Heute nimmt Simon Niederkircher seinen 18-monatigen Papierkrieg mit den österreichischen Behörden mit Humor. Er fragte um die Genehmigung zur Installation seines Mini-Photovoltaikkraftwerks am Balkon an, der am Wiener Stromnetz angeschlossen werden sollte. Die simple Anfrage verwandelte sich in einen wahren Behördenmarathon, den anfangs war niemand in den Beamtenstuben von seiner Idee begeistert. Zuständige beim Netzbetreiber warnten ihn davor, den Solarzwerg an das Stromnetz anzuschließen.„Zuerst droht mir der Techniker und dann prophezeite er mir Tod, Netzzusammenbruch, abertausende Euro Strafe und so weiter,“ schreibt Niederkircher auf seinem Blog „Das Solarzwerg-Experiment.“
Selbstexperiment Solarzwerg
Er ließ sich nicht entmutigen, füllte seitenweise Anträge aus, studierte die Gesetzeslage, konferierte mit Beamten, Technikern und der Installateursinnung. Nach fünf Monaten erhielt er die Genehmigung, den Solarzwerg aufzuhängen, aber er durfte ihn noch nicht in Betrieb nehmen. Die Idee, dass er Strom in das Wiener Netz einspeist, stieß auf heftigen Widerstand. Er bräuchte einen bidirektionalen Zähler, teilte man ihm mit. Dessen Installation koste 2.500 Euro, schließlich müsse man den gesamten Zählerkasten umbauen. Doch Niederkircher gab nicht auf, kämpfte weiter und schließlich, nach fast 18 Monaten war es soweit. Er erfuhr, dass er mit einem steckdosenfertigen Solarsystem gegen kein einziges Gesetz verstößt. Er konnte den Solarzwerg legal am Balkon aufhängen und seinen eigenen Strom erzeugen. Das Selbstexperiment war gelungen, und eine neue Idee entstanden: man könnte doch Solarzwerge selbst bauen.
Aktiengesellschaft und Crowdfunding
Niederkircher arbeitet für die oekostrom AG, einem Anbieter von 100 % nachhaltig produziertem Strom: zu 75 % kommt der Strom aus Wasserkraft, der Rest wird mit Sonne, Wind und in Biomassewerken erzeugt. Sie beliefern rund 40.000 Haushalte in Österreich. Die Aktien der oekostrom werden nicht an der Börse gehandelt und kein Aktionär besitzt mehr als 5,5 % der ausgegebenen Anteilscheine. Auch wenn die Aktionäre auf Dividenden hoffen, ist es ihnen auch ein Anliegen, ihren Strom aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen und zu beziehen.
Es erscheint auch etwas seltsam, dass sich ein Unternehmen, das Strom produziert und verkauft, sozusagen selbst Konkurrenz macht und Mini-Photovoltaikanlagen für Balkonbesitzer anbietet. Doch es ist ihr Ziel, dass möglichst viel Strom aus erneuerbaren Energien produziert wird. Außerdem verdienen sie natürlich beim Verkauf der Solarzwerge.
"simon" der Solarzwerg
Nachdem die bürokratischen Hürden überwunden waren, tüftelte das Projektteam an „simon“ - dem Mini Kraftwerk für jedermann: es sollte leicht zu installieren sein – so einfach wie ein Möbelstück und ohne Spezialwerkzeuge - und nur einfach an die Steckdose angesteckt werden können.
Ganz sicher waren sich Niederkircher und sein Team noch nicht, ob die Idee in Österreich angenommen werden würde, und die Finanzierung der ersten 1000 „simons“ war noch nicht gesichert. Sie entschieden sich via Crowdfunding bei der Plattform 1000x1000, die Marktakzeptanz zu erforschen und gleichzeitig die Finanzierung zu erleichtern. Die Unterstützer der Kampagne können den Solarzwerg jetzt um 499,00 Euro – statt 599,00 Euro, vorbestellen. 419 Unterstützer hat das Projekt schon. Sie können ab Herbst 2015 täglich bis zu 150 Watt Strom pro Tag selbst erzeugen. Genug, um ein Mittagessen für zwei Leute zu kochen, eine Ladung Wäsche zu waschen oder 65 Scheiben Brot zu toasten. Pro Jahr kann sich die Stromrechnung um rund 35 Euro reduzieren. Das klingt zwar nicht nach viel, aber wenn 1000 Haushalte einen kleinen Teil ihres Stromverbrauchs selbst produzieren, muss auch dementsprechend weniger Strom in Atomkraftwerken oder in Kohle- und Gaskraftwerken erzeugt werden.