Marliese Mendel
MQ

66 Zentimeter

Sonntag, 22. Dezember 2013
Clemens Ettenauer ist Geschäftsführer der Komischen Künste im Museumsquartier. Mit dieZeitschrift hat er über die Verrücktheit des Selbständigseins, 100-Stunden-Wochen, sanitäre Bedürfnisse und unfreiwillige Diäten gesprochen. Und darüber, wieso er sich das alles antut: wegen der Cartoons.
Komische Künste, Clemens Ettenauer, Oliver Ottitsch
Komische Künste, Oliver Ottitsch

Vor zwei Jahren las Clemens Ettenauer ein Inserat. Er hatte mit seiner Freundin den Holzbaum-Verlag gegründet und wollte sich zudem als Buchhändler selbständig machen. Die Komischen Künste im Museumsquartier, ein auf Comics, Cartoons und lustige Bücher spezialisiertes Geschäft mit Ausstellungen, suchte einen Nachfolger. Ettenauers Holzbaum-Verlag und die Buchhandlung fusionierten. Seither arbeitet er bis zu 100 Stunden pro Woche, geht tagelang nicht aufs Klo und ist trotzdem glücklich.

Momentan zeigt er in der großen Halle Cartoons des zweifach ausgezeichneten Oliver Ottitsch. In der nur 66 Zentimeter breiten und somit engsten Galerie der Welt ist momentan die Ausstellung Claustrophobia - Cartoons zur Enge zu sehen.

Kein Klo

Komische Künste, Clemens Ettenauer, Oliver Ottitsch
Komische Künste, Oliver Ottitsch

dieZeitschrift: Haben Sie viel zu lachen?

CE: In Österreich ist es ein Wahnsinn, sich selbstständig zu machen. Von außen betrachtet muss man eigentlich verrückt sein, dass man sich all die Arbeit antut, bei der kaum was rausschaut. Als Selbstständiger muss man wirklich extrem erfolgreich sein, nur damit man über die Runden zu kommt.

dieZeitschrift: Was sind die Schwierigkeiten?

CE: Es sind vor allem die enormen Lohnnebenkosten. Wir bräuchten zwei Mitarbeiter mehr. Meistens ist einer alleine im Shop. Wir haben nicht einmal ein Klo. Jedes mal aufs WC gehen, heißt Umsatzeinbußen. Manchmal trinke ich den ganzen Tag nichts, damit ich nicht aufs Klo gehen muss. Auch war ich schon seit zwei Jahren nicht mehr auf Mittagspause. Ich kauf mir unterwegs ein Weckerl. Anders geht es nicht. Ich berate, verkaufe, plane Ausstellungen und Publikationen, da kommt man schnell auf 100 Arbeitsstunden pro Woche.

Es ist arg, denn wir haben so viele Leute, die begeistert von den Komischen Künsten sind, die Umsätze stimmen inzwischen. Trotzdem reicht es vorne und hinten nicht. Ohne Verlag würde es sich finanziell nicht ausgehen.

100 Arbeitsstunden

Komische Künste, Clemens Ettenauer, Oliver Ottitsch
Komische Künste, Oliver Ottitsch

dieZeitschrift: Wieso sind sie trotzdem selbstständig?

CE: Es ist viel besser selbstständig zu sein als in einem Büro zu versumpern. Ich habe früher 10 Stunden in einem Call Center gearbeitet, die haben wesentlich länger gedauert, als die 100 Arbeitsstunden pro Woche bei den Komischen Künsten. Hier vermischt sich das Hobby mit der Arbeit. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Vor allem, wenn wir neue Cartoons für eine Ausstellung aussuchen.

dieZeitschrift: Kann man als Cartoonist in Österreich überleben?

CE: Das können nur ganz wenige. Es gibt in Österreich vielleicht 30 Künstler, die für Geld zeichnen. Aber leben können davon vielleicht fünf. In Österreich werden eher politische Cartoons abgedruckt. Klassische Cartoons will keiner. Unpolitische Cartoons kamen bisher meist nur bei den deutschen Touristen an. Langsam interessiert sich auch das einheimische Publikum.

Ein Beispiel dafür ist der Comic-Zeichner Nicolas Mahler, der in Frankreich schon seit zehn Jahren renommiert ist. In Österreich kennt man seine Literaturadaptionen von Thomas Bernhard erst seit einem Jahr. Der österreichische Cartoonist Oliver Ottitsch zeichnet für die Titanic und den Stern in Deutschland. Er hat den Pas de deux-Preis in Frankreich und den Preis der Mathematikervereinigung in Deutschland gewonnen. Trotzdem gibt es in Österreich kein einziges Medium, das ihn abdruckt. Außer wir im hauseigenen Bananenblatt. Wir haben im Holzbaum-Verlag zwei Bücher mit ihm gemacht, das erste geht jetzt in die zweite Auflage. Der Zeichner kriegt zehn Prozent vom Verkaufspreis. Ein junger Künstler, der noch nie so viele Bücher verkauft, kann davon natürlich nicht leben. Wir werden nächstes Jahr den ersten Cartoonpreis in Österreich vergeben, um die heimische Szene zu stärken.

Bananenblatt

Factbox

Öffnungszeiten:
Montag bis Sonntag 11.00 bis 18.00 Uhr
Ausstellungen:
bis 6.1.2014 Noahs Fleischwaren, Cartoons zum Tier&Wir von Oliver Ottitsch im Freiraum/Quartier 21
bis 16.2.1914 Cartoons über Kunst, in der Galerie der Komischen Künste
Claustrophobia - Cartoons zur Enge im Raum 66

dieZeitschrift: Wie sind Sie dazu gekommen, Cartoonbücher zu verlegen?

CE: Ich habe den Verlag mit meiner Freundin gegründet. Anfangs verlegten wir Literatur junger unbekannter Autoren, das funktionierte nicht. Mit Ottitsch verlegten wir unser erstes Cartoonbuch. Von den Käufern gibt es ehrliches und positives Feedback. Sie schlagen eine Seite auf und lachen herzlich. Nun verlegen wir auch vermehrt Wienbücher. Der erste große Erfolg war das Unnütze WienWissen der Online-Zeitung Stadtbekannt.

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