Die INW (Initiative Neue Wirtschaft) ist ein parteiunabhängiger Verein, dessen Ziel es unter anderem ist, die Wahlbeteiligung bei den Wirtschaftskammerwahlen Ende Februar zu erhöhen. Am 20. Jänner lud die INW in die Wahlkampfarena auf das Badeschiff. Jeweils ein Vertreter der fünf in Wien antretenden Listen stellte sich den Fragen des Publikums, die sich hauptsächlich um die Themen SVA, Gewerbe- und Kammerreform, Bürokratie und Wahlrecht drehten.
Zunächst stellten die Politiker Alexander Biach (Direktor des Wirtschaftsbundes Wien), Fritz Strobl (Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes), Hans Arsenovic (Landessprecher der Grünen Wirtschaft Wien), Markus Ornig (UNOS-Koordinator Wien) und Reinhard Pisec (Präsident FPÖ – Pro Mittelstand) ihr Wahlprogramm vor. Im Anschluss daran folgte eine zum Teil sehr emotionale Diskussion, von der hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit berichtet wird.
Selbstbehalt abschaffen
Die Moderatorin eröffnet die Arena mit der Frage: „Wieso gibt es für Selbstständige erst ab dem 43.Tag Krankengeld?“ Biach sieht darin bereits einen extremen Fortschritt. „Wenden Sie sich im Krankheitsfall an die SVA. Es gibt verschiedene Hilfestellungen, unter anderem die Überbrückungshilfe“, rät er Betroffenen.
Eine Unternehmerin will von Strobl wissen, warum er den Selbstbehalt abschaffen möchte. „Der Selbstbehalt verhindert, dass Unternehmer zum Arzt gehen“, antwortet er. Dadurch würden manchmal chronische Erkrankungen entstehen. „Das kostet mehr, als es bringt.“ Das Publikum signalisiert Zustimmung durch Applaus.
„Wer hat sich das mit den SVA-Beiträgen ausgedacht?“
Eine Frau, die sich als Mitglied der Facebookgruppe Amici delle SVA vorstellt, ergänzt: „Wir Amici haben ausgerechnet, dass die Einhebung des Selbstbehalts durch den Verwaltungsaufwand soviel Geld kostet, dass man ihn aus Effizienzgründen gleich einstampfen könnte.“ Wieder Applaus.
Die Grafikerin links neben ihr wundert sich laut: „Warum ist das mit den SVA-Beiträgen so kompliziert? Warum kann ich die nicht monatlich zahlen? Und wer hat sich das ausgedacht?“ Gelächter.
Betriebshilfe macht für EPUs keinen Sinne
Wirtschaftsbund-Vertreter Biach spricht von Horrormeldungen. Das Publikum gibt missbilligende Geräusche von sich. „Wir lassen die Unternehmer nicht 43 Tage lang links liegen. Wir bieten zum Beispiel die Betriebshilfe an. Da springt jemand ein und führt den Betrieb weiter.“ INW-Vorstandsmitglied Lisa Schmidt kontert: „Das macht für EPUs meistens keinen Sinn.“ Zustimmendes Raunen im Auditorium.
Biach kommt auf die Frage der Grafikerin zurück: „Die SVA-Abrechnung werden wir nie bis zur vollsten Zufriedenheit abarbeiten können. Wir wissen nicht, was Sie jedes Monat einnehmen werden. Sie wissen nicht, wie Ihr Jahresumsatz aussieht.“ Dass jemand 2018 die Vorschreibung für 2015 erhält, müsse aber behoben werden. „Das kapiert kein Mensch.“
„Wie kann Wirtschaft wieder menschlicher werden?“
FPÖ-Pisec wird von einem Zuhörer damit konfrontiert, dass er im Bundesrat sitze. „Das ist eine bürokratische Institution, die viel kostet. Warum haben Sie diese Funktion nicht abgelehnt?“ Der FPÖ-Mann verteidigt sich damit, dass der Bundesrat nur 20 Millionen Euro im Jahr kosten würde. Er hat unfreiwillig die Lacher auf seiner Seite.
