Wenn Möbel sprechen könnten… dann hätte der von Theophil Hansen gestaltete und früher im Besitz von Viktor Ephrussi befindliche Tisch im Wiener Hofmobiliendepot einiges zu erzählen: Von der Enteignung der jüdischen Bankiers- und Kaufmannsfamilien. Von der halbherzigen, auf Druck der USA erfolgten Restitution der geraubten Schätze an die Erben. Aber auch vom inneren und äußeren Prunk der Wiener Ringstraßenpalais.
Der Tisch aus dem Jahr 1873 aus vergoldeter Bronze und Marmor ist einer der Hauptdarsteller der Spezialführung, mit der sich das Wiener Hofmobiliendepot – Möbel Museum Wien in der Andreasgasse 7 in die zahlreichen Aktivitäten rund um das 150-jährige Jubiläum der Wiener Ringstraße einklinkt.
Jeden ersten Samstag und Sonntag des Monats ab 15 Uhr erfährt man dabei etwa, dass Hansen neben so berühmten öffentlichen Ringstraßenbauten wie dem Reichratsgebäude (Parlament), der Börse und der Akademie auch zahlreiche Privatpalais reicher Bürgersfamilien schuf. Der gebürtige Däne vertrat die dem Historismus innewohnende Idee des Gebäudes als „Gesamtkunstwerks“ - und gestaltete die Palais bis zur letzten Türschnalle selbst. Sein Tisch im Stil der Renaissance wurde 1939 nach der Vertreibung der Familie Ephrussi von den Nazis geraubt und landete in der Bundesmobilienverwaltung, bis er 2000 den Erben zurückerstattet und für das Museum angekauft wurde.
Nichts für arme Leute
Die Ringstraße war Teil des ambitionierten Stadterweiterungsprojekts unter Kaiser Franz Josef, ihr Bau wurde im Jahr 1858, nach dem Abbruch der Befestigungsanlagen begonnen. Bei dem vor 55 Jahren publizierten „Allerhöchst genehmigten Plan der Stadterweiterung zum Besten der Armen beim Beginne des Jahres 1860“ handelte es sich allerdings um einen Etikettenschwindel: Vor allem beim Kernstück des Projekts, dem Prachtboulevard rund um die Innenstadt, ließ man die ärmere Bevölkerung außen vor.
Während die Adeligen eher in den Innenstadt-Palais saßen, wurde der 57 Meter breite Prachtboulevard zum Prestigeobjekt für Monarchie und Großbürgertum: Mit dem Ziel, auch reiche jüdische Bankiers und Kaufleute an die Ringstraße zu locken, wurde1860 das Gesetz geändert, das bis dato jüdischen Bürgerinnen und Bürgern den Besitz von Grund und Boden untersagt hatte.
Dramen und Streitereien
Um die Errichtung der öffentlichen Prunkgebäude spielte sich so manches Drama ab: Bekannt ist der tragische Selbstmord des Architekten Eduard van der Nüll im Zusammenhang mit dem Bau der Wiener Oper: Menschenscheu und an Depressionen leidend hielt er der harschen öffentlichen Kritik an seinem Werk nicht stand. Dabei war der Hauptkritikpunkt – das zu niedrige Niveau des Gebäudes - nicht einmal die Schuld von van der Nüll und seinem Architektenkollegen August Sicard von Sicardsburg: Die Oper wurde zeitlich vor der Ringstraße errichtet. Aufgrund einer behördlichen Fehlplanung lag die Straße später höher als ursprünglich geplant.
Um die Gestaltung des Maria-Theresien-Platzes mit den Zwillingen Kunsthistorisches und Naturhistorisches Museum wurde heftig gestritten, bis schließlich Gottfried Semper zum Schlichten geholt wurde und gemeinsam mit dem jungen Carl von Hasenauer den Zuschlag bekam. Nach einem weiteren Streit übernahm Hasenauer im Alleingang…
Im zweiten Teil der Führung – durch die Möbelausstellung - ziehen neben Ephrussis Tisch weitere Objekte ihre Spuren vom Damals ins Heute. So ist auch ein Stuhl aus den 1830er Jahren im klassischen Rot (Stoff), Weiss (Rahmen) und Gold (Verzierungen) des Neo-Rokoko zu bewundern: Über 200 dieser Stühle warten aktuell in den Lagern des Hofmobiliendepots auf ihren neuerlichen Einsatz - etwa bei Hofburg-Banketten des Bundespräsidenten.
Es sind diese Verbindungen von Vergangenheit und Gegenwart, von Innen und Außen, von Öffentlichem und Privatem, die den ein - bis zweistündigen Indoor-Spaziergang auf den historischen Pfaden der Wiener Ringstraße für alle historisch Interessierten zum Erlebnis machen. Empfehlenswert, nicht nur für Regentage.
„Die Wiener Ringstraße und der Historismus“- Spezialführungen zu 150 Jahre Wiener Ringstraße
Jeden 1. Samstag und Sonntag im Monat, ab 15 Uhr, Dauer: ein bis zwei Stunden
Infos unter: www.hofmobiliendepot.at