Brigitte Heinz
Brigitte Heinz, by Finisherpix
35. VIENNA CITY MARATHON

Alle Wege führen nach Wien

Dienstag, 27. März 2018
Brigitte Heinz wird beim 35. Vienna City Marathon 2018 zum 25. Mal am Start sein. Und sie will auch zum 25. Mal ins Ziel kommen. Die 59-jährige Niederösterreicherin ist nicht nur Rekordteilnehmerin, sondern quasi auch die Chefin im Club of Honour.

Täglich fährt Brigitte Heinz knapp vier Marathons. Sie ist Pendlerin, wohnt in Traisen und arbeitet für die Arbeiterkammer in der Wiener Prinz-Eugen-Straße. Rund 160 Kilometer täglich. Doch das Pendeln ist nicht die Passion der Niederösterreicherin, die im September ihren sechzigsten Geburtstag feiern wird.

Die vierfache Großmutter läuft am 22. April zum 25. Mal den Vienna City Marathon. 1989 feierte sie ihre Premiere, 24 Mal ist sie über die volle Distanz gegangen, fünf Mal hat sie am Halbmarathon teilgenommen. Nur einmal hat sie den Vienna City Marathon entspannt vor dem Fernsehapparat verfolgt: „Das war 2015. Christoph Sumann ist mitgelaufen“, berichtet sie. Ein Jahr, nachdem der Biathlet in Sotschi seine dritte Olympiamedaille geholt hatte. „Der hat mich so beeindruckt, dass mich sofort wieder das Marathon-Fieber gepackt hat“, erzählt Brigitte Heinz.

Zeiten ohne Chips

Die Rekordteilnehmerin hat aber auch eine bemerkenswerte Entwicklung miterlebt: „Zum Beispiel sind wir beim Schloss Schönbrunn gestartet, es gab noch keinen Chip für die Zeitmessung, es waren insgesamt viel weniger am Start.“ Und es seien überhaupt nur rund 130 Frauen ins Ziel gekommen. „In den 80er Jahren war Marathon eine richtige Männerdomäne. Da hat man als Frau sehr viel Bewunderung geerntet. Ich bin froh, dass heute viel mehr Frauen die volle Marathondistanz laufen.“ 

2012 lief Brigitte Heinz in Wien immerhin doppelt so weit wie die wohl prominenteste Marathonläuferin der Welt: Paula Radcliffe, die Grande Dame des Laufsports, stellte damals immerhin den noch immer gültigen Wiener Streckenrekord (1:12:03) im Halbmarathon auf. „Sie ist angetreten, obwohl sie krank war“, erinnert sich Veranstalter Wolfgang Konrad. Und er fügt hinter vorgehaltener Hand hinzu: „Dieses Pflichtbewusstsein kenn‘ ich nur von Frauen.“

Wolfgang Konrad

Der ehemalige Weltklasseläufer Wolfgang Konrad ist 2018 zum 30. Mal an vorderster Front dabei. Und auch ihm gefällt die Entwicklung gut. Der Tiroler – übrigens um drei Monate jünger als Brigitte Heinz – erinnert sich: „Beim ersten Marathon waren 25 Frauen am Start.“ Heute sei das Verhältnis bei einer Teilnehmerzahl von 40.000 am gesamten Marathon-Wochenende etwa 30:70 aus Sicht der knapp 12.000 Läuferinnen.

Training - Motivation

Brigitte Heinz die First Lady im „Club of Honour“ des Vienna City Marathon. „Ich trainiere ab November vier oder fünf Mal pro Woche“, berichtet sie. Die coole Oma fürchtet Kälte weniger als viele ihrer Konkurrentinnen: „Ich bin meine besten Zeiten bei ganz niedrigen Temperaturen gelaufen“, erinnert sie sich. Allerdings sei eine gute Leistung in erster Linie Kopfsache. „Meistens weißt du schon beim Start, was an diesem Tag los sein wird.“

Ab Kilometer 20 gehe es um die Motivation und um die Rücksprache mit dem Körper: „Ich finde es spannend zu sehen, wie man mit dem Körper arbeiten kann. Auch, wie Wille, Motivation und Ausdauer zusammenspielen.“ Außerdem sei jeder Marathon anders – und dabei bleibt sie auch, nachdem sie 24 Mal ins Ziel gekommen ist.
„Aber das Gefühl auf der Ringstraße… auf den letzten Kilometern, wo dich tausende Menschen anfeuern… das ist einfach unbeschreiblich und der Stolz ist unermesslich groß.“ Inzwischen wird sie von einer kleinen Fangemeinde im Ziel willkommen geheißen, die von ihrem Mann angeführt wird: „Der wartet mit einem Bier für mich hinter der Ziellinie“, lacht Brigitte Heinz.

Natürlich komme nach all der Begeisterung irgendwann die Phase der Erschöpfung. „Doch schon auf der Heimfahrt steht meistens fest: Ich kommen wieder!“ Denn nach drei Dekaden Lauferfahrung weiß sie, dass es nicht nur um diesen einen Sonntag geht: „Grundkondition und Ausdauer helfen einem auch im Alltag, im Büro und mit der Familie. Das möchte ich nicht missen.“

1.160 Kilometer

25 Marathons, 5 Halbmarathons – ausschließlich in Wien. Auf die Frage nach internationalen Marathon-Ambitionen liefert Brigitte Heinz eine sehr feine Antwort für das Image der größten Veranstaltung Österreichs: „Wien ist so schön. Ich muss nicht um die Welt fliegen um einen tollen Marathon zu erleben, wenn ich ihn vor der Haustüre habe.“ Wenn sie heuer am 22. April die Ziellinie überquert, wird sie 1160 Wiener Renn-Kilometer in den Beinen haben. Das entspricht der Strecke von ihrem Heimatgemeinde Traisen nach Rom. Und zwar nicht Luftlinie, sondern auf Straßen und Wegen. Offenbar führen doch nicht alle Wege nach Rom.

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