Lisa Schmidt wurde innerhalb von eineinhalb Jahren dreimal ein Fahrrad aus dem Hof ihres Wohnhauses gestohlen. Seitdem nimmt sie ihr Rad mit in den Aufzug und kettet es verbotenerweise an das Stiegengeländer vor ihrer Wohnungstür. „Dort haben sie mir dann die Bremsen abmontiert,“ erzählt die junge Projektmanagerin.
Aus diesem eigenen Bedürfnis heraus, einen sicheren Abstellplatz für ihr liebstes Fortbewegungsmittel zu finden, entwickelte sie zusammen mit Raumplaner Josef Lueger und Markendesigner Jan Hosa für den Ideenwettbewerb Cycling Affairs die Wiener Rad-WG. Leerstehende Erdgeschosslokale in Wien sollen als gemeinschaftliche Abstellanlagen angemietet werden, für einen monatlichen Beitrag erhält der Radfahrer einen fixen Abstellplatz in einer Rad-WG.
Etwa 3000 Abstellplätze sind geplant
Das Konzept wurde von der Jury aus 235 Ideen zum Siegerprojekt gewählt und wird nun von Lisa Schmidt realisiert. „Es sind etwa 3000 Fahrradabstellplätze verteilt auf circa 50 Lokalen vorgesehen. Der Zugang wird nur über einen personalisierten Chip möglich sein,“ erzählt sie. „Circa zehn Prozent der Plätze werden für Gastplätze freigehalten.“ Wer Mitglied ist, kann also auch auf andere WG´s des Netzwerkes ausweichen und sein Rad auf einem Gastplatz parken. Eine App sei geplant, mit der man nachschauen könne, wo es noch freie Gastplätze gebe.
Der Begriff WG kommt nicht von ungefähr. Wie in einer richtigen Wohngemeinschaft steht auch hinter der Rad-WG die Idee von Nachbarschaftstreffen und der gemeinschaftlichen Selbstorganisation. „Einer der Knackpunkte sei die Distanztoleranz, sagt Schmidt. „Klar ist auch, dass ich nicht jeden mit einem Platz in seinem Haus oder im Nachbarblock versorgen kann. Aber es ist ein Anfang, und es gibt vor allem in den Wiener Innenbezirken Bedarf.“
Als zeitliches Ziel für den ersten Prototyp nennt sie Juni 2014. „Wahrscheinlich wird die erste Rad-WG im 6. Bezirk eröffnet.“ Wichtig sei es, dass der Zutritt einfach ist und man das Fahrrad nicht über Treppen schleppen müsse. Außerdem sei geplant, eine kleine Fahrradwerkstatt für einfache Reparaturen im Lokal zur Verfügung zu stellen.
Verschiedene Dienstleistungspakete
„Wir denken auch darüber nach, das Projekt mit Do-it-yourself-Werkstätten zu kombinieren, in denen die Mitglieder kleinere Sachen basteln und reparieren können. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir verschiedene Dienstleistungspakete anbieten, also die Fahrrad-WG kombiniert mit einer Versicherung oder einem Fahrradservice.“ Wie hoch der Mitgliedsbeitrag genau sein soll, wird noch berechnet. „Er wird für alle einheitlich sein, aber unter 15 € im Monat geht es sich nicht aus.“ Ziel sei ein günstiger, aber trotzdem wirtschaftlich rentabler Beitrag.
Schmidt betont, dass die Planung schon sehr weit fortgeschritten sei. Trotzdem gebe es von einer ausgereiften Zutrittslogistik bis zur Lokalsuche und Webseitenerstellung noch sehr viel zu tun. Günstige Erdgeschosslokale in der Wiener Innenstadt anzumieten, sei beispielsweise ein Problem. Doch dann verbessert sie sich: „Ich nenne es lieber Herausforderung.“