Das bunte T-Shirt, das sie trägt, hat Esther Weinberger aus fünf alten Leiberln geschneidert. Und die beige Jacke, die ihr zu kurz war, peppte sie mit einem grün gemusterten Stoff wieder auf.„Ich habe das Handwerk nie wirklich gelernt, mein Zugang zum Nähen ist sehr simpel,“ gibt die Klamottenkünstlerin zu. „Daher gibt es bei mir keine Vorschriften, es wird gleich in den Stoff geschnitten.“ Auf Schnitt zeichnen, heften und stecken verzichtet sie gerne.
Ihr Nähcafé ist nicht das einzige in Wien, hat aber ein einzigartiges Konzept. Weinberger kauft fast kein Material, sondern verwendet alte Kleidungsstücke, um daraus Neue anzufertigen. „Ich habe schon als Kind genäht. Meine Mutter hat bereits alte Kleidungsstücke umgeschneidert, zum Teil aus der Not heraus. Ich habe mein ganzes Leben lang Vorhandenes wieder verwertet, auch beim Kochen.“
„Grundkenntnisse sind nicht erforderlich“
Die ehemalige Sozialarbeitern beschloss im Alter von fünfzig Jahren, ihr Hobby zum Beruf zu machen. „Ich habe gekündigt und mich als Designerin selbstständig gemacht.“ An Anfang nähte sie Kleidung aus textilen Abfallprodukten und verkaufte die Stücke. „Ich konnte aber nicht soviel produzieren, damit es zum Leben reicht. Dann habe ich mit Workshops angefangen, und die wurden sehr gut aufgenommen.“ Kaufen kann man ihre Stücke heute nur noch in dem kleinen Upcycling Design Store Auferstanden in Wien-Neubau. Für die, die lieber selber Hand anlegen wollen, stellt Weinberger im Nähcafé Nähmaschinen, Materialien und ihr Knowhow zur Verfügung.
„Grundkenntnisse sind nicht erforderlich. Es kommen viele Leute, die noch nie genäht haben. Andere haben Erfahrung und besitzen auch eine Nähmaschine, aber sie wollen den Austausch mit anderen, weil ihnen das mehr Spaß macht.“ Jeder, egal ob Anfänger oder Fortgeschrittene, würde nach dem Workshop mit mindestens einem selbst gemachten Einzelstück nach Hause gehen.
Mit der Nähmaschine auf der Bühne
Factbox
Nähcafé Klamottenkunst
Ottakringer Straße 63
1160 Wien
Öffnungszeiten: Jeden Donnerstag von 16:30-21:00
und einmal monatlich Freitag, Samstag und Sonntag
Keine Voranmeldung
Auferstanden
Neubaugasse 86
1070 Wien
Termine und Preise für das Nähcafé:
klamottenkunst.at
Weinberger ist samt Atelier mehrmals in verschiedene Lokale umgezogen, einige Zeit nähte sie sogar in einem Kaffeehaus auf der Bühne. Seit Jänner 2014 hat die Designerin einen Raum in der Recycling-Kosmos-Zentrale in Wien-Ottakring bezogen. Der Platz reicht aber nicht, um ihr gesamtes Material unterzubringen. „Früher habe ich mir die alten Textilien auf Flohmärkten oder bei Humana besorgt, mittlerweile kriege ich fast mehr, als ich lagern kann.“ Seit die ORF-Sendung Konkret über Weinbergers Nähcafé berichtet hat, bringen ihr viele Leute alte Textilien, Knöpfe, Bänder und Spitzen vorbei.
Kommen auch manchmal Männer in ihre Workshops? Weinberger lacht. „Ganz selten. Und dann wollen sie meist nichts Neues machen, sondern etwas Altes reparieren.“