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Wirtschaftskammerwahl

„Wir werden ganz, ganz lästig sein“

Donnerstag, 15. Januar 2015
Die NEOS/UNOS treten 2015 erstmals bei den Wirtschaftskammerwahlen an. Der UNOS-Landeskoordinator für Wien, Markus Ornig, erklärt im Interview mit dieZeitschrift, warum er die Pflichtmitgliedschaft abschaffen möchte, welche bürokratischen Steine den UNOS im Vorfeld in den Weg gelegt wurden und wieso er die NEOS für die EPU-freundlichste Partei Österreichs hält.

Markus Ornig ist Landeskoordinator der UNOS-Unternehmerisches Österreich (NEOS) für Wien. Der selbstständige Event-Manager engagiert sich seit zwei Jahren für die NEOS und kennt die Probleme der Selbstständigen aus eigener Erfahrung. Wenn die UNOS ins Wirtschaftsparlament gewählt werden, verspricht er, dass sie den alteingesessenen Fraktionen mit Reformvorschlägen und der Forderung nach Transparenz kräftig auf die Nerven gehen werden.

dieZeitschrift: In einem Gastkommentar haben Sie geschrieben: „Wir sind Unternehmer und keine Almosenempfänger.“ Wie haben Sie das gemeint?
Ornig: In dieser Aussage geht es um die SVA (Anm.: Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft). Der neue SVA-Obmann Alexander Herzog hat sich ja über das schlechte Image der SVA beklagt und sieht den Grund darin, dass viele Maßnahmen wie z. B. Nothilfefonds oder Stundungsmöglichkeiten bei den Mitgliedern nicht bekannt seien. Das Grundproblem ist aber ein anderes: Man wird von der SVA und von der WKO wie ein Bittsteller und nicht wie ein zahlender Kunde behandelt. Wir brauchen aber keine Almosen, sondern effiziente Leistungen. Derzeit finanzieren wir Unternehmer in beiden Organisationen dort ein monarchisches System, dass nach dem Motto „Zahl ein, der König wird es schon richten“ agiert.

„Manche schnapsen sich am Tisch aus, wer welche Mandate kriegt“

dieZeitschrift: Und, richtet es der König?
Ornig: Eben nicht. Die WKO ist aus Innungen im Mittelalter entstanden. Damals haben sich Berufsgruppen zusammengetan, um ihren Berufsstand weiterzubringen. Das Unternehmertum hat sich komplett gewandelt, Struktur, Leistungsangebot und das Wahlsystem sind aber gleich geblieben. Es ist ein Wahnsinn, dass das WKO-Wahlsystem in einer europäischen Demokratie überhaupt noch existiert.

dieZeitschrift: Wie würden Sie dieses Wahlsystem in zwei, drei Sätzen erklären?
Ornig: (lacht) Meine Gegenfrage wäre: Wie viel Zeit haben Sie? Es ist extrem kompliziert und es gibt so viele verschiedene Sonderregelungen, zum Beispiel die Friedenswahlen.

Was ist das?
Ornig: Es gibt bestimmte WKO-Sparten, die gar nicht wählen. Zum Beispiel die Sparte Industrie sowie die Sparte Banken und Versicherungen. Die Leute aller bestehenden Fraktionen setzen sich an einen Tisch zusammen und schnapsen sich aus, wer welche Mandate kriegt. Das ist undemokratisch und grenzt neue Listen aus.

„Wir treten in 33 Fachgruppen an“

UNOS / NEOS
Unos / NEOS
Das Team

dieZeitschrift: Das betrifft ja vor allem die NEOS bzw. UNOS. Wie reagieren Sie darauf?
Ornig: Wir hatten zwei Möglichkeiten: Entweder wir lassen uns auf diese Friedenswahl ein und erhalten Mandate oder wir stellen uns der Wahl und führen mit viel Geld und Aufwand einen Wahlkampf. Nachdem uns aber dafür die Ressourcen fehlen, haben wir uns auf die Friedenswahlen eingelassen weil wir von innen heraus verändern wollen.

dieZeitschrift: Was stört Sie abgesehen von der Friedenswahl noch am Wahlsystem?
Ornig: Das ganze Wahlsystem der WKO ist nur auf Machterhalt aufgebaut. Und über die Schwierigkeiten und Hürden, mit denen man als neue Fraktion zu kämpfen hat, könnten wir ein Buch schreiben.

Die Zeitschrift: Sie haben es trotzdem geschafft, dass die NEOS antreten dürfen.
Ornig: Ja, in Wien sogar mit 150 Kandidaten und Kandidatinnen in 33 Fachgruppen. Das ist wirklich eine Sensation. Das ist nur dem NEOS-Spirit zu verdanken. Wir sehen uns als Bewegung, nicht als Partei. Wir haben überhaupt kein Geld für diesen Wahlkampf, wir müssen alles vorfinanzieren. Unsere Leute sind unentgeltlich gerannt, um die benötigten Unterschriften zusammen zu kriegen.

