Marliese Mendel
Open House

Beamtenstiege, Bridgeclub und der Geist des Daches

Donnerstag, 4. September 2014
Mitten in Wien gibt es ein tunesisches Dorf. Am Stadtrand liegen Klein Brasilien und die Oase 22. Und dazwischen gibt es jede Menge spannende Architektur. Am 13. und 14. September können Besucher erstmals in 70 Gebäuden, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind, hinter die Fassaden schauen.
Das Tunesische Dorf am Dach eines Gründerzeithauses
Marliese Mendel

Anstatt sich verstohlen die Nase an Scheiben platt zu drücken, in Innenhöfe zu spechteln und sich zu wundern, wer da wohl wohnt, kann man am 13. und 14. September ganz ungeniert seiner voyeuristischen Lust nachgeben und 70 sonst verschlossene Tore zur Innenwelt verschiedener Wiener Gebäude aufstoßen. Dahinter warten Überraschungen wie das Kleingartenhaus in Klein Brasilien (22. Bezirk): auf nur 50 Quadratmetern Grundriss ist dort ein modernes, helles Wohnhaus mit Garten entstanden.

Die Oase 22 (22. Bezirk) ist eine Wohnhausanlage, die auf einer Industriefläche entstanden ist. Es wurde Wert auf gemeinschaftliches Leben und hochwertige Freiflächen gelegt, die Wohnanlage bietet außerdem eine Laufstrecke, die die Gebäudeteile verbindet und einen „Skywalk“.

Das Tunesische Dorf (3. Bezirk) ist ein außergewöhnlicher Dachbodenausbau auf einem Gründerzeithaus. Weiße ineinander verschachtelte Kuben bilden insgesamt vier Wohnungen.

Peter Prenner ist einer der Initiatoren des ungewöhnlichen Dachausbaus und freut sich, seine Wohnung herzuzeigen. Ganz ohne Schwierigkeiten ging der Bau von 400 m² Wohnfläche und 100 m² Terrassen nicht. Die Baubehörde bestand darauf, dass der „Geist des Daches“ gewahrt wird, deshalb sind die Außenmauern der Wohnungen schief.

Jetzt aber bieten die vier Wohnungen Ausblicke in alle Himmelsrichtungen, die Außenräume sind windgeschützt und die Räume werden von einer wärmerückgewinnenden Umwälzpumpe durchlüftet. Ganz oben am Dach steht ein kleiner Pool mit Aussicht über ganz Wien.

Adolf Loos Originalwohnung

Open-House-Projektleiterin Iris Kaltenegger und Open-House-Teilnehmer Peter Prenner
Marliese Mendel
Peter Prenner und Iris Kaltenegger

„Es geht um das Erleben der Gebäude. Wie ist es wenn man ins innerste eines Gebäude eindringt?“ sagt die Open-House-Projektleiterin Iris Kaltenegger. Es geht ihr darum, die Gesamtheit, die Vielfalt der Stadt herzuzeigen – Architektur quer durch alle Formen, Epochen und Nutzungsmöglichkeiten. Architektur ohne Fachjargon. Kaltenegger sagt: „Etwas zu kennen, was nicht jeder kennt, verwurzelt die Menschen mehr in ihrer Stadt.“

Wie etwa die ehemalige Wohnung von Emil Löwenbach in der Reischachstraße, die 1913 von Adolf Loos errichtet wurde und die im Originalzustand erhalten ist.

Postsparkasse

Ein Schild an der Drehtür der Postsparkasse: "Bitte langsam gehen".
Marliese Mendel

Auch die von Otto Wagner errichtete Postsparkasse birgt viele Geschichten und architektonische Eigenheiten: Otto Wagner plante das Haus so durchdacht, dass es sich noch heute gut als Bürogebäude eignet: in den oberen Stockwerken etwa können die Innenwände verschoben und so den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden. Die große Beamtenstiege hat die Eigenart, dass man sie sehr gemütlich beschreiten kann, ohne dass man die Beine viel heben muss.

Das Gebäude birgt außerdem geschichtsträchtige Akten von manchen Skandalen. In der untersten Etage des dreistöckigen Tresorraums liegt auch der Gegenschein des ersten eröffneten Sparbuches: es war jenes von Kaiser Franz Josef .

Factbox

Termin: 13. und 14. September 2014 von 10.00 bis 17.00 Uhr
70 Häuser können kostenlos besucht werden. Die Broschüre liegt in allen Gebäuden auf.

Veranstalterin Kaltenegger hatte ursprünglich 250 Gebäude auf ihrer Liste. Aber es war nicht so einfach, die Wiener Hausbesitzer davon zu überzeugen, fremde Leute in ihren Wohnbereich zu lassen. Trotzdem fanden sich viele Leute, die auf ihre Wohnungen und Häuser stolz sind und zeigen wollen, wie sie wohnen.

Architekten, Bewohner und freiwillige Führer zeigen und erzählen die Geschichten von Privatwohnungen, Bildungsstätten und Fabrikgebäuden in ganz Wien.

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