Die Ausstellung Sex in Wien erzählt anhand zahlreicher Beispiele vom 19. Jahrhundert bis heute, wie dieses stete Ringen um Verbot und Freiheit jeden Moment einer sexuellen Begegnung prägte und prägt – vom „ersten Blick“ bis zur „Zigarette danach“. Wer durfte wen auf welche Weise anschauen? Wer wen ansprechen? Welche Arten von sexuellem Begehren konnten offen ausgelebt werden, welche nur im Verborgenen? Und welche Konsequenzen musste man fürchten, wenn man dabei erwischt wurde? Deutlich wird, dass es weder Moralpredigten, wissenschaftliche Systematisierung noch polizeiliche Kontrolle je geschafft haben, all das zu reglementieren, was in den Schlafzimmern, in geheimen Räumen und in dunklen Ecken der Stadt seinen Platz gefunden hat. Die Idee zur Ausstellung stammt von Wien Museum-Direktor Matti Bunzl, der als Kulturanthropologe u.a. speziell zur Geschichte der Homosexualität in Wien geforscht hat. Umgesetzt wurde sie in Zusammenarbeit mit QWIEN –Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte.
Psychopathia sexualis
„Die Kulturgeschichte der Sexualität in der Stadt anhand des Beispiels Wiens erstmals groß angelegt darzustellen, war die enorm spannende Herausforderung bei diesem Ausstellungsprojekt“, so Direktor Matti Bunzl. „Denn es ist kein Zufall, dass Sigmund Freud seine Einsichten gerade in Wien entwickelt hat. Die Stadt war ein Wegbereiter des modernen Verständnis von Sexualität. So war der Schöpfer des Begriffs ‚homosexuell‘, der österreichisch-ungarische Schriftsteller Karl Maria Kertbeny, ein geborener Wiener; so arbeitete der Psychiater Richard von Krafft-Ebing – Autor der bahnbrechenden Psychopathia sexualis (1886), des ersten Versuchs einer systematischen Erfassung der damals als Sexualpathologien verstandenen Spielarten menschlicher Sexualität – in der Stadt. Diese und andere Errungenschaften in Erinnerung zu rufen, ist ein Ziel der Ausstellung. Wien als Ort der sexuellen Avantgarde darzustellen, bedeutet aber keineswegs, dass es sich um eine voyeuristische Schau handelt. Ganz im Gegenteil. Es geht um die wissenschaftliche Aufarbeitung eines der zentralen Themen unseres Lebens“, so Bunzl.
Sowohl private als auch kommerzielle Darstellungen von Sexualität dienen zumeist der aufreizenden Stimulation und der Visualisierung erotischer Wünsche – besonders dann, wenn sich diese nicht verwirklichen lassen. Dass die Objekte der Ausstellung in vielen Fällen die Dominanz des männlichen Blicks auf die Frau widerspiegeln, ist nicht weiter überraschend: Erotische und pornografische Bilder wurden über Jahrhunderte von Männern für Männer produziert.
"Extase"
Gezeigt werden rund 550 Ausstellungsobjekte, darunter zahlreiche Leihgaben. Zu den Highlights zählt ein bislang unveröffentlichter Brief von Sigmund Freud, in dem dieser die Tätigkeit des Sexualforschers und Mitbegründers der ersten Homosexuellen-Bewegung Magnus Hirschfeld würdigt. Ein weltweit einzigartiges Exponat ist der vermutlich einzige im Original erhaltene „KZ-Winkel eines Rosa-Winkel-Häftlings“, eine Leihgabe aus dem United States Holocaust Memorial Museum in New York. Zahlreiche Fotografien und rare Filmdokumente – wie etwa „Ekstase“ (Regie: Gustav Machatý) mit Hedy Kiesler und „Mysterium des Geschlechtes“ (beide 1933) – erzählen von Wien als wichtigem europäischen Zentrum der erotischen Bildproduktion im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Bandbreite der gezeigten Objekte reicht von Dokumenten aus Polizeiarchiven über historische Verhütungsmittel bis hin zu einem Käfig aus einem S/M-Lokal und der Arbeitstasche einer Sexarbeiterin. Neben Objekten zur Alltagsgeschichte finden sich immer wieder ausgewählte künstlerischen Positionen wie etwa VALIE EXPORTS „Genitalpanik“ (1969). Der Fotograf Klaus Pichler hat für die Ausstellung eine eigene Fotoserie über „Sexorte“ im gegenwärtigen Wien (Laufhäuser, Bordelle, Studios, Nachtclubs, Stundenhotels etc.) angefertigt.
Einige Objekte der Ausstellung machen es erforderlich, dass die Ausstellung „Sex in Wien“ entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Jugendschutzes nur für Personen ab 18 Jahren zugänglich ist.
Sex in Wien
15. September 2016 - 22 Jänner 2017
im Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien
Eintritt ab 18 Jahren
Erwachsene: EUR 10,- / ermäßigt EUR 7,-
(SeniorInnen, Wien-Karte, Ö1-Club, Menschen mit Behinderung, Studierende
bis 27 Jahre, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, Gruppen ab 10 Personen)
Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen – Eintritt frei!