Im ersten Teil der Serie berichtete dieZeitschrift über die Gründung der Selbstständigen-Initiative „Amici delle SVA“ und veröffentlichte Auszüge aus einem Interview mit zwei engagierten Amici, dem pensionierten Baumeister Robert Blazek und Steuerberater Andreas Knipp. Diesmal erzählen sie, warum die sich manche Parteien so schwer mit Selbstständigen tun ist und was sie Gründern empfehlen würden.
dieZeitschrift: Was haben Sie für Selbstständige in Karenz erreicht?
Blazek: Früher hat man Wochengeld und Karenzgeld bekommen und zum Teil gleich wieder an die SVA in Form von Beiträgen abgeführt. Das hat sich aufgrund des Drucks, den die Amici in die Öffentlichkeit getragen haben, geändert. Jetzt zahlt man während des Mutterschutzes keine und während der Karenz nur dann Sozialversicherungsbeiträge, wenn man über der Geringfügigkeitsgrenze ist.
dieZeitschrift: Wie und wo sollen sich Gründer informieren, um Fehler zu vermeiden?
Knipp: Bei der Wirtschaftskammer (WKO) gibt es eine Beratung für Gründer. Ich würde mir das einmal anhören, ohne mir zu viel davon zu erwarten. Bei der SVA gibt es einen Workshop, angeblich bringt der auch nicht viel. Dann würde ich den Leuten empfehlen, sich Broschüren herunter zu laden. Sehr gut ist der Gründerleitfaden vom Finanzministerium. Mit diesem Halbwissen sollte man einen Steuerberater konsultieren. Mittlerweile gibt es auch einen SVA-Ombudsmann, dem man per Mail Fragen stellen kann.
Blazek: Seit kurzem gibt es auch eine Facebook-Seite der SVA. Ich habe gehört, dass die sehr rasch Antworten gibt. Allerdings kann die Antwort nur die Qualität der Fragen widerspiegeln. Wenn jemand schreibt: ,He, ich verdiene kaum etwas. Wieso zahle ich Sozialversicherung?' Was soll der dann Antworten? Die Fragen an die SVA sollten schon fundiert und mit Unterlagen untermauert sein. Allerdings ist das oft wieder so kompliziert, dass man diese Angaben gar nicht geben kann. Um zu wissen, was wirklich wichtig ist, muss man schon Steuerberater sein.
„Häme und Gehässigkeit“
dieZeitschrift: Gibt es eigentlich Statistiken darüber, wie viele Selbstständige am Existenzminimum leben?
Knipp: Das ist schwierig. Die Statistiken der WKO beziehen sich auf die Mitglieder, und die haben einen Gewerbeschein. Es gibt viel mehr Selbstständige ohne Gewerbeschein.
Blazek: Es gibt etwa 300.000 Einpersonenunternehmen (EPU) in Österreich. Wie viele davon mit oder ohne Gewerbeschein sind, wissen wir nicht. Was ich aber sagen kann: wenn Sie nur 1000 € im Monat verdienen, bleiben Sie lieber unselbstständig. Wenn der Steuerberater im Jahr 2000 € kostet, dann bleiben im Monat nur noch 800 €. Da ist man schon an der Existenzgrundlage. Nur zu sagen, „ich bin Unternehmer, verdiene aber nichts,“ das funktioniert in der Realität nicht. In den Foren heißt es dann beinhart: „Wärst du halt unselbstständig geblieben“. Man darf aber nicht vergessen, dass viele Menschen vom Arbeitsmarkt in die Selbstständigkeit gedrängt werden.
dieZeitschrift: Die Leute sagen dann: ,wärst du lieber unselbstständig geblieben'?
Knipp: In den Foren kommt das immer wieder. Ein bisschen Häme oder Gehässigkeit. So nach dem Motto: Wenn du nichts zusammenbringst, dann werde nicht selbstständig.
dieZeitschrift: Sind alle Selbstständigen bei der SVA versichert?
Knipp: Pflichtversichert sind Gewerbescheininhaber, Gesellschafter und Geschäftsführer von GmbHs. Alle anderen Selbstständigen sind erst bei der SVA versichert, wenn sie eine gewisse Einkommensgrenze überschreiten. Das ist die berühmte Geringfügigkeitsgrenze mal zwölf, also in etwas 4500 €. Wer mehr Gewinne als diesen Betrag hat, ist SVA-pflichtig.
„Selbstständige haben kein Druckmittel“
Factbox
dieZeitschrift: Was ist mit den Scheinselbstständigen?
Knipp: Die Krankenkassen machen natürlich Prüfungen. Da ist der wahre Inhalt wichtiger als die Form. Da kann also auf einem Blatt Papier hundert Mal oben drauf stehen: Werkvertrag. Aber in Wirklichkeit hat jemand einen eigenen Schreibtisch in den Räumen des Auftraggebers und fixe Arbeitszeiten. Oder im schlimmsten Fall sogar ein eigenes Büro und einen Nine-to-Five-Job. Alles ist wie bei einem Angestellten, nur am Papier steht selbstständig drauf. Das ist dann der typische Fall, wo die Krankenkasse rückwirkend umqualifiziert. Das kann ziemlich teuer für den Auftraggeber werden, der dann zum Dienstgeber wird.
Blazek: „Bei Architekten ist es oft so, dass er nur für ein Projekt genommen wird. Wenn das ausgelaufen ist, schaut der Architekt sich wieder nach einem anderen Projekt um. Das ist prinzipiell nicht Ehrenrühriges. Gleichzeitig kann der Mitarbeiter von Anderen Aufträge annehmen.“
dieZeitschrift: Gibt es für die Neuen Selbstständigen Unterstützung von Seiten der Politik?
Knipp: Beim letzten Wahlkampf wurde zumindest Verständnis gezeigt, insbesondere von den NEOS und den Grünen. Und ein bisschen vom SVW, dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband. Das Problem bei den Roten, vor allem bei Gewerkschafts- und Arbeitnehmerseite ist: die können mit Selbstständigen nichts anfangen. Die Schwarzen wiederum vertreten eher die größeren Unternehmer. Aber der Wirtschaftsbund und die Industrieellenvereinigung, die haben für die ganz Kleinen...
Blazek: ...eher nur ein Lächeln über. Das Interesse aller Parteien im letzten Wahlkampf ist darauf zurückzuführen, dass die EPUS sich plötzlich rühren. Doch eine gewerkschaftliche Vertretung ist unmöglich. Gewerkschaften haben das Druckmittel: „Wir hören auf zu arbeiten.“ Selbstständige haben kein Druckmittel.
dieZeitschrift: Es kann doch nicht im Interesse des Staates sein, dass möglichst viele EPU in Konkurs gehen.
Blazek: Das ist auch nicht im Interesse des Staates, dass die kleinen EPU in den Konkurs getrieben werden, sobald sie mit den Zahlungen etwas ins Hintertreffen geraten. Geschieht aber trotzdem immer wieder. Selbst wenn Liquidität vorhanden ist! Ich kenne da zwei Fälle, wo man das durch einfache Telefonate verhindern hätte können. Aber das ist nicht nur die SVA.
Knipp: „Diese Leute beziehen nach dem Konkurs Arbeitslosengeld, und das kostet den Staat noch mehr.
Serie, Teil 2