„Unser Budget besteht hauptsächlich aus Idealismus“

dieZeitschrift: Wie werden Sie ohne Budget werben?
Ornig: Unser Budget besteht hauptsächlich aus Idealismus. Wir werben dort, wo es nicht viel kostet. Wir nutzen zum Beispiel die Social Media-Kanäle.

dieZeitschrift: Wenn die NEOS in der WKO mitbestimmen dürften, was wären die wichtigsten Punkte, die Sie für EPUs ändern würden?
Ornig: Ich kann mit dieser Unterteilung in EPUs und KMUs wenig anfangen. Ein Unternehmer ist ein Unternehmer, egal, ob er alleine ist oder ein paar hundert Mitarbeiter hat.

dieZeitschrift: Diese Differenzierung stammt ja nicht von mir. Ich erinnere an die Aussage von Fritz Amann, (Anmerk. Ex-WKO-Vize (FPÖ), der wegen dieser Aussage zurücktreten musste) der EPUs als verkappte Arbeitslose bezeichnet hat.
Ornig: Diese Aussage ist und war völlig schwachsinnig und Herr Amann ist völlig zu Recht zurückgetreten. Jemand mit dieser Haltung, hat in der WKO nichts verloren. Das Problem ist nur, dass sehr viele Wirtschaftsbund-Funktionäre hinter vorgehaltener Hand die gleiche Ansicht vertreten. Nahezu jeder Unternehmer fängt zumeist als EPU an. Wir haben mit Niko Alm einen sehr engagierten EPU-Sprecher im Nationalrat. Außerdem sind 64 Prozent aller UNOS-Kandidaten in Wien EPUs.

„Ich bin selbst ein Betroffener“

dieZeitschrift: Auch wenn Sie den Begriff „EPU“ in diesem Kontext nicht so gerne verwenden, ist es trotzdem so: Ein EPU hat komplett andere Probleme als ein Großunternehmer. Zum Beispiel das Verhältnis Einnahmen und SVA-Beiträge. Oder dass diese Leute sich mit Buchhaltung und Bürokratie abplagen müssen, obwohl sie ganz andere Kernkompetenzen haben.
Ornig: Klar haben EPUs andere Probleme. SVA-Beiträge und Bürokratie sind für EPUs eine enorme Belastung. Aber die Probleme werden noch viel größer, wenn man Mitarbeiter einstellt. Der Unternehmer braucht gerade dabei gute Beratung. Ich bin selber ein Betroffener. Ich habe eine Eventagentur und muss für drei Fachgruppen Mitgliedsbeitrag zahlen die nicht einmal in ein und derselben Sparte sind. Es müssen endlich Reformen her.

dieZeitschrift: Die NEOS treten auch für ein Ende der Pflichtmitgliedschaft ein.
Ornig: Genau: Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir möchten, dass ein Unternehmer frei entscheiden kann, wer ihn vertritt. Unser Vorschlag wäre als erster Schritt ein Opting-out für EPUs bis 2019 und dann in weiterer Folge die Anpassung aller anderen Betriebe. Dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Und die Kammerumlage II gehört endlich abgeschafft. Die wurde 1972 temporär von Rudolf Sallinger zur Unterstützung von Klein- und Mittelbetrieben eingeführt. Es gibt sie heute noch. Ich bezweifle, dass dieses Geld heute den EPUs zugute kommt.

„Wir werden das Zünglein an der Waage sein“

dieZeitschrift: Alleine werden die UNOS aber nicht allzu viel bewirken können. Wie schaut es denn mit zukünftigen Koalitionen aus?
Ornig: Warten wir mal die Wahl ab. Ich bin aber optimistisch, dass dank UNOS die Mehrheit des Wirtschaftsbundes in Wien fallen wird. Wir werden das Zünglein an der Waage sein.

dieZeitschrift: Aber ein bisschen werden die NEOS schon von den Roten umgarnt, oder?
Ornig: Es gibt Gespräche in diese Richtung mit der Grünen Wirtschaft und dem SWV (Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband) im Rahmen einer Kooperation zur Steigerung der Wahlbeteiligung (Initiative neue Wirtschaft). Ich persönlich möchte die FPÖ nahen Listen nicht unbedingt in einer Koalition mit uns sehen, aber die haben sich bisher ohnehin nicht darum bemüht. Solange es bei uns noch keinen präsidialen Beschluss gibt, ist alles offen. Was ich aber versprechen kann: Wir werden ganz, ganz lästig sein. Das Transparenz-Thema ist uns extrem wichtig. Wir werden sagen: „Offen legen, offen legen, reformieren, reformieren.“

„Die Kammer setzt auf Brot und Spiele“

dieZeitschrift: Die Leute müssen die WKO aber auch als Interessenvertretung verstehen. Bei Gesprächen mit Selbstständigen habe ich meistens den Eindruck, dass die WKO nicht als Dienstleister wahrgenommen wird, sondern als eine Institution, die einem das Leben zusätzlich schwer macht.
Ornig: Man kann in der WKO auch nicht alles über einen Kamm scheren. Die Abteilungen „Außenwirtschaft“ oder „Gründerservice“ arbeiten zum Beispiel sehr gut. Es hängt wie so oft im Leben auch von den handelnden Personen ab. Leider entfernt sich die Kammer immer mehr davon, Dienstleister zu sein und setzt nur mehr auf Brot und Spiele. Mit den Einnahmen aus Zwangsbeiträgen werden extrem viele Events und Werbekampagnen zur Selbstbeweihräucherung finanziert. Das ist nicht gut, und das sage ich als jemand aus der Werbebranche, der von Events lebt. Mit diesem Geld könnte man auch beginnen, die Kammer zu einer modernen und serviceorientierten Organisation umzubauen, dann müssen wir UNOS nicht mehr so lästig sein (lacht).

unos.eu

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