Ela Angerer
Online-Magazin

„Mich korrumpieren nur die Leser“

Sonntag, 9. November 2014
Der Wiener Journalist Michael Hufnagl verkauft die Inhalte seiner Webseite und verzichtet im Gegenzug auf Werbung. Wie das funktionieren soll, erzählt er im Interview mit dieZeitschrift.

Sind Menschen bereit, für journalistische Inhalte im Internet zu bezahlen? Der ehemalige KURIER-Redakteur Michael Hufnagl arbeitet daran, diese Frage mit einem „Ja“ zu beantworten. Seit ein paar Wochen befüllt der Wiener seine Webseite michael-hufnagl.com täglich mit Reportagen, Interviews, Kommentaren und Kolumnen. Auf Werbung verzichtet er bewusst und versucht stattdessen als einer der ersten in Österreich, seine Arbeit ausschließlich mit dem Verkauf von Abos zu finanzieren.

dieZeitschrift: Ist die Webseite dein Hauptjob?

Michael Hufnagl: Das wäre mein Traum. Im Moment kann ich noch nicht davon leben und habe diverse Nebenjobs bei anderen Medien.

dieZeitschrift: Mit wieviel verkauften Abos könntest du ausschließlich von deiner Webseite leben?

Michael Hufnagl: Das kommt natürlich auf den Lebensstandard an, der einem vorschwebt. Bei 1000 Abonnenten würde ich ungefähr 4500 € verdienen. Brutto, eh klar. Aber wenn ich 500 habe, wäre das auch schon toll.

„Gelegentlich verschenke ich Content“

Journalist und Autor Michael Hufnagl
Ela Angerer

dieZeitschrift: Wieviele Abonnenten hast du derzeit?

Michael Hufnagl: Zwischen zwei- und dreihundert. Ich zähle nicht jeden Tag nach. Die Einmonats-Abos rechne ich auch noch nicht wirklich dazu. Viele schauen sich das Ganze mal an, und davon bleiben mir ungefähr ein Drittel als Leser erhalten.

dieZeitschrift: Nachdem du deinen Content nicht gratis hergibst, stellt sich die Frage, wie du deine Webseite bewirbst.

Michael Hufnagl: Meine Strategie ist es, Content nur gelegentlich zu verschenken. Auf Facebook zum Beispiel. Das ist eine besonders aufmerksame Lesergemeinde. Manchmal übernimmt der Standard etwas von mir. Eine Onlineredakteurin, die unter anderem für Gastautoren zuständig ist, hat bei mir ein Abo. Wenn ihr etwas gefällt, fragt sie, ob sie es für den Online-Standard übernehmen darf. Dann stelle ich den Artikel frei, der Standard übernimmt ihn und verweist dann auf meine Webseite. Honorar bekomme ich keines, aber Werbung für meine Seite.

dieZeitschrift: Hast du dadurch Zuwächse bemerkt?

Michael Hufnagl: Natürlich. Eine Kolumne von mir hatte beim Standard viele tausend Zugriffe. Nur die wenigsten Leser registrieren zwar, dass da unten noch was von Autor und eigener Webseite dabeisteht. Und die, die es tun, müssen auch erst einmal aktiv werden. Aber steter Tropfen höhlt den Stein.

„Im Moment schreibe ich für 250 Leute“

dieZeitschrift: Wann und wie hast du angefangen?

Michael Hufnagl: Seit 15. September 2014 bin ich online. Als ich noch KURIER-Redakteur war, habe ich einen satirischen Wochenrückblick geschrieben. Das mache ich auf meiner Webseite nun auch, das waren meine ersten Einträge. Als nächstes habe ich von meinen vielen Texten eine Kolumne über das Rauchen und eine Reportage über die Hauptbibliothek öffentlich freigeschalten. Diese ersten Artikel habe ich eine Woche nach Veröffentlichung auf Facebook und Twitter geteilt. Das hat sehr gut funktioniert, aber ich muss sparsam damit umgehen. Denn meine Leser müssen das Gefühl bekommen: „Ich kriege diesen Inhalt nur als Abonnent.“ Das ist wirklich hart für mich. Meine KURIER-Kolumne Paaradox hat rund 500.000 Leser. Im Moment schreibe ich für etwa 250 Leute, obwohl die Texte das Potential hätten, in einer großen Tageszeitung gedruckt zu werden.

dieZeitschrift: Warum willst du keine Werbung auf deiner Seite?

Michael Hufnagl: Weil ich glaube, dass es auf dem Markt, auf dem wir uns bewegen, alle gleich machen. Alle Medien, alle Blogger. Sie fabrizieren journalistische Inhalte und daneben läuft die Werbung. Ich will aber keine Einflussnahme von Inserenten. Auf meiner Seite entscheiden nur die Leser, das sind die einzigen, von denen ich mich korrumpieren lasse. Das bedeutet für mich Unabhängigkeit.

„Es entsteht Community-Charakter“

Journalist und Autor Michael Hufnagl
Ela Angerer

dieZeitschrift: Gehst du auch konkret auf Leserwünsche ein?

