Oscar Slater
Oscar Slater, by Wikipedia
True Crime

Der Fall Oscar Slater

Freitag, 10. Januar 2020
Ein schottisches Gericht verurteilte Oscar Slater im Jahr 1909 wegen Mordes zum Tode. Zu Unrecht fand der Schriftsteller Arthur Conan Doyle, und setze sich für die Freilassung des Mannes ein.

Der Deutsche Oscar Slater war kein Guter. Er war Spieler, Buchmacher und Zuhälter, änderte öfters seinen Namen, um Gläubigern und seiner Ehefrau zu entwischen. Im Mai 1909 stand er in Edinburgh vor Gericht und wurde zum Tode verurteilt. Die Geschworenen hatten ihn für schuldig befunden die 82jährige Marion Gilchrist in Glasgow mit einem Hammer erschlagen und eine Brosche gestohlen zu haben. Die Beweiskraft schien erdrückend.

Zahlreiche Augenzeug_innen identifizierten ihn als den Mörder, ein Mann sagte aus, dass Slater versucht habe ihm den Pfandschein für die versetzte Brosche zu verkaufen und die Polizei vermutete hinter Slaters Abreise - unter dem Namen Otto Sando - in die USA - Flucht.

Der Fall schien klar, wäre da nicht der Krimiautor und Erfinder von Sherlock Holmes, Arthur Conan Doyle, gewesen. Immer wieder wandten sich Menschen mit Hilferufen direkt an ihn oder schrieben an Holmes angebliche Adresse Baker Street 221B. Die englische Post leitete die Briefe an Doyle weiter und der Autor half sofern es ihm möglich war – auch im Fall von Oscar Slater. Und ein befreundeter Jurist stellte Doyle die Polizei- und Gerichtsakten zur Verfügung.

Die Ermittlung

Die Polizei entdeckte, dass außer einer halbmondförmigen Diamantbrosche nichts gestohlen worden war. Offen herumliegender Schmuck, im Wert von rund 3.000 Pfund, sowie Geld war zurückgelassen worden. Der Täter hatte nur eine Schatulle mit Papieren aufgebrochen und als einziges Beweisstück eine Schachtel Zündhölzer zurückgelassen.

Die Befragung der Zeug_innen ergab eine recht undeutliche Täterbeschreibung. Er soll einen braunen oder marineblauen Mantel, eine braune Tweedmütze oder einen dunklen Hut getragen oder gar keine Kopfbedeckung getragen haben, einen schleppenden oder unauffälligen Gang, eine normale oder eine schiefe Nase, einen langen oder kurzen Hals gehabt haben, einen Bart oder keinen getragen haben. Trotzdem veröffentlichte die Polizei eine Beschreibung. Sie suchten nach einem 28 bis 30jährigen Mann, groß gewachsen, dünn und glatt rasiert. Damals war Slater 37 Jahre alt und trug einen Bart.

Die Gerichtsverhandlung

Bei der Gerichtsverhandlung in Edinburgh änderten die drei Hauptzeug_innen ihre Aussagen. Plötzlich wollten sie Slater mit Sicherheit erkannt haben. Die Staatsanwaltschaft behauptete, dass der Hammer das Tatwerkzeug gewesen sei und obwohl Slater für die Tatnacht ein einwandfreies Alibi hatte, wurde er zum Tode verurteilt.

Die Frage wie Slater in die Wohnung gekommen sein soll, warum er nur eine Schatulle mit Papier gewaltsam geöffnet haben soll und statt des gesamten Schmucks nur eine Brosche mitgenommen haben soll, wurde im Prozess nicht einmal angesprochen. Hatten die Behörden und die Politik doch ihr Ziel erreicht: schnelle Aufklärung und einen verurteilten Täter.

Doch der Fall erregte Aufsehen, seine Verteidiger veröffentlichten Artikel in Presse, zählten im Begnadigungsgesuch all die Ungereimtheiten auf. Das Urteil wurde von Todesstrafe auf lebenslänglich geändert.

Neue und alte Verdächtige

Trench befragte eine Verwandte von Gilchrist. Sie sagte aus, dass das Dienstmädchen nach der Entdeckung des Mordes zu ihr gekommen wäre und ihr erklärt habe, dass sie den Täter mit eigenen Augen gesehen hätte, einen Neffen des Opfers, Dr. Francis James Charteris. Das Dienstmädchen Lambie behauptete bei einer weiteren Befragung, dass dies absolut unwahr sei. Das kostete Trench seine Stellung und seinen Pensionsanspruch.

Erst viele Jahre später wird Lambie in einem Zeitungsinterview sagen: „Als ich der Polizei den Namen des Mannes sagte, von dem ich glaubte, dass ich ihn erkannt hätte, antworteten sie ‚Unsinn! Sie glauben doch wohl selber nicht, dass er ihre Herrin ermordet und beraubt hat!‘ Sie verspotteten meine Ansicht so sehr, dass ich selbst glaubte, ich müsste mich geirrt haben.“

Dass es keine Anzeichen von gewaltsamen Eindringen in die Wohnung gab legte jedoch nahe, dass das Opfer ihren Mörder selbst in die Wohnung gelassen hatte. Oder, so wie Doyle vermutete, dass der Mann schon in der Wohnung gewesen war, als sie ausging um die Abendzeitung zu kaufen. Sie also Komplizin des Mordes war. Dies waren nur zwei der Theorien, die in den folgenden Jahrzehnten auftauchen sollten.

Die Freilassung

Im Jahr 1927 schrieb der Journalist William Parks das Buch mit dem Titel „The Truth About Oscar Slater“. Es wurde zu einem Bestseller. Die Presse berichtete wieder über den Fall Slater. Doyle schrieb einen Zusammenfassung und schickte sie an sämtliche Parlamentsmitglieder.

Das Gericht mauerte anfangs weiter, wechselte dann aber auf Schadensbegrenzung und verkündete schließlich, dass das Urteil wegen eines Formalfehlers aufzuheben sei. Nach mehr als 18 Jahren Haft kam Slater frei. Mit finanzieller Hilfe von Doyle erkämpfte er eine Entschädigungszahlung von 6.000 Pfund und lebte von nun an ein ruhiges Leben. Er starb am 31. Jänner 1948 – nicht aber sein Fall.

Neue Hinweise

Nach seinem Tod erleichterte ein ehemaliger Haftgenosse von Slater in einem Zeitungsinterview sein Gewissen. Zwei Männer aus seiner Bande hätten von dem Dienstmädchen über die Juwelen in Gilchrists Wohnung erfahren, die Wohnung ausgekundschaftet und wären schließlich eingebrochen und hätten die Frau erschlagen.

Es tauchte auch ein anonymer Brief auf, in dem der Schreiber behauptete, dass das Dienstmädchen mit einem Neffen des Opfers, einem wilden Kerl namens Birrell, verlobt und Komplizin des Mordes gewesen sei. Der Neffe solle nicht auf der Suche nach Schmuck und Geld gewesen sein, sondern nach einem Testament, dass ihn vom Erbe ausschloss. Oder war doch der andere Neffe, Dr. Francis James Charteris, der Mörder? Der Fall wurde nie geklärt.

Quellen:
Michael Klein (Hrsg.), Der Fall Oscar Slater von Arthur Conan Doyle, erschienen im Morio Verlag, 2016

The Case of Oscar Slater von Arthur Conan Doyle

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