Hanser Verlag
Rezension

Revolution in Pink

Montag, 8. Dezember 2014
Wo immer die Frauen der „Gulabi Gang“ unter ihrer streitbaren Anführerin Sampat Pal in Erscheinung treten, lehren sie gewalttätige und korrupte Männer das Fürchten. Die Journalistin Amana Fontanella-Khan hat ihre Geschichte aufgezeichnet.

Ihre Uniform ist ein pinkfarbener Sari, ihre Waffe ein Bambusknüppel: Wo immer die Frauen der indischen „Gulabi Gang“ in Erscheinung treten, lehren sie gewalttätige (Ehe-)männer, korrupte Politiker oder auch kriminelle Beamte das Fürchten. In einem System vollständiger Unterdrückung verwandelten sie Schritt für Schritt ihre Ohnmacht in ein Stück Macht – und machten sich dabei auch ein ureigenes, indisches Prinzip zunutze: den Gherao (auf Hindi so viel wie „Umzingeln“).

Bei dieser Form des Protests besetzt eine aufgebrachte Menschenmenge etwa Fabriken, Polizeistationen, Gerichte etc. und verschafft sich auf diese Weise Gehör.
Demgemäß sind für die Frauen der Gulabi-Gang die Aufmerksamkeit der Medien und der Rückhalt seitens der Öffentlichkeit wahrscheinlich noch stärkere Waffen als ihre Knüppel, wenn sie etwa gegen die Inhaftierung eines unschuldigen, missbrauchten und des Raubes bezichtigten Mädchens in den Kampf ziehen.

„Frauenbande in Pink“

Ort des Entstehens der „Frauenbande in Pink“ ist vermutlich nicht zufällig eine Gegend in Uttar Pradesh, Indiens größtem Bundesstaat: Wäre Uttar Pradesh (übersetzt: „Nordstaat“) ein eigenes Land, so stünde es mit seinen knapp 200 Millionen Einwohnern in puncto Bevölkerungsreichtum an fünfter Stelle. Und zugleich wäre es, wenn man der Autorin glauben darf, das ärmste Land der Welt – mit einem „Nahrungsmittelmangel, schlimmer als im subsaharischen Afrika“.

Zentrum, Kopf und Herz der ungewöhnlichen Selbstschutztruppe ist Sampat Pal, Ende 40 und ebenso charismatische wie aggressive Anführerin der mittlerweile rund 20.000 Gang-Mitglieder. Während die Bewunderung der Autorin Amana Fontanella-Khan (Jahrgang 1984) für die unerschrockene Chefin der „Pink Sari Revolution“ in ihren gut recherchierten Aufzeichnungen unverhohlen zutage tritt, zeichnet die österreichische Journalistin mit pakistanisch-iranischen Wurzeln gleichzeitig ein sehr lebendiges Bild der indischen Hauptprotagonistin samt deren Widersprüchlichkeiten, Ecken, Kanten und Schwächen.

Kostprobe von der Wut der Frauen

Ihre Kindheit verbrachte Sampat Pal, der das Lesen und Schreiben bis heute große Mühe bereitet, „im Haus, denn ich war schon an jemanden gebunden, während ich noch Zeit zum Spielen und Lernen hätte haben sollen.“ Auch ihre eigenen Töchter konnte die fünffache Mutter – bis auf die Jüngste - nicht vor der Kinderehe bewahren. Als Opfer eines frauenverachtenden Systems („Frauen leben wie Sklavinnen“) entschied sie sich irgendwann, aus der ihr zugewiesenen Rolle auszubrechen und wurde damit zur Hoffnungsträgerin für tausende unterdrückte, gequälte, ausgebeutete, missbrauchte und misshandelte Frauen in ihrer Region. Wenig überraschend kommt die Mehrheit der Mitglieder der Gulabi Gang aus der am meisten benachteiligten Gruppe der „Dalits“ („Unberührbaren“).

Ihre Antwort auf die Gewalt des Patriachats begründet Sampat Pal selbst so: „Wir sind nicht gewalttätig und setzen unsere Stöcke erst dann ein, wenn unsere Selbstachtung mit Füßen getreten wird. Dann bekommen die Gesetzeshüter eine Kostprobe von der Wut der Frauen.“

Pink Sari Revolution -
Die Geschichte von Sampat Pal, der Gulabi Gang und ihrem Kampf für die Frauen Indiens
von Amana Fontanella-Khan
übersetzt von Barbara Schaden
Erschienen im Hanser Berlin Verlag, Februar 2014. Gebunden, 272 Seiten.
Preis: € 20,50

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