Im Oktober 2012 gründeten Journalisten, Datenexperten und Mediengestalter das Onlinemedium Dossier, eine Plattform für Investigativ- und Datenjournalismus. Seither hat das Team Recherchen über die Schaltung von Inseraten der Stadt Wien in der Gratiszeitung Heute und über die teils katastrophale Unterbringung von Asylwerbern veröffentlicht. Beiden Artikeln gingen monatelange Recherchen voran, beide Artikel haben in Österreich viel bewegt.
Der betriebene Aufwand ist enorm: Für die Recherche über die Inseratschaltungen der Stadt Wien in Heute durchsuchte die Redaktion in 132 Stunden 1.836 Ausgaben der Gratiszeitung und machten dazu 175.068 Dateneinträge. Ergebnis: Die Stadt Wien und stadteigene Betriebe hatte in sieben Jahren 2.443 Seiten in Heute inseriert und mit Steuergeld bezahlt.
Fazit für das Rechercheteam: „Ohne Rabatte, aber auch ohne Zuschläge für Platzierungen […] ergibt das bei dem von Heute für das jeweilige Jahr ausgewiesenen Seitenpreis einen Bruttowerbewert von rund 29 Millionen Euro. Damit ist die Stadt Wien gemeinsam mit ihren Unternehmen in der Gesamtwertung der beste Anzeigekunde der Gratistageszeitung.“
Noch vor der Veröffentlichung des Artikels drohte die Herausgeberin von Heute Eva Dichand Dossier mit einer Verleumdungsklage. Diese traf letztlich jedoch nie ein. Die Veröffentlichung der Recherecheergebnisse regte hingegen nicht nur eine Diskussion über die Verwendung von Steuergeldern, sondern auch über die Unabhängigkeit von Journalismus und Medienhäusern an.
10.000 Kilometer und 98 Asylunterkünfte
Für ihr nächstes Projekt, die Recherche über die Lebensbedingungen von Asylwerbern in Österreich koordinierten sie sieben Monate lang zwölf Redaktionsmitglieder in drei Bundesländern. Im Sommer 2013 fuhren sie über 10.000 Kilometer mit dem Auto und besuchten ohne das Wissen der Quartierbetreiber 98 Asylunterkünfte im Burgenland, in Salzburg und in Niederösterreich. Immer wieder wurde ihnen von von unzureichender Verpflegung, Ratten, Schimmel in den Wohnräumen, unregelmäßigen Taschengeldauszahlungen und rassistischen Äußerungen von Seiten der Betreiber erzählt.
Die Rechercheergebnisse wurden von vielen Medien aufgegriffen und Politiker nahmen die Publikationen zum Anlass, um das Thema zu behandeln. Für diese Recherche erhielt das Dossier-Team 2014 den Robert-Hochner-Preis.
Dossier-Academy
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Vom 29. bis zum 30. Mai 2015 veranstaltet das Dossier-Team ein kostenloses Seminar für 20 freie Journalisten. [Infos zur Academy](http://www.academy.dossier.at)
Das Team von Dossier arbeitet bei allen Recherchen und Veröffentlichungen nach einem strengen Ethikcode und legt auf der Webseite die Methodik, die erhobenen Daten und die Finanzierung offen. Die Rechercheergebnisse stehen der Allgemeinheit unter einer Creative-Commons-Lizenz zur Verfügung und dürfen unter den Bedingungen dieser Lizenz (cc by-sa) kopiert werden.
Das Echo, das ihre Arbeit erzeugt, zeigt, dass qualitativ hochwertiger, unabhängiger Journalismus notwendig und machbar ist. Nun geben sie ihr Wissen weiter.
Im September bietet Dossier erstmals ein zweitägiges Seminar mit dem Titel „Von der Idee über die Recherche zur Veröffentlichung“ für zwanzig freie Journalisten und solche, die noch in Ausbildung sind. Im Mittelpunkt des Kurses stehen die Schwerpunktbereiche der Dossier-Redaktion: Strukturierte Recherche, penibler Faktencheck und neue Darstellungsformen in der Veröffentlichung.
Da die finanzielle Situation vieler freier Journalisten angespannt ist, ist der Kurs für die Teilnehmer kostenlos und wird über die Crowdfunding-Plattform Respekt.net finanziert. Ab Anfang August können sich Interessenten bewerben.