Im ersten und zweiten Teil der Serie berichtete dieZeitschrift über die Gründung der Selbstständigen-Initiative „Amici delle SVA“ und veröffentlichte Auszüge aus einem Interview mit zwei engagierten Amici, dem pensionierten Baumeister Robert Blazek und Steuerberater Andreas Knipp. Diesmal sprechen sie über die hohen SVA-Überzugszinsen, Krankengeld für Selbstständige und die Urabstimmung über den Selbstbehalt.
dieZeitschrift: Seit kurzer Zeit gibt es Krankengeld für Selbstständige. Wie beurteilen Sie das?
Blazek: Ja, das gibt es. Aber dieses Krankengeld ist eine Effekthascherei. Wenn ich 42 Tage krank bin und nicht verhungere, dann bin ich aber nachher bankrott.
dieZeitschrift: Warum kriegt ein Selbstständiger erst am 42. Tag Krankengeld?
Blazek: Das ist auch ein bisschen historisch zu sehen. Auch die Unselbstständigen kriegen erst nach 42 Tagen von der Krankenkasse Krankengeld. Davor zahlt es – naja - wir tun so, als ob das der Arbeitgeber zahlen würde, in Wirklichkeit der Kunde. Zeiten von Krankheit werden bei der Ermittlung des Bruttomittellohnpreises – nicht lachen, so heißt das, bedeutet der Verkaufspreis einer Stunde – mit einberechnet. Und damit wird der Preis der Ware oder der Dienstleistung berechnet. Aber ein kleiner EPU sagt: ,Ich arbeite eh selber, 15 € Stundenlohn genügen.' Das ist Blödsinn. Ich habe mir ausgerechnet, dass ein Angestellter so in etwas 28 € pro Stunde kostet, ohne Gewinnaufschlag!
dieZeitschrift: Was sagen Sie zur Doppelversicherung bei der Krankenversicherung? Man kann doch nicht gleichzeitig zweimal krank sein?
Blazek: Das ist ein Mythos. Sie sind nicht doppelt versichert. Sie zahlen einen Prozentsatz vom Unselbstständigen- und einen Prozentsatz vom Selbstständigen-Einkommen. Das geht auch nur bis zur Höchstbemessungsgrundlage. Man zahlt einfach von den Beträgen, die man verdient hat, prozentuell Krankenversicherung. Meiner Meinung nach ist das gerecht. Viele sind auch neben der SVA bei anderen Kassen versichert. Wer es sich beim Arzt aussuchen kann, nimmt meistens die ASVG, weil die ohne Selbstbehalt ist. Das ist natürlich gut für die SVA: die kriegen die Beiträge, müssen aber nichts für den Arztbesuch zahlen.
„Was ist besser? Pest oder Cholera?“
dieZeitschrift: Über den Selbstbehalt hat es eine Urabstimmung gegeben.
Blazek: Ja, die Mehrheit hat für den Selbstbehalt gestimmt. Die Frage war aber nicht: ,Sollen wir einen Selbstbehalt machen oder nicht?' Sondern es wurde gefragt: ,Sollen wir einen Selbstbehalt machen oder wollen Sie lieber höhere Beiträge zahlen?' Die Mehrzahl sagt: ,Ich bin eh nie krank. Bleiben wir lieber beim Selbstbehalt'. Da war die Frage, was ist besser? Pest oder Cholera?
DieZeitschrift: Die Verzugszinsen bei der SVA sind immens hoch. Gibt es eine Möglichkeit der Herabsetzung?
Knipp: Die eigentlichen Verzugszinsen sind circa 8 Prozent p.a. Diese werden aus dem von der Nationalbank bekanntgegebenen Basiszinssatz und einem Aufschlag von 8 Prozent errechnet. Die SVA darf laut Gesetz die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn die wirtschaftliche Existenz des Beitragsschuldners gefährdet wäre oder wenn es sich nur um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt.
Blazek: Ich habe bezüglich der „Gefährdung der Existenz des Beitragsschuldners“ eine Anfrage an die SVA gestellt, was das denn sein könnte. Als Beispiel für eine Herabsetzung der Zinsen wurde mir eine länger dauernde Erkrankung oder das Wegbrechen eines großen Kunden genannt.
Knipp: Ein weiteres Problem ist die Hinzurechnung der vorgeschriebenen Beiträge bei der SVA in Stundungsfällen. Das ist ein bisschen kompliziert. Zur Ermittlung der SVA-Beitragsgrundlage, werden zum Gewinn laut Einkommenssteuerbescheid die vorgeschriebenen SV-Beiträge hinzugerechnet. Wenn nun ein Einnahmen-Ausgaben-Rechner - mit den SVA-Zahlungen über einen Jahreswechsel hinweg im Verzug ist, wird das in dem betreffenden Jahr nicht als Betriebsausgabe gerechnet, weil er diesen Betrag ja auch nicht eingezahlt hat. Er muss aber dennoch die im Gesetz vorgesehene Hinzurechnung tragen. Das führt zum perversen Ergebnis, dass die Ermittlung der SV-Beiträge nicht auf Basis erzielter Gewinne, sondern theoretischer Gewinne unter Hinzurechnung der nichtbezahlten Beiträge erfolgt. Wird der Rückstand im nächsten Jahr abgebaut, kehrt sich das Ganze um. Dann werden die Zahlungen als einkommensmindernd angerechnet, das könnte aber in einem Jahr sein, wo durch zu geringem Gewinn gar keine Steuer zu zahlen ist und man hat daher keinen Vorteil, wo vorher Nachteil. Im Extremfall rutscht der Gewinn unter die Mindestbeitragsgrundlage der SVA und man bezahlt SVA-Beiträge, die im anderen Jahr nicht ausgeglichen werden. Diese Vorgangsweise hat das Höchstgericht als verfassungsrechtlich unbedenklich erkannt, offenbar aufgrund des Ausgleichs im Zeitraum vom Entstehen des Rückstandes und dessen gänzlichem Abbau.
„Da kommen eigentlich immer die selben Leute“
dieZeitschrift: Bei euren Demos und Flashmobs sind noch sehr wenige Teilnehmer.
Knipp: Da kommen eigentlich immer die selben Leute.
Blazek: Das ist zäh. Wir haben weit über 5000*) Mitglieder. Bei einem Flashmob sagen fünfzig: ,Wir sind da.' Zwanzig kommen dann wirklich. Das ist in Österreich leider noch immer so: Nur wenn es mir ganz schlecht geht, stehe ich auf. Aber selbst den Hintern hoch zu kriegen, wenn es anderen schlecht geht, dazu ist heute keiner mehr bereit. Aber eines haben wir erreicht: Mittlerweile wird mit uns gesprochen. Und einige wichtige Eckpunkte wurden ja auch schon umgesetzt.
) *Anmerkung der Redaktion: Nicht zuletzt durch die Berichterstattung von dieZeitschrift.at ist die Zahl der Mitglieder nun bereits auf über 7000 angestiegen.
Ende der Serie