Marliese Mendel
Sport

Berufsrisiko Nasenbruch

Samstag, 19. April 2014
Marcos Nader ist einer von Österreichs 60 lizenzierten Profi-Boxern. Dabei war anfangs nicht klar, ob er nicht doch lieber Fußballer werden will. Warum er sich dennoch für den Boxsport entschieden hat, wie er sich nach einen Kampf fühlt und was ihm der Trainer in den Kampfpausen ins Ohr flüstert, hat er im Gespräch mit dieZeitschrift erzählt.

Boxclub Bounce

"Die Leute stellen sich das Boxtraining oft falsch vor: Handschuhe anziehen, in den Ring und sich gegenseitig die Fresse polieren. Das stimmt nicht, im Bounce steht für die Hobbyboxer das Boxtraining im Vordergrund. Sie schlagen auf Sandsäcke," sagt Marcos Nader.

Marcos Nader, Boxen, Ottakring, Wien, EU-Meister, Bounce
Marliese Mendel

Das Boxen liegt Familie Nader eindeutig im Blut. Marcos Vater ist Präsident des Olympischen Boxverbandes, seine Schwester ist die Generalsekretärin, der Bruder ist sein Trainer und Bundesnachwuchstrainer. Nur die Mutter hat mit Boxen nichts am Hut und sorgt sich immer noch, wenn ihr jüngster Sohn in den Ring steigt.

Seit er 2009 Profi-Boxer geworden ist, hat er 18 Siege (drei durch k.o) und ein Unentschieden erkämpft. Im April 2013 holte er den EU-Titel gegen den Spanier Roberto Santos und verlor ihn, bei seiner ersten Niederlage, im Jänner 2014 an den Italiener Emanuele Blandamura.

dieZeitschrift: Wie sind Sie zum Boxen gekommen?

MN: Mein Bruder Daniel sagte zu mir, „Komm her, trainier' ein bisserl, sonst wirst du dick“ und hat mich mit sieben Jahren zum Boxtraining mitgenommen. Ich wollte eigentlich gar nicht mitgehen. Das Boxen hat mich damals nicht interessiert. Ich spielte lieber Fußball im Park und im Verein White Star in der Gersthoferstraße. Ich war auch im Fußball ziemlich talentiert.

Boxen oder Fußball?

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Marliese Mendel

dieZeitschrift: Warum dann doch boxen?

MN: Mit 11 Jahren boxte ich zum ersten Mal einen Kampf in Rohrbach an der Gölsen in Niederösterreich. Ich gewann. Nach dem Kampf habe ich mich entscheiden müssen: Fußball spielen oder boxen. Ich entschied mich endgültig, beim Boxen zu bleiben.

dieZeitschrift: Wie hat ihre Familie darauf reagiert?

MN: Die Mama war anfangs nicht begeistert, weil ja schon mein Bruder und jetziger Trainer Daniel boxte. Aber dann kam der Erfolg, und es ist leichter für sie geworden. Sie macht sich aber trotzdem vor jedem Kampf Sorgen. Mein Papa kann immer noch nicht in der Halle sitzen, wenn ich kämpfe. Er nimmt die im Fernsehen übertragenen Kämpfe auf und wenn er weiß, dass alles gut gegangen ist, schaut er sich die Kampf an. Meine Freundin kommt schon mit zu den Kämpfen.

dieZeitschrift: Wann begannen die Erfolge?

MN: Mit 14 Jahren boxte ich die erste Schüler-Europameisterschaft (U15) 2004 in Ungarn und holte die Bronzemedaille mit zwei gewonnenen Kämpfen. 2006 holte ich in der Klasse U17 in Albanien wieder Bronze. 2007 und 2008 wurde ich österreichischer Meister im Weltergewicht,im April 2013 EU-Meister im Mittelgewicht. Den Titel verlor ich im Jänner 2014 an den ungeschlagenen Italiener Emanuele Blandamura.

Der Größte und der Beste

dieZeitschrift: Was ist das Faszinierende am Boxen?

MN: Die Auseinandersetzung Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau ist das Schöne am Sport. Ich habe einen Trainer, der mich antreibt, aber es bleibt mir überlassen ob ich das Training hundertprozentig absolviere oder nicht: Im Ring stehe ich alleine! Ich bin ein Teamspieler, aber Erfolg und auch Misserfolg bleiben mir ganz alleine. Nach einem gewonnenen Kampf glaubt man in den ersten zwei Stunden danach, dass man der Größte und der Beste ist. Das ist ein unglaublich wunderbares Gefühl.

Außerdem wird in keiner Sportart soviel umarmt wie beim Boxen. Egal ob man verliert oder gewinnt, man umarmt sich. Man gratuliert auch dem Gewinner. Er hat mich geschlagen und deshalb zolle ich ihm Respekt.

dieZeitschrift: Haben Sie sich schon einmal vor einem Gegner gefürchtet?

