Es tut weh. Ziemlich weh sogar, wenn das Schwert auf den metallenen Schienbeinschutz kracht. „Es brennt“, sagt Heinrich Wurzian. Er muss es wissen, ist er doch einer der besten Schwertkämpfer Österreichs. Und er kämpft ausschließlich in historischen Ritterrüstungen in Historical Medival Battles in Österreich und ganz Europa. Seit fünf Jahren übt er den Vollkontakt-Kampfsport aus.
Es dauert zwanzig Minuten, bis er seine Rüstung angelegt hat: den wollenen mongolischen Mantel mit den eingenähten Metallplatten, den stählernen Wadenschutz, die eisernen Knieteile, die Unterarmschützer, die Handschuhe angezogen, den eisernen Ritter aufgesetzt und Schwert und Schild aufgenommen hat. Wie alle Rüstungen ist auch seine nach einem historischen Vorbild gefertigt. „Ich kann mich alleine anziehen. Andere Historical Medival Battle (HMB) Kämpfer brauchen Hilfe, und es dauert fast eine Stunde.“ Bis zu 28 Kilogramm wiegt die mittelalterlichen Rüstungen nachempfundene „Sportbekleidung.“ Auf seinem Schild ist sein Wappen, ein weißer Hund auf rotem Hintergrund. Nachempfunden von einem Wappen auf dem Grabmal eines niederösterreichischen Ritters aus dem 13. Jahrhundert.
Kein Edelmann
Heinrich nimmt von seinem sportlichen Rittersein viel in den heutigen Alltag mit: „Ich bin kein Edelmann, ich bin kein Ritter und ich verteidige auch nicht das Christentum, sondern lebe ritterliche Werte wie Loyalität, gegenseitigen Respekt und Wertschätzung.“ Auch verteidigt er seine Überzeugungen lieber verbal, als mit dem Schwert – aber dennoch mit Nachdruck.
Eigentlich ist Heinrich Landschaftsplaner, aber seine Leidenschaft gilt dem HMB. Begonnen hat sie mit dem Pen-and-Paper-Rollenspiel „Das Schwarze Auge“, gefolgt von Fechttraining, dem ersten Besuch auf einem Mittelalterfest und schließlich Reisen zu Reenactment-Veranstaltungen.
Call of Heros
In Agincourt (Frankreich) stellen hunderte Menschen in Ritterrüstungen die Schlacht zwischen England und Frankreich von 1415 nach. Aber auch die HMB-Kämpfer treffen sich dort. 2011 lernt Heinrichs Team dort eine Gruppe ukrainischer Kämpfer kennen. „Sie zerstörten unseren Ruf, die bösen und gefährlichen Österreicher zu sein“, lacht Heinrich, „sie gewannen alle Wettkämpfe.“ Dafür aber luden die Ukrainer die Österreicher in den Kiewer Rus Park ein. Auf dem zehn Hektar großen Gelände entsteht ein Themenpark mit mongolischen Jurten, Befestigungsanlagen und einem Turnierplatz.
Dort treffen sich beim Call of Heros HMB-Kämpfer aus Europa, Israel, Russland, Weißrussland und der Ukraine. Bis zu 500 Mann in historischen Ausrüstungen, mit stumpfen Schwertern und doppelten Äxten kämpfen um den Titel, in Einzelbewerben, in Verbänden zu fünf, 16 und 21 Mann. Gewinner ist jenes Team, das alle Ritter des Gegners auf den Boden gerungen hat. „Das kann lange dauern, aber auch ganz schnell gehen. Die Russen brauchten 12 Sekunden, um das amerikanische Team zu besiegen.“
Softsword
Es ist auf jeden Fall schweißtreibend. Zweimal wöchentlich trainieren die Wiener Kämpfer. Von den 32 Mitgliedern stehen 14 Männer in Rüstung. Sie ziehen sich Helme über, legen Handschuhe, Zahn- und Tiefenschutz an und bewaffnen sich mit Softswords: ein mit Schaumgummi überzogener Stecken. In der anderen Hand führen sie einen gepolsterten Schild. „Das Softsword ist nicht so schwer wie ein echtes Schwert, schadet den Gelenken nicht und man erlernt die Technik leichter“, sagt Heinrich.
Dann stürmen die Kämpfer aufeinander los, holen mit den Schwertern aus, treffen auf Schultern, Beinen und Köpfen. Drücken mit den Schilden Gegner weg. Für einige Stunden verwandelt sich die Volksschulturnhalle in Favoriten in ein Schlachtfeld. Es wird geboxt, gerungen und gefochten. Mitleid gibt es nicht. „Es ist ein harter Sport.“ Wer verliert, also zu Boden geht, muss zur Strafe Burpees (Liegestütze und Hochsprünge) machen.
Burgfräuleins
Infobox: Mitmachen kann jeder: Mitgliedsbeitrag pro Semester beträgt 140 Euro. Der Verein für gerüsteten Vollkontaktkampf bietet regelmäßig Probetrainings.
Veranstaltungen:
Austria-Cup in Hainburg: 24. und 25. Mai 2015
Austria-Cup in Linz: 11. Juli
Der Unterschied zu Reenactment-Spielern ist auch, dass die HMB-Kämpfer sich nicht in historische Figuren verwandeln, sondern einfach einen besonderen Vollkontakt-Kampfsport in historischen Rüstungen ausüben. Dennoch hat Heinrich ein Vorbild, den Ritter aller Ritter: William Marshal (1144-1219) war zu seiner Zeit der erfolgreichste Turnierkämpfer. Er diente fünf Königen, galt als besonders loyal und stieg zum Lord Marshal von England auf. 500 Ritter soll er bei Turnieren besiegt haben und ihre Pferde gegen Lösegeld und Burgfräuleins eintauschte. Heute gibt es Preisgelder. Zwischen 100 und 20.000 Euro kann der Turniersieger mit nach Hause nehmen. Die können die Kämpfer gut gebrauchen.
Die Rüstmeister verlangen nämlich ab 1.600 Euro für eine Ausrüstung, und heuer finden gleich zwei Weltmeisterschaften statt. In nicht sehr ritterlicher Manier haben sich die zwei Weltverbände zerstritten; der eine ist amerikanisch dominiert, der andere russisch. Wie in der Weltpolitik blieben die Österreicher jedoch auch in diesem Fall neutral: Das Nationalteam fährt mit 26 Kämpfern zu zwei Weltmeisterschaften, einmal nach Polen und einmal in die Tschechische Republik.