Lionel Foucher wollte nicht in den Algerienkrieg ziehen. Als Mann musste sie aber hin. Ein Jahr kämpfte sie, zwei Jahre saß sie wegen Wehrdienstverweigerung im Gefängnis. „Ich wäre noch länger eingesessen, hätte der Kapitän sich nicht für mich eingesetzt“, sagt die Transfrau. Geboren als Mann, zweimal verheiratet und Vater von vier Töchtern, war sie immer unzufrieden. Bis er mit 65 Jahren beschloss endlich als Frau zu leben. Seither ist sie – Nicole – zufrieden.
Im Stück „Trans Gender Moves“ erzählt sie ihre Geschichte. Sie wuchs während des Zweiten Weltkrieges auf, spielte mit Mädchen und fragte sie „Warum darf ich nicht so sein wie ihr“. Sie hatten keine Antwort darauf. Sie selbst auch nicht. In der Familie war es kein Thema.
Keine Opfer
Gin Müller sieht sich nicht als Regisseur des Stückes „Trans Gender Moves“, „das Stück kommt von uns allen, es dreht sich um die Biographien vom Transmann Anthony, der Transfrau Nicole und dem Intersexuellen Gorji. Drei Menschen aus drei Ländern, in drei unterschiedlichen Lebensabschnitten erzählen ihre spezifische Geschichte.“ Es geht nicht um Opfer, sondern um selbstbewusste, und auch positive Menschen. Es dreht sich sowohl um tragische, aber auch um lustige Lebensgeschichten in denen Silikonpenise verloren gehen, Bartwuchs herbeigesehnt wird und vor allem um drei starke Menschen, die ihren Weg gehen.
Das Biest
Nach seinem Coming-out riefen Schulkameraden Anthony Clair Wagner Zwitter hinterher. „Das hielt solange an, bis ich herausfand, dass ich Trans bin. Zwitter war das einzige Wort, dass in den Köpfen als Alternativen zu Mann oder Frau präsent war.“ Gorji ist intersexuell, er mag das Wort Zwitter nicht. Man bleibe bei den zwei akzeptierten Geschlechtern. Er fühle sich nicht als Zwitter, sondern als anders, etwas Neues.
Als Kind nähte Anthony sein erstes Monsterkostüm, lief in den Wald und erschreckte Wanderer. Er verkleidete sich als das, als was ihn die „normale“ Gesellschaft sah: als Monster. Auch im Theaterstück wird „das Biest“ - ein flauschiges Monster – mit auf der Bühne stehen. In seinen Fotografien und Filmen reflektiert er den Zusammenhang von Transsexualität, Krankheit, Diskriminierung und Monstrosität. Anstatt sich Monster nennen zu lassen, nimmt er die Identität des Monsters an und zeigt so transophobe Reaktionen auf Transleute auf und regt Denkprozesse und Veränderungen an.
BI-Genderismus
2006 outete sich Alex Jürgen als Erster in Österreich durch den Film „Tintenfischalarm“ als intersexuell. Er gründete im März 2014 den VIMÖ-Verein intersexuelle Menschen Österreich. Bisher hat er drei Mitglieder. Eines davon ist Gorji. Geboren im Iran, kam er mit 24 Jahren nach Österreich um Biotechnologie zu studieren. Jetzt ist er Dozent an der Universität für Bodenkultur und Aktivist.
„Intersexuelle Menschen sind meist unsichtbar, weil die Gesellschaft in binären Gendervorstellungen gefangen ist. Es gibt nur Männer und Frauen, das bedeutet, wenn wir uns als intersexuell outen, verlassen wir den juristischen Rahmen. Wie soll man uns anreden? Selbst die Sprache ist gegendert. Wir existieren in keiner Sprache. Deshalb flüchten intersexuelle Menschen in eine der beiden Genderrollen. Verlassen so sie ihre Originalität. Man wird in eine Art ständige Performance hineingezwungen.“
Für Gorji ist das Theaterstück eine Lebensreflektion, eine Möglichkeit, Wege aufzuzeigen aus dem Teufelskreis des Bi-Genderismus auszubrechen und für Intersexuelle ein charakteristisches Image zu erarbeiten.
Trotzdem hat er Angst. „In dem Moment, in dem man akzeptierte Normen verlässt, wird man ziemlich einsam.“ Nachdem öffentlichen Coming-out als Intersexueller im März ist die gesellschaftliche Struktur um ihn herum zerfallen. „Ich bin ein Sonderwesen, mit dem niemand eine Verbindung herstellen konnte. Einige haben mich bewundert, Andere haben sich distanziert.“
Bei den drei Geschichten ist Gender nur ein Teil vom Leben, Transgender und Intersexualität sind ein integraler Bestandteil, aber nicht der einzige. Das Stück zweigt vom Fokus des Geschlechtlichen ab, hin zur Geschichte der Person, derer Grenzüberschreitungen, Extremerfahrungen und Selbstfindung.
Termine:
Am 17. Oktober, 22 Uhr | Ausstellungseröffnung & Party
Im Foyer im brut im Konzerthaus wird eine begleitende Themenausstellung mit Werken von Asoo Khanmohammadi, Anthony Wagner, Alex Giegold & Tomka Weiß, VIKI Kühn, Nick Prokesch, Mike u. a. gezeigt. Ausstellungseröffnung und Party (mit DJ Denice Bourbon) im Anschluss an die Premiere. Öffnungszeiten der Ausstellung an den Veranstaltungstagen jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. Eintritt frei!
Am 17. bis 19. Oktober, 21. bis 23. Oktober, 20.00 Uhr, brut im Künstlerhaus
Am 19. Oktober, 17 bis 19 Uhr |Transgender/Intersex- Unsichtbarkeit versus Sichtbarkeit
Diskussionsveranstaltung mit Eva Fels, Jo Schedlbauer (TransX), Gorji Marzban, Gin Müller, Mike (dieStandard, Trans.Gender.Trouble.Blog). Über Unsichtbarkeit und Räume der Sichtbarkeit transidenter Menschen. Eintritt frei!
Am 23. Oktober, nach der letzten Vorstellung, Party mit DJ. Lisa K.