und
nehmen jeden Neuling gerne mit.

Ein Zuschauer hat die Parkour-Anfänger beobachtet. „Dass ist endlich was Vernünftiges, da kommen die jungen Leute auf keine dummen Gedanken“, sagt er. Die hat Barbara immer seltener. Seit einigen Monaten trainiert sie und hat gelernt ihre Fähigkeiten richtig einzuschätzen um Verletzungen zu vermeiden. „Die passieren aber ganz selten“, sagt Patrick, obwohl sein Arm eingegipst ist. „Ich bin bei einem Spaziergang ausgerutscht“, erzählt er. Blaue Flecken und Abschürfungen passieren immer wieder. „An den Verletzungen ist man selbst schuld, weil man unkonzentriert war“, sagt Tom. Gebrochen hat er sich in den acht Jahren nie etwas. Dafür sind die Traceure in Gefahrensituationen gewappnet. „Bei Notfällen reagiert und hilft man schneller“, sagt Tom.

Ein Traceurneuling hat auch noch einen anderen Grund, bei den ungezwungenen Treffen teilzunehmen. In zwei Wochen hat er drei Kilo abgenommen. Das würde mir auch nicht schaden. Aber erst wenn der Muskelkater verschwunden ist, gehe ich es an.

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