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Bild, by Marliese Mendel
Kollektivvertragsverhandlungen

„Die haben uns am Schmäh gehalten"

Mittwoch, 30. September 2015
Am 24. September trafen sich Gewerkschafter (Pro-Ge und GPA-djp) und der Industriefachverband (FMMI) zu den „Wirtschaftsgesprächen.“ Geendet hat der Auftakt der Kollektivvertragsverhandlungen mit einem Eklat: Der FMMI hat die Verhandlungen unterbrochen. Die Gewerkschaft zeigt sich kämpferisch und berief eine BetriebsrätInnenversammlung ein.

Dem Jugendvertrauensmann aus Linz ist die Anstrengung der letzten Stunden ins Gesicht gezeichnet. Er hat die ganze Nacht gearbeitet. Trotzdem ist es für ihn selbstverständlich, bei der BetriebsrätInnenversammlung in der Wiener Stadthalle dabei zu sein. Die Gewerkschafter sehen den Abbruch der Gespräche seitens der ArbeitgeberInnenvertreter des Industriefachverbandes als Affront und zeigen sich kampfbereit. Als ersten Schritt haben sie eine BetriebsrätInnenkonferenz einberufen und den ArbeitgeberInnen ein Ultimatum gesetzt. Würde dieses ungenutzt verstreichen, könnten am 7. Oktober in rund 1200 Betrieben mit fast 120.000 Beschäftigten Betriebsversammlungen stattfinden.

Die ArbeitgeberInnenseite hat die Verhandlungen unterbrochen, weil ihnen die „Planungssicherheit“ fehle. Momentan verhandelt die Regierung über das „Arbeitsmarktpaket.“ Die ArbeitgeberInnen fürchten dass durch dieses Paket jetzt noch nicht kalkulierbare Zusatzkosten auf sie zukommen könnten. Deshalb könne man momentan keine Kollektivverträge verhandeln.

"Im Lohnsackerl muss etwas dazukommen"

Der Abschluss des Kollektivvertrag der eisen- und metallverarbeitenden Industrie gilt seit den späten 1950er-Jahren als Schrittmacher für die nachfolgenden Verhandlungen in vielen Branchen, nicht nur bei den Lohnerhöhungen sondern auch im Rahmenrecht: die ersten Bestimmungen über Urlaubszuschuss, Weihnachtsgeld und Regelungen über die Arbeiterabfertigung und Arbeitszeitverkürzungen finden sich in den Metaller-Kollektivverträgen.

Kollektivvertragsverhandlungen folgen einem Ritual: Die Wirtschaftskammer beklagt die schlechte Wirtschaftslage und die Gewerkschaft fordert Lohnerhöhungen und Verbesserungen im Rahmenrecht. Mit der Übergabe des Forderungspapiers der Gewerkschaften an die Arbeitgeber der Metallwirtschaft beginnen die jährlichen Herbstlohnrunden. Selten begleitet von sanften Tönen wie „Im Lohnsackerl muss etwas dazukommen“, meist mit einem Abtausch von medial gut verwertbaren Sagern wie die Wirtschaftskammer kann ihren Wunsch nach einer Nulllohnrunde an das Christkind, aber sicher nicht an die Gewerkschaft stellen. Doch meistens setzen sich die Verhandler an einen Tisch und unterzeichnen den neuen Kollektivvertrag. Der der Wirtschaft immer zu teuer und der Gewerkschaft oft nicht gut genug ist. Aber das Kollektivvertragsverhandlungen abgebrochen werden, ohne einer neuen Verhandlungstermin zu vereinbaren, ist eher selten.

6000 MetallerInnen

Einen Präzedenzfall hatte es im Oktober 1996 gegeben: die Arbeitgeber brachen damals die Gespräch ab. Der damalige Gewerkschaftsvorsitzende der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie Rudi Nürnberger erhielt auf seine an die Arbeitergeber gerichtete Frage wie es nun weitergehen sollte die Antwort: „Rufen Sie Ende November an.“ Rückendeckung erhielt Nürnberger vom damaligen ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch: „Wenn die anderen vom Verhandlungstisch aufstehen, gehen wir auf die Straße.“ Am 21.November 1996 gingen 6000 MetallerInnen auf die Straße. Am gleichen Tag wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen und die Forderungen der Arbeitgeber nach Abschaffung eines Feiertages, Verschlechterungen bei der Lehrlingsentschädigung, Anrechnung eines Krankentages auf den Urlaub waren vom Tisch und der Lohnabschluss von 2,6 % „war gerade noch akzeptabel.“

Kampfmassnahmen?

Am 24. September 2015 übergaben Gewerkschaft ihren Forderungskatalog und trafen sich zu den sogenannten „Wirtschaftsgesprächen.“ Man wollte heuer über Verbesserungen im Rahmenrecht verhandeln über Arbeitszeitregelungen, Freizeitoptionen, Erleichterungen für Menschen im kontinuierlichen Schichtbetrieb, Anrechnungen der Karenzzeiten der Frauen bei Jubiläumsgeld und auch die Neuregelung der sechsten Urlaubswoche. Doch bevor es zu Verhandlungen kam, erklärten die ArbeitgeberInnen, dass die Verhandlungen unterbrochen seien.

6. Urlaubswoche

Die Unternehmer teilten mit, dass sie mit einigen vermeintlichen Plänen der Bundesregierung – der Wertschöpfungsabgabe oder Verbesserungen beim Erreichen der 6. Urlaubswoche - nicht einverstanden sind. Momentan verhandeln die Regierungspartner das „Arbeitsmarktpaket“ zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitgeber schreiben auf ihrer Webseite, „dass die Politik tatsächlich etwas beschließen könnten, das die Betriebe weiter belasten könnte. Diese Zusatzkosten müsste man zuerst einpreisen können, bevor weiter verhandelt wird.“ Die Gewerkschaften verstanden dies als Aufforderung „dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesregierung sich so verhält, wie sich das die Unternehmer wünschen. Bevor das nicht gewährleistet ist, gibt es keine Bereitschaft Kollektivvertragsverhandlungen zu führen.“

„Die haben uns am Schmäh gehalten, sie haben uns verarscht, und das lassen wir uns nicht gefallen. Darum sind wir heute da,“ sagt Pro-Ge-Chef Rainer Wimmer. Er spricht von Maßnahmen und setzt ein Ultimatum:

„Wir werden am 7. Oktober die Beschäftigten im Rahmen von Betriebsversammlungen in allen Fachverbänden des Metallbereiches über die aktuelle Entwicklung informieren und uns auf weitere Maßnahmen vorbereiten. Sollten sich die Verantwortlichen der Wirtschaftskammer und der anderen Fachverbände des Metallbereiches von der Vorgangsweise des FMMI distanzieren, werden wir das bei unseren weiteren Aktivitäten selbstverständlich berücksichtigen. Der FMMI hat bis jetzt Kollektivverertragsverhandlungen verweigert. Wir werden daher nur dann den ursprünglich vereinbarten Verhandlungstermin am 5. Oktober nutzen können, wenn die Unternehmer auf jede Vorbedingung verzichten und zu ehrlichen Verhandlungen bereit sind. Wir erwarten uns diesbezüglich Klarheit bis Freitag, 2. Oktober, 9.00 Uhr.“

Die diesbezügliche Resolution wurde von den BetriebsrätInnen angenommen.

Noch will niemand weiter planen als bis zu den Betriebsversammlungen. Aber VOEST-Alpine Zentralbetriebsratsvorsitzende sagt „Die geballte Faust im Hosensack wird heuer zu wenig sein, jetzt heißt es kämpfen, kämpfen, kämpfen!“

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