Marliese Mendel
Nachhaltigkeit

Bio-missionarische Modedesignerin

Mittwoch, 8. Januar 2014
Cloed Priscilla Baumgartner hält nichts von saisonal wechselnden Kollektionen, weitgereisten Stoffen und Ellenbogentechnik im Geschäftsleben. Mit dieZeitschrift hat sie über alte Herrenhemden, die Gefahren für „Neue Selbstständige“ und gut durchzogenen Speck gesprochen.

Cloed Pricilla Baumgartner setzte 2003 ein wichtiges Zeichen für unabhängige Modelabels in Wien. Als Ko-Gründerin des ersten „MODEPALAST“ initiierte sie eine Verkaufsplattform für 30 Jungdesigner.

2011 waren bereits 160 Modemacher dabei. 2012 stiegen die beiden aus, um sich neuen Projekten zu widmen. Baumgartner sieht sich als First Mover, als jemand, der Trends aufspürt und umsetzt.

„Bis 2003 gab es modemäßig wenig in Wien. In kleinen, unbekannten Hinterhofateliers wurde zwar genäht, aber kaum jemand kaufte dort ein. Damals war man nur wer, wenn man hoch subventioniert nach Paris zu den teuren Messen fuhr. Ich dachte mir, ich lebe und arbeite in Wien, meine hier produzierte Mode muss etwas wert sein. Ich wollte nicht nach Paris fahren, damit meine Mode dann in Japan verkauft wird. Also beschloss ich, den Modepalast zu veranstalten. Wir wuchsen gemeinsam, boten immer bessere Produkte, bessere Stoffe, bessere Pressefotos an, und die Medien und Kundinnen zogen mit. Viele kaufen jetzt lokal,“ sagt Baumgartner.

boutique gegenalltag

Baumgartner, MILCH, Y5, Yppenplatz, Selbstständige
Marliese Mendel

Noch bevor Pop-up-Stores an jeder Ecke Wiens auftauchten, war sie ab 1999 an einem damals innovativen, mobilen Vertriebskonzept beteiligt, der „boutique gegenalltag“.

Auch in ihrem Laden Y5 am Yppenplatz ist nichts gewöhnlich. Die Hälfte des Ladens stellt sie monatlich unentgeltlich jungen Designern zur Verfügung.

„Ich betreue die jungen Modemacher und gebe Ratschläge. Ich bin „bio-missionarisch“ drauf: Das heißt, ich rate zum Umstieg auf nachhaltige Stoffe, die dann lokal und zu fairen Preisen verarbeitet werden“, sagt sie und ist selbst das beste Vorbild. Seit vielen Jahren verwandelt sie alte Herren-Business-Hemden und Herren-Anzughosen in neue Mode für Frauen. Sie unterwirft sich nicht dem Modediktat, jede Saison eine neue Kollektion auf den Markt zu bringen. „Denn das hieße: das Alte ist vergangen und out, aber Herrenhosen gibt es schon ewig. Und so gibt es meine Kleider auch viel länger als nur eine Saison“, sagt sie. Baumgartner beschreitet immer wieder Wege abseits der Trends. „Ich will Sachen entschleunigen und nachhaltiger machen“, sagt sie und erklärt ihre Arbeitsweise.
Sie kauft von der Volkshilfe aussortierte B-Ware. Die Kleidung wird in den großen Waschsalons Green and Clean gewaschen und dann entweder von dem sozial-ökonomischen Betrieb Merit oder von einer Hutmacherin im Weinviertel zu Blusen, Röcken, Kapperln und Taschen umgearbeitet und vernäht.

„Nicht jeder will selbstständig sein“

Baumgartner, MILCH, Y5, Yppenplatz, Selbstständige
Marliese Mendel

Es hat eine Weile gedauert, bis sie sich mit ihrem Modelabel selbstständig gemacht hat. „Ich habe jahrelang Geldjobs als Internet-Monteurin und in der PR-Abteilung eines Autokinos gearbeitet. Ich konnte mir nebenher etwas aufbauen. Ich glaube nicht, dass man sich von einem Tag auf den nächsten selbstständig machen sollte, sondern dass die Geschäftsfelder besser wie ein gut durchwachsener Speck reifen sollten. Deshalb findet sie auch die Entwicklung, dass Leute als „Neue Selbstständige“ in das Einzelkämpfertum gepresst werden, gefährlich. „Nicht jeder will selbstständig sein,“ sagt sie, „man kann Menschen nicht einfach in die Selbstständigkeit drängen. Viele Leute zerbröselt es und dann stehen sie ohne Anspruch auf Sozialleistungen da. Das erkennt doch der „Hausverstand“, dass eine riesige Lawine von Problemen auf die Gesellschaft zukommt.“

„Deshalb muss man jetzt gegensteuern und sagen: wir Selbstständigen hauen uns auf ein Packl, wir müssen das gemeinsam angehen, wir formulieren Forderungen, damit die Sozialversicherung und die Politik rechtzeitig die Rahmenbedingungen anpassen an die veränderten gesellschaftlichen Zustände – auf eine Wirtschaft, die bald aus lauter Mikro-Unternehmen bestehen wird. Und wir sollten das, was wir wissen, an andere weitergeben.“

Atmosphäre des Miteinanders

Das funktioniert bereits seit 2006: Damals fand sich eine Gruppe von 30 Designern zusammen. Sie waren vordergründig vereint durch eine wachsende Unzufriedenheit mit der undurchsichtigen Vergabe von Subventionsgeldern durch die einzige Mode-Förderstelle Wiens.

Baumgartner setzte zur niederschwelligen Kommunikation zwischen den Modeschaffenden eine Mailingliste auf; und auch wenn diese Kommunikationsform in Zeiten von Facebook antiquiert klingt, funktioniert sie immer noch bestens. Die Liste umfasst rund 400 Designer. Man hilft sich bei der Suche nach Produktionsstätten, AGBs für Online-Shops oder guten Webdesignern. Es ist ein Netzwerk von Menschen, die sich gegenseitig Wissen schenken, obwohl sie sich gegenseitig nicht kennen.
„Ich will in der Stadt eine Atmosphäre des Miteinanders schaffen,“ sagt sie und denkt momentan im Zuge einer Masterthesis darüber nach, wie Gruppen von Einzelunternehmern miteinander Innovationen vorantreiben können.

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