Etwa ein dutzend junger Leute arbeiten heuer im August für zwei Wochen im Naturschutzgebiet rund um Marchegg. Sie mähen, rechen, entfernen alte Baumschutzhüllen und wild wuchernde Robinien, tragen einen alten Zaun ab. Sie alle arbeiten unentgeltlich, und fast jeder von ihnen kommt aus einem anderen Land. Aus Russland zum Beispiel, aus Taiwan, Indien, Frankreich, Serbien oder Spanien. Sie schlafen im Marchegger Kindergarten, kochen und essen gemeinsam. Zwei Wochen lang verbringen sie fast 24 Stunden täglich zusammen.
Der 17-jährige Franzose Bruno gibt zu, dass er vor Antritt seiner Reise etwas Angst vor einem Lagerkoller hatte. Nun möchte er am liebsten noch länger hierbleiben. „Ich wollte Menschen aus verschiedenen Nationen kennenlernen und mein Deutsch verbessern, “ erzählt er. „Wir haben uns alle angefreundet, die zwei Wochen sind viel zu kurz. Ich freue mich hier wirklich auf jeden neuen Tag. Wir haben uns vorgenommen, auch nach dem Camp Kontakt zu halten.“ Den SCI hat er vor seinem Arbeitseinsatz in den March-Auen nicht gekannt.
SCI wurde von Pazifisten gegründet
„Ich habe im Internet nach Arbeitsmöglichkeiten in Europa gesucht, dabei bin ich auf diese Möglichkeit gestoßen. Aber ich werde zu Hause meinen Freunden davon erzählen und nächstes Jahr sicher wieder ein Workcamp absolvieren.“ Der Schüler aus Frankreich ist nicht der einzige, der noch nie etwas von der Freiwilligenorganisationen gehört hatte. Meist erntet man nur verständnisloses Schulterzucken, wenn man jemandem von der Organisation erzählt. Auch in den Medien ist sie so gut wie nie ein Thema.
Dabei ist der SCI alles andere als neu. Er wurde bereits kurz nach dem I. Weltkrieg von Pazifisten gegründet und veranstaltet seitdem weltweit Workcamps für Freiwillige auf lokaler Ebene, die vor Ort organisiert und in Kooperationen mit NGOs, Vereinen und Gemeinden durchgeführt werden. Die Projekte drehen sich um die Themen Friedensarbeit, Ökologie, Soziales, Solidarität, Kunst und Kultur.
Vier Monate in Europa
Das Camp in Marchegg ist eines von ungefähr tausend, die jedes Jahr vom SCI weltweit organisiert werden. Es wird in Kooperation mit der Umweltschutzorganisation WWF abgehalten. „Wir haben oft Arbeiten, die manuell erledigt werden müssen. Da können wir ein paar helfende Hände dringend brauchen,“ sagt WWF-Mitarbeiter Gerhard Egger. In Österreich ist es das erste Mal, das WWF und SCI ein gemeinsames Projekt angehen. „Unser Ziel ist, das nächstes Jahr fortzusetzen. Diese jungen Leute sind unheimlich engagiert.“
Der 24-jährige Inder Bhupendea hat im Gegensatz zu Bruno schon um die zwanzig SCI-Camps absolviert. Dieses Jahr wird er insgesamt vier Monate durch Europa reisen und dazwischen immer wieder Camps besuchen. „Die Leute hier sind so cool, es macht unheimlich viel Spaß. Im Anschluss an Marchegg werde ich in ein Camp nach Deutschland fahren.“ Bhupendea arbeitet in Indien als Koordinator für den SCI. Er schätzt, dass es in seinem Heimatland nur ungefähr 200 SCI-Mitglieder gibt. „Die Organisation ist in Indien 1948 gestartet, trotzdem ist sie völlig unbekannt,“ erzählt er.
Auch die anderen Camp-Teilnehmer beschreiben die Stimmung in der Gruppe als ausgezeichnet. Wenn man sie nach ihren Beweggründen für ihre Freiwilligenarbeit fragt, werden immer wieder die gleichen Punkte aufgezählt:„Ich kann meine Sprachkenntnisse verbessern, etwas für die Umwelt tun, lerne Menschen aus anderen Nationen kennen und komme günstig in der Welt herum.“
Elf Camps in Österreich
Der SCI Österreich ist ein relativ kleiner Zweig, das Büro ist selten besetzt, alle Mitarbeiter sind ehrenamtlich tätig. Einer davon ist Florian Rogger. Er gibt unumwunden zu, dass der SCI auch in Österreich von der breiten Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen wird. „Dabei veranstalten wir dieses Jahr im Inland elf Camps, so viele hatten wir noch nie. Das liegt vor allem an unserem neuen Obmann Thomas Schallhart, der sehr engagiert ist und gute Kontakte zu NGOs pflegt.“
Der SCI finanziert sich aus Spenden und den Camp- und Vermittlungsgebühren, die die Teilnehmer zahlen. „Früher gab es in Österreich auch eine Basisförderung, aber die wurde vor einigen Jahren gestrichen,“ erinnert sich Rogger. „Ein Grundsatz lautet, dass kein Privater durch die SCI-Freiwilligenarbeit profitieren soll, wir grenzen uns auch von Lohndumping ab.“
Die Unterkünfte für die Camp-Teilnehmer sind meist einfach, zum Beispiel in Schulen oder Jugendzentren. Die Verpflegung ist inkludiert, für Organisation und Kosten der Reise sind sie selber zuständig. Die Arbeitszeit beträgt etwa fünf bis sechs Stunden täglich, die Wochenenden sind frei und werden häufig für gemeinsame Ausflüge genutzt.
Preiswerte Art, um zu reisen
Factbox
Die meisten Arbeiten auf den Workcamps können ohne besondere Ausbildung geleistet werden. Grundkenntnisse in der jeweiligen Campsprache (meistens Englisch) sind Voraussetzung.
Alter: von 16-75 Jahre.
Kosten: Für das erste Camp 128 € (bzw. 158 € bei Nord-Süd-Projekten). Bei jedem weiteren Camp wird es günstiger, da der Mitgliedsbeitrag von 29 € nur einmal bezahlt werden muss.
Die meisten Camps dauern zwischen zwei und vier Wochen. Daneben sind beim SCI auch Langzeiteinsätze möglich.
„Die Freiwilligen sammeln Arbeitserfahrungen und knüpfen internationale Kontakte,“ sagt Rogger. „Man sollte nicht mit der Einstellung hinfahren, dass es ein billiger Urlaub ist. Aber es ist eine relative preiswerte Art, um zu reisen.“
Der Politikwissenschaftler hat selbst bereits fünf Camps absolviert. Am meisten hat ihn die Arbeit in einem palästinensischen Flüchtlingslager beeindruckt. „Manche von diesen Leuten leben bereits seit 30 Jahren in diesen Lagern und sind völlig lethargisch, Auf der anderen Seite hat mir die Gastfreundschaft der Menschen sehr imponiert. Und ich habe sowohl Israelis als auch Palästinenser getroffen.“
Damit wurde bei Rogger wohl ein ganz wichtiges SCI-Ziel erreicht: Die gemeinsame Zeit in den Projekten soll helfen, Brücken zu anderen Kulturen zu schlagen um auf diese Weise Vorurteile abzubauen.