Michaela Reisinger hat den Hobbit ungefähr zehnmal gelesen. Das gehört sich wohl so für die Obfrau der Österreichischen Tolkiengesellschaft (ÖTG). Webmaster Lukas Hager kann da nicht ganz mithalten. „Wahrscheinlich dreimal,“ schätzt er.
„Tolkien hat verschiedene Mythen und Sagenmotive zu einem eigenen Teppich verknüpft. Das übt für mich einen ungemeinen Reiz aus. Und er hat den Völkern von Mittelerde unterschiedliche Sprachfärbungen zugeschrieben,“ sagt Reisinger. Hager nickt zustimmend. „In seinen Geschichten greift alles so schlüssig ineinander, die Handlung ist verzahnt über Generationen. Seine herausragende Leistung war, dass er die Erzählungen und Mythen in eine literarische Form der Neuzeit transportiert hat .“
Der britische Autor und Sprachwissenschaftler J. R. R. Tolkien ist schon seit mehr als 30 Jahren tot, doch bis heute werden seine Bücher, allen voran Der Herr der Ringe und Der Hobbit von Lesern weltweit verschlungen. Er hat ein ganzes Fantasy-Reich namens Mittelerde erfunden und dafür eigene Kunstsprachen wie etwa Elbisch entwickelt.
Banner malen, Fantasy-Kleidung nähen
Der Verein ÖTG wurde 2002 gegründet und hat derzeit in Österreich etwa 62 Mitglieder, die meisten davon in Wien, Linz und Salzburg. Zusammen organisieren sie mindestens dreimal im Jahr mehrtägige Veranstaltungen, das Mereth Ethuil (Fest des Frühlings), das Lasse Lanta (Herbstfest) und die Mar Vanwa Tyaliéva (Hütte des Verlorenen Spiels), um ein bisschen in die Fantasy-Welt Tolkiens abzutauchen.
Für Die Hütte des Verlorenen Spiels gibt es kein vorgegebenes Programm, die Teilnehmer bringen einfach ihre Gesellschaftsspiele mit. „Beim Herbst- und Frühlingsfest gibt es üblicherweise ein Quiz und ein Geländespiel, wir üben uns im Bogenschießen, machen kleine Live-Rollenspiele, abendlichen Leserunden. diskutieren in literarischen Workshops und betätigen uns handwerklich,“ erzählt Reisinger. „Zum Beispiel malen wir Banner, spinnen, ätzen Metall oder nähen Fantasy-Kleidung.“
Die Obfrau selbst trägt gerne ihr selbst gefertigtes Haradrim-Kostüm. Haradrims sind Figuren aus dem Herr der Ringe-Universum, die aus dem Süden kommen und auf Olifanten reiten. Hager hat sich für das Outfit eines ganz gewöhnlichen Mittelerde-Menschen entschieden, näht aber schon ewig an dem Oberteil. „Im Oktober haben wir das nächste Fest, bis dahin muss ich es endlich fertig machen.“ Bei allen Events ist das literarische Werk Tolkiens in Form von Vorträgen, Lesungen oder Diskussionen selbstredend immer ein fixer Bestandteil.
Kennenlernen beim Stammtisch
Factbox
Tolkien-Stammtisch in Wien:
Café Willendorf, Linke Wienzeile 102,
1060 Wien.
Jeden letzten Donnerstag im Monat ab 18 Uhr.
Mitgliedsbeitrag: 30 € pro Jahr
Die Teilnahme an Veranstaltungen ist auch ohne ÖTG-Mitgliedschaft möglich.
Vereinsmitglieder erhalten bei den Großveranstaltungen einen Preisnachlass.
Mitgliedern wird dreimal jährlich die Vereinszeitschrift Halifirien zugesendet.
Infos zu Terminen aller weiteren Veranstaltungen:
oetg.org
Den Rest des Jahres treffen sich die ÖTG-Mitglieder in den drei Landeshauptstädten bei einem monatlichen Stammtisch oder zu privaten Leserunden. Auch am 3. Jänner, Tolkiens Geburtstag, heben sie gerne ihr Glas auf den alten Meister.
„Zu den Stammtischen kann jeder kommen, wir freuen uns über jeden Neuzugang,“ betont Reisinger. „Wenn jemand auf ein Fest mitfahren möchte, ist das eine gute Gelegenheit, um uns vorher im kleinen Rahmen kennenzulernen. Wir reden natürlich dort nicht nur über Tolkien, nach zehn Jahren geht da mal der Gesprächsstoff aus.“
Gesprächsstoff-Nachschub gab es abseits der pompösen Kinofilme von Peter Jackson im Jahr 2013, als The Fall of Arthur, ein unvollendetes Gedicht Tolkiens, posthum herausgegeben wurde. Hager zieht das Buch aus der Tasche und legt es auf den Tisch. „Ich bleibe noch ein bisschen sitzen,“ sagt er nach der Verabschiedung. Heute wird das Mittelerde-Oberteil für das Herbstfest wohl auch nicht fertig werden.