Der Grüne Arsenovic wird gefragt, wie eine Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren soll. „Wir denken darüber nach, wie die Wirtschaft wieder menschlicher werden könnte, ohne diesen Wirtschaftsliberalismus. Ich versuche das in meinem Leben und auch in meiner Firma umzusetzen.“
Strobl soll darlegen, wie er die Abschaffung des Selbstbehalts finanzieren möchte. „Erstens würden die Rücklagen der SVA uns jahrelang darüber hinweghelfen. Zweitens sollte die SVA nicht darauf ausgerichtet sein, Gewinne zu machen, sondern die Mitglieder zu unterstützen.“
Unlogischer Bewertungsschlüssel bei Mandaten
UNOS und Grünen wird vorgeworfen, dass sie zuwenig Demut vor den oft ehrenamtlichen Funktionären hätten. Ornig verwehrt sich dagegen: „Ich habe niemanden respektlos behandelt und auch nie gesagt, dass man die Sparten und Fachgruppen abschaffen soll.“ Er erklärt, was ihn im Detail stört: „Ein Masseur hat mir erzählt, dass sein Spartenobmann eine Friseurin ist. Und die hat keine Ahnung von seinen Problemen.“ Die Moderatorin hat ein ähnliches Beispiel parat: „Werbung und Abfallwirtschaft befinden sich auch in der gleichen Sparte.“
Als nächsten Punkt will sie über das seltsame Wahlrecht der WKO reden. „Laut WKO-Gesetz sind die zu vergebenden Mandate von der Mitgliederzahl und der wirtschaftlichen Bedeutung der Fachorganisationen oder Sparten abhängig. Dafür gibt es aber keine offiziellen und transparenten Bewertungsschlüssel. ...Seit 2005 sind die zu vergebenden Mandate nicht mehr angepasst worden. Warum?“
Pisec findet den Bewertungsschlüssel unlogisch. „Spediteure werden zum Beispiel bevorzugt, der Handel benachteiligt. Das geht quer durch den Gemüsegarten. Das gehört reformiert.“ Biach meint, für ihn gebe es nur eine Wirtschaft. „Ich will nicht EPUs gegen KMUs oder die Industrie ausspielen. Wir müssen auf die Bedürfnisse aller Unternehmer eingehen, und dazu bedarf es der verschiedenen Branchenvertretungen.“
Probleme in der Karenzzeit
Eine Grafikerin und Mutter von zwei Kindern klagt über finanzielle Probleme in der Karenzzeit. „Ich zahle ziemlich hohe SVA-Beiträge. Welche Lösungen für Mütter wird es in Zukunft geben?“ Biach gratuliert der Frau zu ihren Kindern. Das bringt ihm einen „Wappler“-Zuruf aus dem Publikum ein. Danach lobt er die Verdoppelung des Wochengeldes für Mütter. „Warum müssen selbstständige Frauen während der Karenz SVA-Beiträge zahlen?“ hakt die Moderatorin trotzdem nach. „Warum wird die Beitragszahlung nicht automatisch gekündigt?" Biach antwortet: „ Es gibt viele Betrugsfälle. Das muss man sehr, sehr vorsichtig angehen.“
„Sie sind kein Unternehmer, Herr Biach“
Ein Mann aus dem Publikum will vom Wirtschaftsbund-Vertreter wissen, wie er denn die Gewerbeordnung reformieren wolle. „Die Erwartung, die sie jetzt haben, dass ich jetzt sage, die Zünfte werden aufgelassen, diese Freude werde ich ihnen nicht machen“, antwortet Biach. „Die Gewerbeordnung hat einen guten Grund, sie ist ein Qualitätssiegel.“ Gegen Modernisierung und Weiterentwicklung hätte er aber nichts, beschwichtigt er.
Jetzt platzt einem Zuhörer noch kurz vor Schluss der Kragen: „Da vorne sitzen vier Unternehmer und der Angestellte einer Partei (Anmerk.: Biach). Und dieser Parteiangestellte versucht uns Unternehmern die ganze Zeit zu erklären, wie toll dieses System ist.“ Die Frage wird von Applaus und lauten Zustimmungsbekundungen unterbrochen. „Sie sind kein Unternehmer, Herr Biach. Sie können unsere Sicht nicht einnehmen.“
Der offizielle Teil der Veranstaltung ist zu Ende. Viele Frage wurden gestellt, nicht alle zufriedenstellend beantwortet. Aber es sind ja noch ein paar Wochen Zeit bis zur Wahl.
Die INW plant weitere Aktivitäten bis zur Wahl der Kammervertretung Ende Februar.
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