Eigentlich ist „Pension Europa“ kein Theaterstück, sondern eine Gesprächsrevue mit Charme und Komik. Fünf Frauen tragen hautfarbene Unterwäsche, stehen auf einer kargen Bühne. Sie sind offensichtlich unter sich, agieren entspannt, erzählen sich von Alltäglichem: Von Muttermalen, die mit Schamhaaren zur Biopsie geschickt werden, von Urlaubsliebschaften in Ägypten und von ihren Lieblingsfernsehserien.
Vom Regisseur Martin Gruber ist man aber gewohnt, dass seine Stücke meistens scharf, manchmal skurril und oft irritierend sind. So ist es auch diesmal. In seiner 56. Theaterproduktion lauern hinter anscheinend harmlosen Plaudereien über exotische Akzente: Rassismen, hinter verbaler Selbstgeiselung ein großes Ego, hinter lustigen Anekdoten Sexismus und hinter harmlosen Fragen Vorurteile. Eine verdichtete Bestandsaufnahme vieler Alltagsrealitäten ohne Theaterklimbim. Es „theatert“ nur kurz im Stück, nämlich wenn Aisha Eisa von der Sehnsucht nach dem Paradies singt.
Europa
Martin Gruber gründete das aktionstheater vor 25 Jahren in Vorarlberg. Seit acht Jahren arbeiten an den Texten Schauspieler und Autoren gemeinsam. Auch für das Theaterstück „Pension Europa“ erarbeitete Gruber die Texte im Kollektiv. Diese beruhen teilweise auf tatsächlichen Erlebnissen der Akteurinnen und wurden nur mit ein paar Lügen „verfremdet“. Man interviewte sich gegenseitig, stellte sich Fragen zu den Themen Europa, Frieden und auch Grenzen. Lotete sich selbst aus. Suchte nach seinen eigenen Grenzen. Aus den individuellen Assoziationen, von als fest geglaubten Begriffen, entstanden jedoch Monologe, die die Brüche in Persönlichkeiten und auch in Europa aufzeigen.
Dessousladen
Über das aktionstheater
Heuer feierte, das vom Regisseur Martin Gruber gegründete, aktionstheater sein 25-jähriges Bestehen. Für das Stück „Drei Sekunden“ erhielt es 2014 den Heidelberger Theaterpreis.
Dass die Frauen in hautfarbener Unterwäsche spielen, war eine gemeinsame Entscheidung. Die spärlichen Kostüme kauften sie einem Dessousladen. „Die Verkäuferin dachte wohl, ich sei ein Puffvater“, sagt Martin Gruber.
„Ich wollte auf der visuellen Ebene eine Entsprechung finden, für die Purheit und Nacktheit der Gespräche. Es geht um die Intimität, wenn Menschen unter sich sind. In dieser wohligen Atmosphäre darf man eben ganz tief sein, schamlos plaudern und lange labern.“ Das Regulativ der Gesellschaft fehlt. Trotzdem keimt in den Protagonistinnen schlechtes Gewissen auf. Dieses wird sofort von den Anderen nieder gemacht, entschuldigt oder übertrumpft.
Man könnte sich an einen Stammtisch setzen, Unterhaltungen in den Öffis lauschen und würde ähnliche Gespräche hören. Aber dann würde man die großartigen Schauspielerinnen und schöne Stimme der Sängerin Aisha Eisa in eine fantastischen Produktion versäumen.
"Pension Europa":
16. und 17. Dezember 2014, 20.00 Uhr
12., 13., 14 Januar 2015, 20.00 Uhr
Karten ab 10 Euro: reservierung@werk-x.at oder telefonisch unter 01 535 32 00 11
WerkX - Eldorado,
Petersplatz 1,
1010 Wien