Die Wahrheit ist: Ich wollte nicht irgendein Gras herstellen, ich wollte das beste und reinste Gras der Welt herstellen und damit alle glücklich machen. In aller Bescheidenheit: Ich war nah dran, sehr nah dran. Mit diesen zwei Sätzen endet der Prolog des Dude. Ab der nächsten Buchseite nimmt dann eine skurrile und kurzweilige Geschichte ihren Lauf.
Der Dude ist die Hauptfigur des Romans Die Cannabis GmbH des deutschen Journalisten und Autors Rainer Schmidt. Inspiriert wurde Schmidt dabei von einer real existierenden Person, die er zufällig vor ein paar Jahren auf einer Party in Hamburg kennengelernt hat. Dieser Mann, also der reale Dude. hatte sich seinen Lebensunterhalt mit einer Cannabisplantage vor den Toren Hamburgs verdient. „Ein Jahr lang haben wir uns immer wieder getroffen. Er vermittelte mir Einblicke in eine groteske Parallelwelt,“ erzählte der Autor am 12. November bei Markus Lanz.
Der teuerste Satz seines Lebens
Der Dude liebte das Kiffen, und das einzige, das er konnte und tun wollte, war mit Hanfpflanzen arbeiten. Er sprach mit ihnen, er spielte ihnen Musik vor und erzielte mit ein bisschen Vocal-House die besten Resultate, wie er glaubte. Er schnitt nur in bestimmten Mondphasen an ihnen herum, weil das als besonders sensibel galt. Es war eine Beschäftigung, die ihn erfüllte und beglückte, der Hanf berührte eine Stelle in seiner Seele, die vorher nicht gekannt hatte. Mit dieser Akribie und Leidenschaft stampfte der Bub aus einfachen Verhältnissen ein äußerst lukratives Unternehmen aus dem Boden.
Nicht ohne mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. Schädlinge, Schimmel und Pilze bedrohten seine Pflanzen. Einen Nachbarn musste er für sein Schweigen mit Kokain bezahlen. Durch den wahnwitzig hohen Energieverbrauch seiner Lampen legte er die Stromversorgung eines ganzen Viertels lahm. Die reichen Verwandten seiner Frau akzeptierten ihn erst, als er sich als besonders wichtiger Mitarbeiter eines Baumarktes ausgab. Er behauptete, bei seinem angeblichen Arbeitgeber für sämtliche Waren 38 Prozent Rabatt zu erhalten. Er ahnte: Das würde der teuerste Satz seines Lebens werden. Wie sich herausstellte, lieben Millionäre Rabatte. Der Dude musste Schiffe und Boote kaufen, um seine für die Plantage benötigte Riesenhalle zu rechtfertigen. Ach ja, und vielleicht wenig überraschend: Seine Angestellten kifften zu viel. Trotz all dieser Widrigkeiten explodierte die Nachfrage nach seinem Produkt, und er wurde ein wohlhabender Mann.
Kein Ende wie in Hollywood
Nicht um sinnentleerte Arbeit soll es gehen, sondern um Selbstverwirklichung. Am besten noch im Dienste einer guten Sache, die auch andere glücklich macht. Der Dude arbeitete hart, bezahlte seine Angestellten gut und wollte seinen Konsumenten hundert Prozent ökologisches Gras liefern. Doch die Geschichte ging nicht aus wie in einem Hollywood-Film: weder im Roman, noch im wahren Leben. Der Dude wurde erwischt, schuldig gesprochen und muss eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen. Der Staat lässt uns redliche, hart arbeitende, mittelständische Gras-Produzenten leider total im Stich, ja, schlimmer noch, er liefert uns einem kriminellen Milieu aus, mit dem wir wie jeder normale Mensch nichts zu tun haben wollen.
„Der Dude hat kein schlechtes Gewissen“
dieZeitschrift hat sich bei Rainer Schmidt nach dem Befinden des Dude erkundigt und nachgefragt, wie der Autor persönlich zur Legalisierung von Cannabis steht.
dieZeitschrift: Haben Sie zum Dude noch Kontakt? Wenn ja, wie geht es ihm jetzt?
Schmidt: Ich habe regelmäßig Kontakt zu ihm und ihn bereits einige Male in Hamburg getroffen, wenn er Freigang beziehungweise Hafturlaub hatte. Seit er ab und zu raus kann, geht es ihm deutlich besser als vorher, sogar erstaunlich gut. Er ist so ein Energiebündel, den kriegt man nicht so schnell klein.
dieZeitschrift: Glauben Sie, dass er nach dem Strafvollzug „geläutert“ sein wird?
Schmidt: Schwierige Frage, denn was soll das schon heißen, „geläutert“? Wenn damit gemeint ist, ob er alles vermeiden wird, was ihn je wieder in den Knast bringen könnte: auf jeden Fall, hundertprozentig. Er hat sich aber nie als Krimineller gefühlt und seines Wissens nach niemanden bewusst geschädigt, deswegen läuft er auch nicht mit einem schlechten Gewissen herum, dieser Teil einer möglichen Läuterung entfällt also.
„Wir haben einen unkontrollierbaren Schwarzmarkt“
dieZeitschrift: Wie lange haben Sie für das Buch recherchiert?
Schmidt: Etwas mehr als ein Jahr bevor ich mit dem Schreiben angefangen habe, währenddessen noch weitere vier Monate.
dieZeitschrift: Sollte Cannabis Ihrer Meinung nach legalisiert werden?
Schmidt: Ja, unbedingt, wenn auch unter strengen Auflagen und Kontrollen. Im Moment haben wir einen unkontrollierten und unkontrollierbaren Schwarzmarkt ohne jeden Jugend- oder Verbraucherschutz. Jeder kriegt alles, auch die mit schlimmsten Mitteln gestrecke Ware. Alle angeblichen Ziele der herkömmlichen Drogenpolitik, die eine reine Prohibitionspolitik ist, sind nicht erreicht worden, diese Politik ist krachend und umfassen gescheitert. Nur Ignoranten und Ideologen wollen sie ohne Anerkennung der Realitäten unbeirrt trotz ihrer Wirkungslosigkeit weiterführen. Das ist weder schlau noch effektiv.
„Heuchlerische Politik in einer versoffenen Gesellschaft“
dieZeitschrift: Hat sich Ihre Meinung diesbezüglich geändert, während Sie für das Buch recherchiert haben?
Schmidt: Sagen wir so: Sie wurde durch die Recherchen bestärkt. Vor allem wurde mir noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie heuchlerisch die Politik in einer versoffenen Gesellschaft ist, die Alkohol zu einem Kulturgut ersten Ranges erklärt und die dabei entstehenden gesellschaftlichen Kosten billigend in Kauf nimmt. Und das sage ich als überzeugter Nichtkiffer und leidenschaftlicher Biertrinker.
Die Cannabis GmbH von Rainer Schmidt
Rogner & Bernhard; Berlin, erschienen im Oktober 2014
Gebunden, 352 Seiten Seiten, Preis 22,95