Anna hüpft aus überdimensionalen Geburtstagstorten, läuft in Fetisch-Bekleidung über einen Catwalk oder verkleidet sich als Marilyn Monroe und singt dazu das Liebeslied „I wanna be loved by you“. Nicht für einen Mann, sondern für einen Vibrator. Sie ist Striptease- und Burlesquetänzerin. „Das Tolle an meinem Beruf ist die Abwechslung“, sagt Anna. „Das Tolle an Anna ist, dass sie als Schauspielerin so ein Naturtalent ist,“ sagt Peter Svaricek. „Wenn sie eine Domina sein soll, fürchten sich die Männer im Raum. Spielt sie ein Schulmädchen, dann ist sie zuckersüß.“ Eine gute Voraussetzung für Burlesque.
Die Glanzzeiten von Burlesque waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erotisches Prickeln wird dabei mehr durch Andeutung als durch Nacktheit erreicht. Dank Dita von Teese, Marylin Mansons Ex-Frau, erlebt diese schon etwas in Vergessenheit geratene Kunstform seit ein paar Jahren wieder ein Revival. In Wien ist Svaricek mit seiner Striptease-Agentur Nacktschwärmer vor fünf Jahren auf den Zug aufgesprungen und will dem Genre zusätzlich etwas Lokalkolorit einhauchen. Fesche Madln schöln se gekonnt aus da Panier, verspricht der Wiener auf seiner Webseite. Seine Tänzer werden unter anderem für Auftritte in Casinos, Discotheken, auf Modeschauen oder für Privatpartys gebucht.
Lustig oder hocherotisch
„Bei einer Burlesque-Show ist es denkbar, dass ein Vamp mit Zigaretten-Spitz auf der Bühne auftaucht. Oder eine etwas molligere Dame im Matrosenkostüm. Die Aufführung kann lustig oder hocherotisch sein. Das Ausziehen ist eigentlich nur Nebensache“, erklärt Svaricek. Ganz nackt ist der Tänzer oder die Tänzerin bei Burlesque ohnehin nicht. Das Höschen bleibt an, und die Brustwarzen werden von Nippelpads bedeckt. Auch ein Mann arbeitet bei Nacktschwärmer als Burlesque-Tänzer. „Der ist ein Multitalent. Er kann singen, jonglieren, zaubern, tanzen und macht Akrobatik. Als Gag zieht er sich bis auf die Boxershorts aus“, erzählt der Agentur-Besitzer. Bei Burlesque wäre eben alles zulässig.
Die blonde Ungarin Anna mag Burlesque-Auftritte besonders gern, weil sie dabei ihr schauspielerisches Talent viel mehr als beim normalen Striptease ausspielen könne. „Außerdem sind die Kostüme viel schöner und weiblicher. Die werden für Frauen gemacht und nicht für Mädchen.“ Ein Auftritt dauert zwischen sechs und 15 Minuten. „Es ist ziemlich schwierig, die Aufmerksamkeit des Publikums so lange auf sich zu ziehen“, sagt Anna.
„Statistenrollen in Revanche“
„Nach Burlesque-Auftritten kommen oft Zuschauerinnen zu den Tänzerinnen und machen ihnen Komplimente. Das Publikum hat auch eine gewisse Reife und Niveau“, sagt Svaricek. Dann schüttelt er den Kopf. „Man glaubt ja nicht, was oft abläuft, wenn wir für eine Disco gebucht sind. Die Jugendlichen schreien ‚Ausziehen, ausziehen!‘ oder spielen die ganze Zeit mit ihrem Handy.“ Einen kunstvollen Auftritt würden die reizüberfluteten Teenager sowieso nicht schätzen, beklagt er.
Ab und zu meldet sich auch eine Filmfirma bei der Agentur. Anna ergatterte zum Beispiel eine kleine Statistenrolle in dem für den Auslands-Oscar nominieren Streifen Revanche. „Und einmal durfte ich beim Life Ball über den Catwalk laufen. Darauf bin ich ganz besonders stolz“ sagt sie strahlend.
Burlesque-Unterricht in Wien
Factbox
Im Frühling und im Herbst bietet „Nacktschwärmer“ jeweils einen Burlesque-Gruppen-Workshop www.burlesque-show.at/kurse an. Das restliche Jahr über ist Einzelunterricht möglich.
Anna ist jung, hübsch und schlank. Ist Burlesque auch für etwas üppigere oder ältere Damen geeignet? Svaricek nickt. Er vermittelt auch eine Trainerin, die die sinnliche Kunstform unterrichtet. „Sandras Schülerinnen sind meistens Damen zwischen dreißig und siebzig. In den Gruppen-Workshops geht es hauptsächlich um die typischen Hüftbewegungen und den Umgang mit Accessoires, zum Beispiel den Handschuhen“, erklärt er. Für Fortgeschrittene empfehle er Einzelunterricht. „Bei sechs oder sieben Frauen in der Gruppe kann die Trainerin nicht auf die einzelnen Typen eingehen. Burlesque ist aber eine sehr individuelle Angelegenheit.“