Alexandra Gruber
Mikrostaaten

Jeder ist ein Präsident

Freitag, 28. Februar 2014
Mikronationen schießen vor allem seit dem Internetzeitalter wie Pilze aus dem Boden. Hinter manchen der kleinen Phantasie-Gebilde stehen auch ernsthafte Interessen. Warum eine kleine Insel in Florida den USA für eine Minute den Krieg erklärte, welches Königreich die BBC gründete und wie man ganz einfach Marsbewohner werden kann.
Key West; Mikronationen
Alexandra Gruber
Paradies für Aussteiger

Den Bewohnern von Key West wurde schon immer eine gewissen Exzentrik nachgesagt. Kein Wunder, galt der südlichste Zipfel Floridas lange als Eldorado für Aussteiger, Hippies, Künstler, Homosexuelle und Drag Queens. Auch Tennessee Williams und Ernest Hemingway wirkten auf der Insel mit dem tropischen Klima und der vorherrschenden unkonventionellen Einstellung.

Am 23. April 1982 hatten sich die Bewohner mit trockenem Brot bewaffnet, riefen ihre eigene Republik aus und erklärten den USA den Krieg. Die Conch Republik, wie die Inselbewohner ihre Mikronation nannten, war eigentlich eine Protestbewegung gegen errichtete Grenzkontrollen auf dem Highway. Key West ist nur 145 Kilometer von Kuba entfernt und war daher immer ein beliebtes Ziel für Flüchtlinge.

Der neue „Staat“ existierte genau eine Minute, dann kapitulierte die Conch Republik und forderte Geld für den Wiederaufbau. Die „Staatsgründung“ war dennoch sehr erfolgreich. Die Grenzkontrollen verschwanden, bis heute wird die Republik einmal im Jahr tagelang gefeiert, und die skurrilen Schlagzeilen waren dem Tourismus wahrscheinlich sehr förderlich.

Virtuelles „Staatsgebiet“

Mikronationen gibt es wie Sand am Meer. Nicht jede ist so erfolgreich wie die Conch Republik. Oft erstreckt sich ihr „Staatsgebiet“ nur auf wenige Quadratmeter, oder sie existieren ausschließlich virtuell im Internet. Mikronationen stellen Dokumente aus, machen Passkontrollen, werben „Einwohner“ an, drucken Briefmarken oder führen eine eigene Währung ein. Dahinter stecken von ernsthaften Anliegen, religiösen Wahnvorstellungen bis zum bloßen Spaßfaktor alle möglichen Interessen. Was sie gemeinsam haben: Souveräne Staaten erkennen sie nicht an und nehmen sie nur in den seltensten Fällen ernst.

1967 wurde etwa das Fürstentum Sealand in der Nordsee gegründet. Der ehemalige englische Major Paddy Roy Bates besetzte die verlassene britische Militärbasis mit seiner Familie, um einen Piratensender zu gründen. Er erkläre sich selbst zum Fürsten Roy, seine Frau zur Fürstin und seinen Sohn zum Prinzen. Sein Gesicht ließ er auf Briefmarken drucken. Der Radiosender wurde nie in die Tat umgesetzt, doch Zeit seines Lebens kämpfte Bates um die Anerkennung des „Ministaates“, in dem wahrscheinlich nie mehr als zehn Menschen lebten. Bates kämpfte mit Rechtsanwälten und Waffen für die Souveränität von Sealand. Das Gericht befand schließlich, dass es für ein Gebiet auf hoher See kein Recht sprechen dürfe und erkannte die Mikronation damit indirekt an. Diese Gesetzeslücke wurde allerdings 1982 von den Vereinten Nationen geschlossen.

Botschaft in der eigenen Wohnung

Im Zusammenhang mit der BBC-Show „How to start your own country“ erschuf der Komiker Danny Wallace das Kindom of Lovley. Das Staatsterritorium bestand aus Wallace's Wohnung, aber alle Einwohner des Kingdom of Lovley hatten die Erlaubnis, Botschaften in ihren eigenen Wohnungen zu errichten. Das Königreich hielt sich, bis die Show abgesetzt wurde und noch einige Zeit danach. 2013 schloss die BBC die Website des Reiches. In wenigen Foren und Chatrooms wurde das *Kingdom von ein paar besonders treuen Bürgern noch eine Weile weitergeführt.

Die Republik Saugeais liegt in Frankreich nahe der Schweiz und besteht hauptsächlich aus einer Räucherei, einem Restaurant, der Präsidentin und zwei Rentnern, die ab und an „Grenzkontrollen“ durchführen. Die Spaß-Republik entstand 1947, als der Landstrich vom Präfekten des Départements besucht wurde. Der ernannte während eines gemeinsamen Mittagessens den Patron Georges Pourchet zum „Präsidenten“. Pourchet verstarb 1968. Heute führt seine Tochter Georgette die Geschäfte. Eine lebensechte Puppe stellt in der Räucherei Passierscheine aus.

„Republik Kugelmugel“ im Prater

Die einzige bekannte Mikronation Österreichs steht heute im Prater in der Nähe des Riesenrades. Die „Republik Kugelmugel“ besteht aus einer begehbaren Kugel mit einem Durchmesser von rund acht Metern. Der Fotograf Edwin Lipburger hatte 1971 in der Ortschaft Katzelsdorf in Niederösterreich Kugelmugel zur „Republik“ ausgerufen und ernannte sich selbst zum Präsidenten. Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten wurde Lipburger sogar zu zehn Wochen Haft verurteilt. Seit 1982 steht die Kugel auf Betreiben des damaligen Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk im Prater. Die Republik Kugelmugel soll etwa 600 Bürger haben.

Wer schon immer auf dem Mars leben wollte, kann das zumindest virtuell tun. Eine deutsche Internetplattform nennt sich „Marsregierung“. Mit wenigen Mausklicks ist es möglich, die marsianische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Wer dahinter steckt, wird nicht verraten, die Verfassung der „Klerostokratischen Republik Mars“ klingt aber sehr friedliebend und demokratisch.

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