Weissensee
Weissensee, by Marliese Mendel
Sport

Der tote Fuchs und ein paar Weltrekorde

Sonntag, 9. Februar 2020
„Habt ihr den Fuchs gesehen“, fragen uns zwei Spaziergänger. Wir schütteln den Kopf. „Soll am Ostmeer eingefroren sein. Acht Kilometer von der Brücke entfernt“, sagen sie.

In den sozialen Medien tauchte das Foto vom eingefroren Fuchs schon vor Tagen auf und trotz aller Versuche des Tourismusvereins am Weissensee auf all die Naturschönheiten, Sportmöglichkeiten und Superlativen hinzuweisen, reden doch alle vom toten Fuchs. Er habe wohl versucht Enten am See zu fangen, sei im Eis eingebrochen und wäre nicht mehr aus dem Wasser gekommen, erfroren und dann eingefroren, erklären uns die Spaziergänger. Dann gehen sie weiter und wir fahren weiter über das Spiegeleis am Ostmeer.

Natureislaufbahn

Jedes Jahr friert der Weissensee zu Kathrein (25. November) zu und wird zu einem der spektakulärsten Natureislaufplätze Europas. Nur letztes Jahr nicht. Der Eis-Guru Norbert Jank sagte in einem Zeitungsinterview, dass der See 2019 so spät zugefroren sei, hänge mit dem Klimawandel zusammen und den extremen Wetterkapriolen im November. Er gab das Westmeer erst mit 1. Jänner 2020 frei, das Ostmeer gar erst im Februar.

Die Eisdecke wird bis zu einem halben Meter dick. Ab vier Zentimeter Eis wagen die Einheimischen die ersten Schlittschuhschritte, ab acht Zentimeter pflügt Jank mit einem Quad die Eisdecke, ab 13 Zentimeter mit dem Auto und ab 17 mit dem Traktor. Auf der präparierten Fläche laufen nicht nur Schlittschuhfahrer_innen, sondern werden auch Rollstühle und Kinderwägen geschoben und ein Mann fährt mit seinem Einrad. Das Eis scheint auf die Eisläufer_innen zu antworten. Es kracht, krächzt, knarzt und klingt manchmal wie eine sphärische Oper.

Erfrierungstod

Eine der besten Möglichkeiten Sportler_innen zu beobachten bietet die Terrasse des Hotels Ronacherfels. Bei heißem Tee und hausgemachten Kuchen lässt es sich gut plaudern. Darüber, dass jährlich Eisläufer_innen einbrechen, sie nur 40 Sekunden Zeit haben sich aus dem eiskalten Wasser zu retten, um dem Erfrierungstod zu entgehen. Aber heuer habe man noch von keinem Todesfall gehört, von Einbrüchen schon.

Jetzt erscheint es mir nicht mehr lächerlich, dass manche Eisläufer_innen Wurfsäcke und spitze Stöcke dabei haben oder gar Schwimmwesten tragen. Den Profieisläufer, Leon Stadlbauer, drücken ganz andere Sorgen. Bei einem kurzen Halt vor dem Lokal erzählte er, dass er unentschieden sie, ob er für die österreichischen Eisschnelllaufmeisterschaften Kurzstrecke trainieren soll oder doch für den kommenden Eismarathon. Die 42 Kilometer schaffen die Holländer in rund einer Stunde, er bräuchte immer noch rund 90 Minuten. Er klagt über den Muskelkater, schlüpft in die Eislaufschuhe und läuft davon. Umfährt Fat-Bike-Fahrer_innen, Anfänger_innen die Fahrhilfen vor sich herschieben und Spaziergänger_innen auf der Suche nach dem toten Fuchs.

Eismeister

Jank ist der Pionier des Eislaufsports am Weissensee. Mit dem Bau des ersten Doppelsessellifts in Kärnten, kamen Tourist_innen und sie nahmen auch ihre Schlittschuhe mit. Jank begann sich mit dem Eis auseinander zu setzen und heute ist er der Eismeister, verantwortlich für 6,5 km² große Eisfläche, für den Rekordhaltersee: Die größte beständig zufrierende Natureisfläche Europas, die größte präparierte Natureisfläche der Welt auf der seit 1989 die weltweit größte Eissportveranstaltung mit über 3.500 Starter_innen stattfindet.

Der Klimawandel verhindert seit den 1980er Jahren, dass die Grachten in Holland zufrieren und deshalb wird am Weissensee die Alternative 11-Städte-Tour gefahren. Und natürlich wurde der Weltrekord über 200 Kilometer auch am See aufgestellt.

Bitterballen

Ab Ende Jänner ist der See für zwei Wochen fest in holländischer Hand. Jährlich reisen rund 6.000 an. Auf den Balkonen der Hotels hängen die Eislaufanzüge der einzelnen Vereine, in den Lokalen gibt es Bitterballen und alle Verbotsschilder sind auf holländisch übersetzt. Im großen Festzelt spielen lokale Bands und in der Hütte Tschatscheleria dudeln holländische Schmachtfetzen aus dem Radio. Und dort erzählt jemand, dass der tote Fuchs aus dem Eis geschnitten worden ist.

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