dieZeitschrift: Fühlt ihr euch von einer Parlamentspartei vertreten?
MA: Nein. Aber wir wollen mit allen Parteien im Parlament reden können. Ich gebe zu, dass eine Partei für uns als Partner nicht in Frage kommt.
dieZeitschrift: Ich nehme an, es geht um die FPÖ.
MA: Ja, das ist eine Frage der politischen Hygiene. Alle anderen sind für uns Partner im Bereich Lobbying. Wir werden aber nie eine Wahlempfehlung für eine Fraktion abgeben. In vielen Teilbereichen sind wir auf die Parteien angewiesen. Geht es um die Sozialgesetzgebung, auf die SPÖ, bei der Wirtschaftsförderung auf die ÖVP. Da gilt es, Kompromisse zu finden. Ich sitze ja als kleiner Funktionär teilweise in der Wirtschaftskammer, und nehme ihnen ja sogar ab, dass sie wollen würden. Nur sie können nicht. Ich sag immer, die sind wie Eunuchen. Sie wissen, wie es geht, aber sie können nicht. Sie würden uns manchmal gerne helfen, aber sie verstehen unsere Antriebsfeder nicht, die uns eigentlich in die Selbstständigkeit geführt hat. Und das man das vielleicht nur für ein paar Jahre macht, dann wieder unselbstständig arbeitet, als Angestellter, weil man ein tolles Jobangebot bekommt. Um sich dann später wieder selbstständig zu machen.
„In diesem Land braucht man ja wegen jedem Popatz einen Gewerbeschein“
dieZeitschrift: Oder ich bin angestellt und nebenbei selbstständig.
MA: Ja, das ist ganz schwierig mit dieser Doppelversicherungsproblematik. Oder man hat überhaupt einen interdisziplinären Job. Wenn man zum Beispiel zwei Gewerbescheine hat. In diesem Land braucht man ja wegen jedem Popatz einen Gewerbeschein. Das sollte einfacher sein. Neue Geschäftsideen machen die Stadt ja lebendiger. Wenn Leute nach Wien reisen, oder wir umgekehrt nach Berlin, London oder Amsterdam fliegen, dann sagt ja niemand zuhause: Du musst unbedingt auf die Mariahilfer Straße gehen und dir den tollen H&M anschauen. Die sagen. Wenn du schon in der Gegend bist, dann geh in die Zollergasse oder in die Theobaldgasse, und schau dir dort die nette Boutique oder das nette Kaffeehaus an. Das sind die Dinge, die eine Stadt lebenswert und spannend machen. Und nicht die Großen.
dieZeitschrift: Ist schon jemand von einer Partei oder von der WKO von sich aus an euch herangetreten?
MA: Es beginnt jetzt, dass gefragt wird, wer sind die, was ist das? Bei der letzten Veranstaltung haben wir ein Vernetzungstreffen mit anderen Initiativen gemacht. Mit dieser Protestgruppe gegen die Abschaffung des Gewinnfreibetrages, dann den Amici oder Selbstständiges Österreich. Da war auch der Niko Alm von den Neos da. Ich hab auch schon Gespräche mit jemandem aus der SPÖ geführt. Und ich höre über Umwege, dass sich die Wirtschaftskammer informiert. Das Interesse der WKO ist immer so ein doppeldeutiges. Zum Einen: Natürlich wollen sie wissen, was los ist. Zum Anderen ist es ein reines macht- und angstgetriebenes Fragen. Denn nächstes Jahr sind WKO-Wahlen. Der Wirtschaftsbund hat nur noch 50,4 Prozent in Wien. Diese knappe Mehrheit könnte fallen und dann sind millionenschwere Pfründe weg.
„Es sollte alles erlaubt sein, was nicht explizit verboten ist“
dieZeitschrift. Welche Gesetze hättet ihr gerne konkret geändert?
Österreich ist vollkommen überreguliert. Ein Credo von uns ist: Es sollte alles erlaubt sein, was nicht explizit verboten ist. Bei uns ist alles verboten, was nicht explizit erlaubt ist. Das ist absurd. Es muss genau umgekehrt sein. Es muss alles erlaubt sein. Und sollte man im Nachhinein drauf kommen, dass etwas gar nicht geht, kann man es noch immer verbieten oder regeln. Außerdem sind die Steuern und Abgaben viel zu hoch. Der erste Euro über dem Existenzminimum wird mit über 50 Prozent belastet. Das ist verrückt. Es wurde auch nicht registriert, dass sich die Arbeitsmodelle verändert haben. Bei den Selbstständigen, die jedes Monat dasselbe verdienen, funktioniert die Steuergesetzgebung ganz gut. Für die, die sich über Projektgeschäfte finanzieren, passt die Gesetzgebung überhaupt nicht. Die haben einmal ein gutes Jahr und dann wieder ein schlechtes. Man zahlt aber von dem guten Jahr die volle Steuer und kann so gut wie nichts mitnehmen. Man kann kaum Eigenkapital bilden.
dieZeitschrift: Wie könnte man das besser regeln?
MA: Man könnte auf ein skandinavisches Modell umsteigen. Da glaub ich tatsächlich, dass wir profitieren würden. Denn kein Staat würde sich trauen, vor allem die Geringverdiener mit 60-70 Prozent zu besteuern. Da gibt es ein Limit. Die Verlierer einer solchen Umstrukturierung wären sicher nicht die Versicherten sondern die Funktionäre in den Versicherungsanstalten. Es gibt den alten Satz: Wer sich nicht ändert, der wird verändert. Die WKO profitiert davon, dass es nur alle fünf Jahre Wahlen gibt. Aber 2015 sind Wahlen. Und wenn sie sich nicht anstrengen dann werden sich vielleicht die Mehrheiten ändern.
„Opfert fünf Minuten eurer Zeit für eine Chance“
dieZeitschrift: Trotzdem brauche ich bei den Wahlen eine Alternative.
MA: Ja. Wir planen auf jeden Fall eine Wählermobilisierungskampagne, damit wir von diesen nicht einmal 29 Prozent Wahlbeteiligung wegkommen. Davon profitieren natürlich die Funktionäre. Beim derzeitigen Wahlsystem mobilisieren Funktionäre ihr Umfeld, Fraktionen mit vielen Funktionären profitieren. Das muss sich ändern. Es gibt andere Fraktionen, die sagen, das könnte man besser machen. Aber keine dieser anderen Parteien wird alleine die Mehrheit haben. Es braucht eine Einigung zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Neos.
dieZeitschrift: Ihr habt mit diesen Parteien schon darüber gesprochen?
MA: Ja. Aber die drei müssen miteinander reden. Was wir versuchen werden, ist 10.000 bis 15.000 neue Wähler in diesen Wahlprozess zu bringen und ihnen sagen: Geht hin und opfert mal fünf Minuten eurer Zeit für eine Chance. Wie es ausgeht, wissen wir nicht. Aber die Amerikaner kommen immer wieder mit zwei Begriffen aus: Change and Hope. Was Anderes haben wir auch nicht.
Teil 1: Die Industriellenvereinigung ist nicht die Wirtschaft
Ende der Serie
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