Man sieht es in seinen Augen. Er ist ein Getriebener. Er will die große innere Leere auffüllen. Egal mit was. Nur auffüllen. Das Vakuum in seiner Seele verkleinern. An diesem Samstag Abend versucht er es mit schnellem Sex. In einer Bar spricht er wahllos Frauen an. Versucht sie aufzureißen. Keine will. Fast panisch wechselt er das Lokal, getrieben von der Frage: wo ist was los, wo könnte er die passende Füllung für sein Lebensloch finden? Bis ihn etwas einholt. Eine schöne Erinnerung, aus der Zeit, als die Leere ihn noch nicht auffraß.
In schnell geschnittenen Bildern zeichnet der junge Filmemacher David Birner die hektische Geschichte seines Protagonisten nach. Verfolgt ihn auf seiner verzweifelten Jagd nach schnellem Glück durch die Wiener Nacht. Es ist Birners dritter Kurzfilm. Der erste war ein Hip-Hop-Film und der zweite eine Gangstergeschichte`. über die er mit entwaffnender Ehrlichkeit sagt, das sie nicht besonders gut ist.
Für seinen dritten Streifen erarbeitete er in langen Gesprächen mit seinem Hauptdarsteller und Drehbuchautor Daniel Alvermann den Plot. Viel von Birners Lebensgeschichte ist in den 12-Minuten-Film eingeflossen. Das nicht zufrieden sein mit seiner Lebenssituation, dem Außenseiterdasein und soziale Ausgrenzung. Birner hat sich selbst lange als Getriebener gefühlt. Deshalb ist der Film auch sehr authentisch geworden.
Roter Teppich
Die Weltpremiere des Films "Der Feind des Guten" findet bei den Filmefestspielen in Cannes im Short Film Corner statt. Kurzfilmemacher aus der ganzen Welt zeigen ihre Werke in kleinen Kabinen, während Filmstars über den roten Teppich zu den Premieren der „großen“ Filme gehen.
Seit 1955 wird der Palme d'Or und seit 1946 Preise in verschiedenen Kategorien für die besten Shorts vergeben. Bei den 68. Filmefestspielen wird David Birner keinen Preis gewinnen. Er ist nicht unter den Nominierten.
Letztes Jahre wurden rund 2000 Kurzfilme in Cannes gezeigt, heuer sind es schon über 4000 aus mehr als 100 Ländern. Die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Filmverleiher, Finanziers und Produzenten ist dementsprechend groß. Ein Promotionmarathon erwartet Birner. Der ihm kaum Zeit lassen wird, die angebotenen Workshops und Themenkonferenzen zu besuchen. Oder am Strand von Cannes, in den Zelten der etablierten Produzenten, ein bisschen große Kinoluft zu schnuppern. Wenn er wollte, könnte er auch über den roten Teppich, um sich die Filme seiner Vorbilder anzuschauen.
Cannes
All zu viel erwartet sich Birner von seinem Cannesaufenthalt nicht. „Ich fahre auf diese gigantische Filmmesse, um mein Werk zu verkaufen. Schön, wenn mein Film Aufmerksamkeit erregen würde, aber ich erwarte mir nicht, dass er wie eine Bombe einschlägt,“ sagt Birner. Es ist ihm sogar lieber, wenn für den aktuellen Film nichts herausspringt, sondern für seinen nächsten, sehr österreichischen Film.“
Noch steht die Finanzierung für den neuen Short nicht. Die Produktionskosten von 11.500 Euro für „Der Feind des Guten“ hat er aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Die Schauspieler und Statisten haben für die Aussicht auf zukünftige bezahlte Rollen ihre Zeit und ihr Talent kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Dreharbeiten dauerten sieben Tage, viel länger als erwartet. Das Wetter machte ihnen einen Strich durch den Drehplan. Um die einzige Szene mit Sonnenschein zu drehen, mussten sie drei Monate auf Schönwetter warten.
Vier Tage lang wird er seinen Film in Cannes promoten, mit unzähligen Menschen reden, seine Flyer und Filmposter zwischen die hunderten anderen in der Postcard-Area legen, im Palais und dem International Villages nach Finanziers und Filmverleihern suchen. Ganz aussichtslos ist das Unternehmen nicht. Immerhin haben viele heute berühmte Regisseure ihre Karriere mit Kurzfilmen begonnen, wie Jane Campion, Sofia Coppola und Tim Burton.