Michael Hufnagl: Habe ich auch schon gemacht. Aber vor allem kommentieren meine Leser, und ich kommentiere mit. Dabei entsteht so etwas wie ein Community-Charakter. Beim KURIER hatte ich ein Jahr lang einen Blog und ich habe gemeinsam mit meinen Lesern über verschiedenste Themen diskutiert. Der Anteil der Internet-Trolle blieb sehr gering, etwa bei fünf Prozent. Damals habe ich getestet, wie es ist, wenn du an den Leser ran gehst. Ich wollte das nicht mit der Einstellung machen: „Ich bin der Journalist, da unten ist das Volk, und ihr findet meine Texte entweder scheiße oder großartig, der Rest ist egal.“ Ich will es anders machen, auf Augenhöhe. Und ohne Sponsoren und Anzeigen.

dieZeitschrift: Welche Themen deckst du auf deiner Webseite ab?

Michael Hufnagl: Sehr viele. In den zwanzig Jahren beim KURIER habe ich das journalistische Handwerk gelernt. Ich schreibe Reportagen und Kolumnen, mache Interviews. Die sind allerdings am aufwändigsten. Einer meiner ersten Artikel auf der Seite war ein Interview mit Eva Glawischnig. Wir haben über das Thema „Politiker und Mensch“ gesprochen. Wie ist es, wann man als Politiker Straßenbahn fährt oder auf die Seychellen fliegen möchte, aber aus Umweltschutzgründen nicht sollte. Wenn man ein Mensch wie du und ich ist, aber es nicht sein darf, weil man sich dauernd kontrollieren muss. Ich habe ihr ganz andere Fragen gestellt als die üblichen, das Interview ist sehr gut angekommen. Außerdem arbeite ich an einer unregelmäßigen Serie, in der es darum geht, dass ich als Wiener so viele Sehenswürdigkeiten in meiner Heimatstadt gar nicht wirklich kenne. Das hole ich jetzt nach. Ich bin zum Beispiel noch nie mit dem Riesenrad gefahren.

„Der Leser zahlt pro Geschichte 30 Cent“

dieZeitschrift: Wie oft aktualisierst du deinen Content?

Michael Hufnagl: Ich stelle Minimum drei große Geschichten pro Woche auf die Seite. Also ungefähr zwölf bis 14 pro Monat. Das heißt, der Leser zahlt pro Geschichte ungefähr 30 Cent. In Österreich gibt es mindestens zehn Autoren, für deren Texte ich zahlen würde. Aber ich werde ja gar nicht gefragt, ich kriege den Inhalt einfach geschenkt.

dieZeitschrift: Welches Bezahlsystem verwendest du?

Michael Hufnagl: Es heißt Sofort und funktioniert mit Online-Banking. Die Voraussetzung ist, dass es so einfach geht wie möglich. Drei Klicks, und fertig.

dieZeitschrift: Wer ist deine Zielgruppe?

Michael Hufnagl: Zwei Drittel meiner Leser sind Frauen, davon sind die meisten zwischen 35 und sechzig. Die wollen sich das leisten. Denn in uns allen steckt drinnen: Das Internet ist gratis.

„Da ist ein Name, ein Gesicht und eine Haltung“

Journalist und Autor Michael Hufnagl
Ela Angerer

dieZeitschrift: Wie bist du zu deinen ersten Lesern gekommen?

Michael Hufnagl: Nachdem ich den KURIER verlassen habe, wusste ich, dass ich Menschen brauchen werde, die mir im Internet folgen. Darum bin ich auf Facebook gegangen. Innerhalb eines Jahres habe ich dort 5000 Freunde gesammelt. Ich war aber ständig dran: Ein Kommentar hier, originell sein dort. Irgendwann hat dann der Standard einen Artikel von mir übernommen, der dann wiederum auf Facebook geteilt wurde.

dieZeitschrift: Warst du dir sicher, dass das alles funktionieren würde?

Michael Hufnagl: Mein Zugang ist auch: Ich habe viele Jahre aus der Zeitung rausgeschaut. Da ist ein Name, ein Gesicht und eine Haltung dazu. Ich schreibe noch heute eine KURIER-Kolumne, außerdem eine für Woman und eine für die Sportzeitung. Die Überschneidung dieser Leser ist gering. Wenn das zusammen 700.000 bis eine Million Menschen sind, dann will ich davon nur 0,25 Prozent, die mich gerne lesen. Dann geht mein Geschäftsmodell auf.

„Ich will Gastautoren und werde für ihre Beiträge bezahlen “

dieZeitschrift: Denkst du darüber nach, Gastautoren zu nehmen?

Michael Hufnagl: Ja. Ich kenne viele Menschen, die schreiben können und werde sie bitten, das für eine geringe Gage bei mir zu tun.

dieZeitschrift: Du wirst für die Texte bezahlen?

Michael Hufnagl: Klar, das muss ich. Ich kann nicht selber Geld für Journalismus verlangen und dann die selbe Leistung gratis von anderen einfordern. Die ganze Medienbranche befindet sich in einem gigantischen Umwälzungsprozess. Und mit dem, was ich mache, wollte ich einer der ersten sein.

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