Fotografie – Eine Kunst im Schwitzkasten sozialer Medien?
Damit stellte er in Frage, was Jahrzehnte lang zentrale Anliegen guter Fotografie waren: Fotogenität, ein explizites Motiv und die richtigen Lichtverhältnisse.
Im Zeitalter sozialer Medien setzt sich diese Aussage von Feininger in einem Trend fort: die Kunst der visuellen Darstellung scheint heutzutage primär in der Wahl des besten Instagram Filters zu gipfeln.
Doch haben die Kritiker unserer sozialen Medien tatsächlich Recht? Symbolisiert ein „gutes“ Foto nunmehr lediglich das am kreativsten angerichtete „Foodfie“ oder freizügigste „Selfie“ mit den meisten Likes, Shares und #hashtags?
Vieles ist „echt“ nachgemacht
Nicht nur Fotografen bangen um den Ursprung visueller Darstellung. Auch Maler, Kuratoren und Museen fürchten um die Aura des Originals. Digitale Reproduktionen überschwemmen das Internet und der mobile Zugriff auf künstlerische Schaffungen lassen den Galeriebesuch beinahe überflüssig erscheinen. Instagrams Relevanz für unseren realen Alltag ist für viele unbestreitbar.
Künstler und kreative Geister haben meist nur dann eine Chance Popularität und Interessenten zu gewinnen, wenn sie ebenfalls auf einer Online Plattform für sich werben. Die Masse an Medien, Möglichkeiten und Meinungen ist größer denn je. Wer sein veröffentlichtes Werk auf Facebook oder Instagram nicht adäquat erörtern kann, gerät schnell zwischen die Fronten digitaler Diskussionen. Der Grund für die Publizierung einer Schwarz-Weiß Aufnahme der unterseeischen Doline von Belize wird häufiger hinterfragt, als das aktuelle Bikini-Selfie von Kim Kardashian. Doch basiert der visuelle Wandel in dessen Darstellung oder existentiellen Intention?
Wandel oder Wahnsinn?
Im Zeichen der Popularität von Social Media bedarf es nicht nur des Umdenkens von Privatpersonen, wie Malern oder Modefotografen. Die Bedeutung einer optimierten Unternehmens-Website, einer hohen Anzahl an „Followern“ und der digitalen Transparenz auf Twitter nimmt kontinuierlich zu und trägt entscheidend zum Erfolg und finanziellen Gewinn eines Unternehmens bei.
Selbst etablierte Großunternehmen wie Universal.at präsentieren die neuesten Modelle der Lichtbild-Brillanz unter Berücksichtigung sozialer Medien wie Instagram. Ohne Anpassung an den digitalen Wandel unserer Zeit bleiben Künstler schnell auf der Strecke. Doch führt eine zeitgerechte künstlerische Präsenz automatisch zum Untergang der Bedeutung und des Ursprungs von Fotografie?
Es werde Licht!
Ein Foto entsteht nur selten, wenn gar niemals durch Zufall. Der Druck auf den Auslöser, sei es über die Kamera oder das Handy, geschieht auf Basis einer individuellen Intention des Fotografen. Instagram ermöglicht es Menschen ihre Erlebnisse, Vorlieben und visuellen Attribute mit anderen zu teilen. Ob das Selfie dabei auf der reinen Eitelkeit und dem Narzissmus seines „Fotografen“ basiert, ist für viele irrelevant.
Gleichzeitig wird es jedoch nur selten als Kunstwerk oder kreative Schöpfung der Fotografie betrachtet und überzeugt nur bedingt durch Niveau.
Die Komplexität zwischen Intention und Qualität eines Bildes ist das, was die Kunst der Fotografie von der redaktionellen, visuellen Zurschaustellung auf sozialen Plattformen unterscheidet. Jedoch muss ein gutes Foto, konträr zur elitären Ansicht vieler Kritiker, nicht zwangsläufig in einer Galerie platziert sein.
Eine zeitlose Kunst wie jene der Fotografie lebt in den Menschen, die ihren Ursprung bewahren. Solange ein schweißgebadeter Vater im Moment der Dankbarkeit und Freude über seinen neugeborenen Sohn zur Kamera (oder auch zum Mobiltelefon) greift und den Moment Unendlichkeit werden lässt, lebt auch ein wichtiger Teil der Fotografie.
Der französische Fotograf Gaspard-Félix Tournachon (Nadar) erkannte das Dilemma bereits Ende des 18. Jahrhunderts: „Die Photographie ist eine wunderbare Entdeckung, eine Wissenschaft, welche die größten Geister angezogen, eine Kunst, welche die klügsten Denker anregt - und doch von jedem Dummkopf betrieben werden kann.“