Alexandra Gruber
Schneekugeln

Pinguine für den Kaiser

Freitag, 13. Dezember 2013
Warum ein Wiener Traditionsbetrieb erst vor einigen Jahren „Hoflieferant“ wurde.
Schneekugeln
Alexandra Gruber
Erwin Perzy III

Weiße Flocken zuckern das Wiener Rathaus und Punsch-Hütten, musizierende Menschen umkreisen einen Weihnachtsbaum. Konserviert wird die stimmungsvolle Szenerie in einer Glaskugel.
Tausende Figuren, Miniatur-Gebäude und Landschaften wurden in den letzten 110 Jahren in der „Original Wiener Schneekugelmanufaktur“ kreiert und in mit Wasser und Flocken gefüllten Kugeln platziert. Die außergewöhnlichsten und erfolgreichsten davon sind im circa 30 Quadratmeter kleinen Museum zu besichtigen und zu kaufen.

Der Chirurgieinstrumenten-Mechaniker Erwin Perzy I. schuf im Jahr 1900 in einem Hernalser Hinterhof eine kleine Zauberwelt, in der es jeder durch eine einfache Handbewegung schneien lassen kann. „Es weckt so eine Verspieltheit, eine kleine Freude in einem, egal wie alt man ist“, sagt Sabine Perzy, die Urenkelin von Erwin. Die junge Frau hat pechschwarzes, langes Haar und weiße Haut, passenderweise ein bisschen wie Schneewittchen. Sie ist gelernte Werkzeugmacherin und wird in vierter Generation den Familienbetrieb übernehmen. Noch ist ihr Vater Erwin Perzy III. unumstrittener König im Reich des ewigen Schneegestöbers.

Schneekugeln
Alexandra Gruber

Ungefähr 200.000 Schneekugeln in fünf unterschiedlichen Größen werden pro Jahr in der kleinen Werkstatt in Hernals fabriziert, drei Viertel davon in der Zeit vor Weihnachten. Es gibt ein paar hundert Standardmotive. Auf verschiedenste Landschaften, Tiere, Sehenswürdigkeiten und Figuren rieselt der Schnee unter der Glashaube. „Das am meisten verkaufte Modell ist der Schneemann“, sagt Erwin Perzy. Sonderwünsche, auch mit eigenen Miniaturen, sind möglich.

Auch den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton haben die Perzys schon beliefert. Ausnahmsweise rieselte in dieser Kugel kein Schnee, sondern zerkleinerter Original-Wahlkampfflitter der Demokraten. Durch Zufall hat Perzy erfahren, dass sein Großvater auch die Schneekugel für den Film „Citizen Kane“ anfertigt hat.

Gibt es Aufträge, die er ablehnen würde? „Ja, alles was mit Mord und Totschlag zu tun hat. Die Kugel soll eine heile Welt sein. Panzer, Kanonen, Revolver, alles das mache ich nicht. Ich bin Pazifist und hasse Krieg und Streit, das soll sich auch in meinem Produkt widerspiegeln. In der Schneekugel soll nur Friede herrschen“.

Factbox

Schneekugelmuseum, Schumanngasse 87,
1170 Wien.
Freier Eintritt. Führungen ab zehn Personen nach telefonischer Voranmeldung, außer im Advent.

Vor ein paar Jahren wurde angedacht, wegen Platzmangel in einen anderen Bezirk auszuweichen. „Wir stellten aber fest, dass das Wasser über der Donau nicht geeignet ist. Es fängt an zu schimmeln, oder der Schnee fällt nicht so richtig“, erzählt Sabine Perzy. Erklärung hat sie keine parat: „Komisch, aber es ist halt so“.

„War der Kaiser jemals zu Besuch?“ Erwin Perzy schüttelt den Kopf. „Nein, mein Großvater bekam 1908 eine Ehrung vom Kaiser. Aber K.u.K-Hoflieferant wurde er nie.“ Etwas, dass Perzy der Dritte im Jahr 2007 nachholte. „Wir haben das erst lange nach der Monarchie geschafft.“ Kaiser Franz Josef bestellte keine Schneekugeln, dafür aber sein „Nachfahre“ Robert Heinrich I. Die Kugeln mit dem Kaiserpinguin, die dem Satire-Kaiser, dargestellt von Robert Palfrader in der Serie Wir sind Kaiser, vor jeder Audienz überreicht werden, stammen aus Hernals. „Der ORF wollte damals 200 Stück mit einem auf einen Thron sitzenden Kaiser. Weil die Zeit für diese Sonderanfertigung zu knapp war, kam mein Vater auf die Idee mit den Kaiserpinguinen“, erinnert sich Sabine. Erwin Perzy grinst. „So gesehen sind wir durch den Palfrader doch noch Hoflieferant geworden.“

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