Beim „Wunder von Cordoba“ (1978) traf Hans Krankl zweimal ins Tor der Deutschen. Er schoss sie aus der Weltmeisterschaft. Bis heute ist er überzeugt, dass seine beiden Goals in den folgenden Jahren direkte Auswirkungen auf die Punktevergabe der Deutschen an die österreichischen Song-Contest-Teilnehmer hatten: „Absolut, absolut! Das haben sie uns heimzahlen wollen! Eine bodenlose Frechheit und Gemeinheit!“ erzählte er den drei Autoren von „The Very Best Of Song Contest“ augenzwinkernd. Zwischen 1979 und 1984 erhielten die österreichischen Beiträge bei sechs Abstimmungen nur vier Punkte aus Deutschland. „Dabei waren die Beiträge gar nicht schlecht“, sagt einer der Autoren, Werner Vogel.
In der gesamten ESC-Geschichte vergaben die Deutschen nur 90 Punkte an Österreich und gleich 30 Mal Null Punkte. Österreich honorierte die deutschen Beiträge mit 126 Punkten.
ABBA
Die beiden Lehrer Werner Vogel, Bernhard Tscherne und der Erzieher Feri Janoska kennen sich aus der Schule: sie unterrichten Deutsch, Geschichte und Turnen oder versuchen die Schüler zu erziehen. Im Juli 2014 beschlossen sie, das Song-Contest-Buch zu schreiben. Beflügelt von der Idee und hausgemachtem Eierlikör schickten sie rund hundert E-Mails an ehemalige ESC-Teilnehmer. Kein einziger aus Deutschland meldete sich. Die Gründe dafür sind unbekannt. „All jene die nicht geantwortet haben, werden sich ärgern, dass sie nicht im Buch sind,“ sagt Tscherne.
Benny Andersson von ABBA sagte höflich ab, Conchita Wurst gab ein E-Mail-Interview und die dänischen Song-Contest-Gewinner (2000), die Olsen-Bothers, luden die Autoren nach Kopenhagen ein. „Wir saßen bei Jørgen und Noller Olsen im Wohnzimmer und plauderten zwei Stunden lang. Sie sangen uns sogar ein Ständchen,“ sagt Werner Vogel. Er ist eigentlich mehr ein ABBA-Fan und Johnny-Logan-Connaisseur. Janoska ist seit Conchita Wurst ein Bart-Hedonist und Tscherne ist ein Waterloo & Robinson-Aficionado.
„Mi' braucht überhaupt niemand!“
Die Recherchen gestalteten sich äußerst anstrengend. Sie mussten mit dem multiplen ESC-Teilnehmer Gary Lux Esterhazytorte essen, erfuhren dabei aber, dass er nach seiner Teilnahme 1985 noch glaubte, dass Europa ihn liebt (er wurde Achter) um 1987 festzustellen: „Mi' braucht überhaupt niemand!“ (Er wurde 20.)
Die Autoren besuchten den Kabarettisten und ESC-Teilnehmer (2003) Alf Poier in seiner Villa in Hietzing und sprachen mit ihm über Conchita Wurst, seine posttraumatische Belastungsstörung nach dem Song-Contest und seine jährlichen ESC-Qualen: „I waß ned, ob i mi im Woid vakräu'n oda ob i ma an Bienenstock ins G'sicht rammen soit.“
Sie hörten sich die 1356, bei den bisherigen 59 Song Contests vorgetragenen Lieder, an: vom kürzesten (112 Sekunden) bis zum längsten, dass fünf Minuten und zwölf Sekunden dauerte. Bei den intensiven Nachforschungen haben sie u.a. herausgefunden, dass Cliff Richards sich aus Nervosität während des Votings am Klo versteckte, kein großes österreichisches Plattenlabel den Siegersong 2014 „Rise Like A Phoenix“ produzieren wollte, dass für Irland 2008 eine Puppe antrat, der Showmaster Rudi Carell als ESC-Teilnehmer für die Niederlande nur zwei Punkte holte, dass ein Songcontest-Beitrag in Slowenien eine Parlamentsdebatte auslöste, eine Sängerin mit kugelsicherer Weste auftrat, ein Berufsflitzer eine Show störte, dass eine Musikgruppe gewann, deren Bandname einer Fischkonservenfabrik ähnelt: ABBA und das Johnny Logan eigentlich „Kondom aus dem Weltall“ bedeutet. In Irland ist „Johnny“ das Slangwort für Kondom und „Logan“ stammt aus einem Science-Fiction-Film.
Anmeldung versäumt
Jedes der 74 Mitglieder der EBU könnte theoretisch am Song Contest teilnehmen: Länder wie Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Libanon und der Vatikan könnten Musiker schicken. Haben es aber noch nie getan. Dafür gewann die französische Sängerin Severine 1971 den Song Contest für Monaco, obwohl sie noch nie in dem Fürstentum gewesen war. Island kann erst seit 1986 teilnehmen, weil davor die technischen Voraussetzungen zum Datentausch fehlten. Und 1977 musste der Song Contest um fünf Wochen verschoben werden, weil die Kameramänner des BBC streikten. Großbritannien, Dänemark und Österreich 1956 konnten beim ersten Song Contest nicht teilnehmen, weil sie die Anmeldefrist versäumt hatten.
Anhand der Recherchen der drei Autoren könnte man als Musiker analysieren, ob eine Teilnahme erfolgreich sein könnte: Der Liedtitel sollte kurz sein – auf keinen Fall mehr als acht Wörter haben. Man sollte lieber alleine und ohne Instrument auftreten, besser englisch als deutsch singen, den Song nicht selbst schreiben oder komponieren.
Autoren: Werner Vogel, Bernhard Tscherne, Feri Janoska. Illustrator: Bernd Ertl
The Very Best Of Song Contest
Erschienen beim Holzbaum Verlag, 2015
14,95 Euro