Es war einer dieser unerwarteten Glücksfälle: Die Tochter von Rosa Rosenkranz gab die handschriftlich verfasste Autobiographie ihrer Mutter an den Verlag lex liszt. Der hatte gerade begonnen, burgenländische Lebensgeschichten zu sammeln und herauszugeben. Im ersten Band der Reihe erzählt Ludwig Zwickl die Geschichte von Andreas Janisch, einem Landarbeiter in der Zeit von historischen Umbrüchen, von Arbeitskämpfen und dem ländlichen Alltag.
Der zweite Band ist Rosa Rosenkranz gewidmet. Geboren 1914, gestorben 2007. Einer Frau, die als Kleinkind den ersten Weltkrieg, als Jugendliche die erste Republik und den Austrofaschismus, als Erwachsene den Zweiten Weltkrieg und schließlich die Zweite Republik in einem kleinen Dorf im Südburgenland miterlebte.
Das Schürzenbandl
Ihre Geschichte beginnt am 2. August um elf Uhr Abends. Der Erste Weltkrieg begann, Männer rückten ein. Jemand hatte ihrer Mutter am Bahnhof in den Bauch gestoßen. Rosa kam zu früh auf die Welt.
Ihr Leben war von Entbehrungen geprägt. Zu Weihnachten wurde als Christbaum Schlehdorn aufgestellt, denn die Großgrundbesitzer bewachten ihre Wälder im Winter. Dann wurde ihnen auch noch der Schlehdorn gestohlen. Sie erlebte Gewalt in der Familie, ihr Onkel schlug sie mit der Peitsche. Sie ging ohne Schuhe in Schule. Wurde ihr kalt, urinierte sie und wärmte sich die Füße in der Lacke.
Das Schwein im Stall durften sie nicht selber schlachten. Damit wurde das Lehrgeld für den Bruder bezahlt. Sie heiratete, ihr Mann wurde eingezogen und fiel. Ihr Haus wurde zerbombt. Die Russen kamen im Mai 1945 in ihr Dorf. Sie fürchtete sich vor den betrunkenen Soldaten, vor Vergewaltigung und versteckte sich in einer Truhe. Doch das Schürzenbandl hing heraus. Ein Russe setzte sich auf die Truhe, spielte mit dem Band und Rosa dachte, jetzt sei es aus mit ihr.
Rosa Rosenkranz schrieb, ohne es zu wissen, eine Geschichte, die den Leser mitnimmt in die Welt der harten Arbeit am Bauernhof, Familienzwistigkeiten und die kleinen glücklichen Momente. Es ist ein Zeitdokument, das einen tiefen Einblick in die burgenländische Alltagsgeschichte gibt. Es ist ein Zeugnis vergessener Rituale und Sitten. Durch die Kommentare des Historikers Peter Liszt wird ihre Biographie in die Geschichte des 20. Jahrhunderts integriert.
Ein lesenswertes Buch.
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