MN: Nein, man darf keine Angst haben. Angst ist der der Tot in dieser Sportart. Es bedarf dem richtigen Maß an Respekt. Nicht, dass man im Ring steht und sich vor lauter Respekt in die Hose macht. Außerdem studiere ich Fehler des Gegners vor dem Kampf, im Kampf bestrafe ich ihn für seine Fehler.

dieZeitschrift: Fürchten Sie sich vor irgendwas?

MN: Ja, ich fürchtet mich vor dem Tod ein bisserl. Ich liebe das Leben.

Kampfgewicht

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Boxclub Bounce

dieZeitschrift: Wie viel wiegen Sie?

MN: Ich boxe bis 72,5 Kilo, habe aber normalerweise um die 75 Kilo bei 176 Zentimeter Körpergröße. Ich schaffe es bis auf 69 Kilo, aber darunter nicht.

dieZeitschrift: Wie kommen Sie auf ihr Kampfgewicht?

MN: Es gibt immer ein paar Reserven, die man abbauen kann. Beim Gewichtsklassensport muss man immer auf sein Gewicht achten, und das ist natürlich ab und zu sehr nervig. Ich mache das teilweise über den Wasserhaushalt, was sehr ungesund ist. Ich trainiere eine Einheit mit einem luftdichten Schwitzanzug aus Plastik. So kann man schnell Gewicht verlieren. Besser ist es, langfristig auf die Ernährung zu achten.

dieZeitschrift: Wie ist das wenn man vom eigenen Bruder trainiert wird?

MN: Das ist sehr brisant und führt manchmal zu Reibereien. Aber ich kann mir 100 Prozent sicher sein, dass das was er mir sagt, ernst und ehrlich ist. Daniel ist bei mir noch mehr motiviert als bei seinen anderen Schützlingen. Ist auch klar, ich bin sein Fleisch und Blut, und da muss man natürlich noch mehr in die Hände spucken.

dieZeitschrift: Wie viele Stunden trainieren sie pro Tag?

MN: Ich trainiere zweimal täglich. Eine Trainingseinheit hat zwei Stunden. Alles drüber oder drunter ist selten. Ab und zu habe ich am Sonntag nur eine Trainingseinheit oder frei. Wenn die Trainingswoche hart war, dann laufe ich am Sonntag nur 50 Minuten. Zur Regeneration, das ist nicht anstrengend.

dieZeitschrift: Wie fühlen Sie sich kurz vor einem Kampf?

MN: Die Anspannung ist riesig. In der Halle jubeln bis zu 7000 Leute. Man will sich keine Blöße geben, keine schlechte Leistung bringen. Auch die Angst das Publikum, den Trainer und sich selbst nicht zu überzeugen. Diese Minuten sind schrecklich und in diesen Momenten denk ich mir, „warum mach ich das“. Aber sobald mein Name aufgerufen wird und ich zum Ring gehe, fällt die Anspannung ab.

Gebrochene Nase

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dieZeitschrift: Was war Ihr größter Erfolg?

MN: Das war im April 2013 als ich den EU-Titel gegen den Spanier Roberto Santos holte. Er war ein sehr starker und hochgelobter Gegner. Er hatte zuvor meinen Stallkollegen Dominik Britsch geschlagen. Der Sieg gegen den Spanier löste bei mir ein Riesengefühl aus. Und ich rutschte in der Weltrangliste auf Platz 13 vor.

dieZeitschrift: Und Ihre größte Niederlage?

MN: Im Jänner 2014 verlor ich gegen Emanuele Blandamura. Ich habe mir die Videos meines Gegners angesehen und dachte mir, der kann mich nicht schlagen. Aber es war jugendlicher Leichtsinn, und ich habe die Quittung dafür bekommen. Es war eine harte Geschichte.

dieZeitschrift: Was flüstert der Trainer in den Kampfpausen Ihnen ins Ohr?

MN: Vor allem in den letzten beiden Runden, wenn man hinten ist, dann kann der Trainer mich noch so peitschen, dass ich alle Reserven aus mir raushole. Mein Bruder packt mich bei der Ehre. Er weiß, das funktioniert: „Geh, geh, kumm, kumm, die sind alle wegen dir da, enttäusche sie nicht“.

dieZeitschrift: Haben Sie sich schon verletzt?

MN: Ja, meine Nase war schon mehrmals gebrochen, das ist Berufsrisiko. Das ist manchmal nervig beim Schlafen.

dieZeitschrift: Wie sieht Ihr Privatleben aus?

MN: Ich heirate am 6. Juni auf einem Schloss außerhalb von Wien mit 130 geladenen Gästen. Wir hätten ja gerne mehr eingeladen, aber die haben nicht mehr Platz. Ich kenne Sandra schon seit wir gemeinsam auf Mittelschule in der Lacknergasse gegangen sind. Zusammen sind wir aber erst seit sechs Jahren. Der Heiratsantrag hatte natürlich was mit Boxen zu tun. Wir hatten die Weihnachtsfeier im Boxclub. Ich ging in die Knie, zeigte ihr den Rind und fragt sie, ob sie mich heiraten will. Sie sagte einfach nur „Ja“ ohne mit der Wimper zu zucken.

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