Auf dem Gelände des ehemaligen Gastgartens des Simmeringer Hofes, nahe dem Enkplatz, stehen rund 100 Kastanienbäume auf einem Privatgrundstück. Seit das Gasthaus vor mehr als 30 Jahren geschlossen und der dazugehörige Ballsaal abgerissen worden ist, ist auch die kleine Grünoase abgesperrt. Es siedelten sich zahlreiche Vögel und Tiere in dem Gärtchen an.
Jetzt plant der Eigentümer, die CA-Immo, rund 50 Wohnungen, auf dem Grundstück zu errichten. Dagegen wehrt sich die Bürgerinitiative Simmeringer Hof. „Die Erhaltung des Kleinodes ist wichtig, weil durch die Errichtung der 900 Wohnungen auf den gegenüberliegenden Mautner-Markhof-Gründen viel Grünfläche in der Nachbarschaft verloren gegangen ist“, sagt Uschi Unger, die Sprecherin der Bürgerinitiative „Simmeringer Hof“. Einige der Nachbarn befürchten, dass ihre Nachbarschaft in Zukunft eher einem Gefängnishof als einem Kastanienhof gleichen wird.
2320 Unterschriften
Schon vor drei Jahren hörte sie, dass die alten Kastanienbäume vor ihren Fenstern gefällt werden sollen. Sie fragte bei der Bezirksvorstehung nach und wurde beruhigt: Es würden andere Bäume gefällt werden. Dennoch besorgte sich Unger den Flächenwidmungsplan und stellte fest, dass im Jahr 2006 das Gelände als Bauklasse 1 gewidmet worden war. Das heißt, 40 Prozent der rund 3500 m² dürfen mit Gebäuden mit bis zu 4,5 Meter Höhe verbaut werden. Das würde das Ende des Mikrobiotops und Lebensraumes für viele Tiere inmitten der Wohnbauten bedeuten.
Die Bürgerinitiative begann Unterschriften gegen die geplante Fällung der Bäume zu sammeln. Ihre Forderungen sind, dass das Wäldchen für die 450 Menschen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft leben, erhalten bleibt. Letzten Donnerstag übergaben sie im Zuge eines Vermittlungsgespräches zwischen den Baubefürwortern und den Baugegnern 2320 Unterschriften an die Bezirksvorsteherin Renate Angerer (SPÖ).
Baumschutzgesetz
Laut dem Wiener Baumschutzgesetz muss für jeden gesunden gefällten Baum, der mehr als 40 Zentimeter Stammumfang hat, für jeweils 15 Zentimeter Stammumfang ein neuer Baum in 300 Meter Umgebung gepflanzt und für drei Jahre gepflegt werden. Es sind auch Abschlagszahlungen möglich: Pro Baum 1.090 Euro. Nach Auskunft der zuständigen Behörde, der MA42, werden meistens Ersatzbäume gepflanzt. Falls es doch zu Zahlungen kommt, wird das Geld zweckgebunden für die Pflanzung von Bäumen im Stadtgebiet verwendet.
Der Grundstückseigentümer und somit Besitzer der Kastanienbäume ist die CA-Immo, (Immobilienvermögen Ende 2013 rund 3,8 Mrd. Euro; Erlöse aus Mieteinnahmen im gleichen Jahr bei 281,5 Millionen Euro). Die Firma gab ein Gutachten über den Zustand der Bäume in Auftrag. Dieses kam angeblich zum Ergebnis, dass 60 der 97 Bäume krank seien und gefällt werden müssen.
Zitat:
„Maßnahmenkatalog lt. Herrn Ing. Fletzer:
Der gesamte untersuchte Baumbestand (außer der Jungbäume) ist in einem sehr schlechten Pflegezustand. Vor allem der Altbestand der in Reihen gepflanzten Kastanien hat das Ende seines physiologischen Altersgrenze erreicht. (…) eine komplette Entfernung des Bestandes anzudenken, da eine zukunftsträchtige Entwicklung nicht in Aussicht steht.“
Die Vertreter der Bürgerinitiative zweifeln das Gutachten an. Selbst bei den stärksten Stürmen sei noch nie ein Ast abgebrochen, sagen sie. Im Dezember verkaufe außerdem drei Wochen lang ein Christbaumhändler unter den Kastanienästen seine Weihnachtsbäume und dieser erfreue sich immer noch bester Gesundheit. Jetzt überlegt die Bürgerinitiative, selbst ein Gutachten erstellen zu lassen.
Weltklima
Der Architekt zeigte mehrere Bebauungsvorschläge. Nach dem momentan gültigen Flächenwidmungsplan würde entlang der Grundstücksgrenze gebaut werden, und das würde einen Großteil der Fläche beanspruchen. Als Alternativvorschlag präsentierte der Architekt ein siebenstöckiges Gebäude, das weniger Platz einnehmen würde. Die zweite Variante könnte nur nach einer Änderung des Flächenwidmungsplans durch die MA21 erfolgen. Das heißt, von den 3414 m² würden 714 m² verbaut werden und 2700 m² Grünfläche bleiben.
Der Eigentümervertreter sagt, dass auf dem Projekt kein „Zeitdruck“ liegt. Er würde sich aber wünschen, bis Herbst klarzustellen, wie groß und wie hoch gebaut werden darf Uschi Unger hofft hingegen, dass das Kleinod im Hinterhof erhalten bleibt. „Mir ist bewusst, dass die Bäume das Weltklima nicht retten werden, aber sie bieten den Anrainern etwas Erholung in Simmering.“ Sie und die Bürgerinitiative werden weiter für die Erhaltung der 96 Bäume kämpfen.