Novi Sad macht seit zwanzig Jahre Musik. Im Gespräch mit den beiden Gründungsmitgliedern ist noch immer die ungebrochene Begeisterung und Leidenschaft für „Ihre“ Band zu spüren. Evelyn Blumenau und Klaus Schuch durchliefen in Sachen Pop und Rock unterschiedliche Sozialisationen: von Ludwig Hirsch bis Velvet Underground. Dennoch fand man in der Band einen gemeinsamen musikalischen Nenner. Auch die Lust am Experimentieren mit Sprache ist ein wichtiges Element für die Musiker von Novi Sad. Auf dem aktuellen Album sind Texte des Wiener Dichters Christian Schwetz zu hören.
Robert Fischer: Auf dem neuen Album „Almond, Trees & Roses“ habt Ihr bei einigen Songs mit dem Dichter Christian Schwetz zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?
KS: Christian ein ganz alter Freund von mir, wir sind schon gemeinsam in die Schule gegangen. In den 80er Jahren haben wir einmal gemeinsam einen witzigen Trip nach Berlin unternommen, das damals in Sachen Pop- und Rockmusik sehr angesagt war. Es gab Phasen, da hat Christian nicht viel produziert, aber in den letzten drei Jahren war er wieder sehr aktiv. Das spiegelt sich auch in den Texten auf „Almond, Trees & Roses“ wieder. Außerdem publiziert Christian regelmäßig in diversen Literaturzeitschriften bzw. in Büchern.
EB: Ich kenne Christian noch nicht so lange, aber er begleitet uns schon lange Zeit als Fan und war z.B. bei unserem legendären Club-Auftritt in New York in den 90er Jahren mit dabei. Etwa zu dieser Zeit hat er auch angefangen, Texte zu schreiben. Christian war schon immer sehr wortverliebt, manche seiner Arbeiten haben mich an Comics erinnert. Mir gefällt auf der neuen CD z.B. der „Perspektivwechsel“ von Ihm besonders gut, weil dieser Text gleichzeitig sehr philosophisch, schräg, hintergründig und verspielt ist. Dieses Hineingehen in die Sprache bzw. das Experimentieren mit der Sprache schätze ich sehr an den Texten von Christian, und das passt auch gut zu Novi Sad.
Komplettes „Package“
Robert Fischer: Ihr beiden seid ja die Haupt-Songwriter bei Novi Sad. Welche Arbeitsweise habt ihr beim Schreiben der Songs?
EB: Meistens ist es so, wenn ich etwas schreibe, dass ich im Kopf schon alles rundum fertig habe. Ich komponiere von der Stimme her, vom Text her, und das ist dann ein komplettes „Package“. Es passiert fast nie, dass ich einen Text habe, den ich nachträglich vertone. Oft habe ich so eine Art Gesamtlinie für meine Lieder im Kopf, dann treffe ich Klaus, und wir probieren das mal nur mit Stimme und Gitarre aus. Manchmal gehe ich gleich mit der ersten Idee zur Probe und stelle das meinen Mitmusikern vor, aber meistens ist es für die Band einfacher, wenn Klaus und ich schon eine Art Grundversion mit einer Akkordabfolge entwickelt haben. Dieses Demo ist meistens nur sehr spartanisch, aber ausreichend.
KS: Bei mir ist das ähnlich, es gibt zuerst ein Demo und die Band macht dann später das Arrangement. Dazu. So läuft das immer. Das finde ich schön, weil damit einerseits doch immer eine gewisse Variabilität in den Songs vorhanden ist, aber letztlich kommt dann immer ein Novi Sad-Arrangement heraus! Ab und zu ist es auch schon vorgekommen, dass Evi und ich etwas gemeinsam schreiben.
„Hagazussa“
Robert Fischer: Gibt es von den Aufnahmen im Studio her irgendeine besondere Anekdote?
EB: Ja, da gibt’s einige. Aber ein ganz besonderer Moment, der mir spontan einfällt, ist passiert, als wir vor einigen Jahren für die „Rise“-CD den Song „Hagazussa“ aufgenommen haben. Da hatte ich den Text fertig verfasst, und keine Musik dazu. Auf einmal so eine Melodie im Raum, die wir als Band im Studio improvisiert haben. Da habe ich gewusst: Das ist es! Das war so ein „goldener“ Moment, der einem nicht oft passiert. Wir kennen uns halt auch gegenseitig schon sehr gut, und manchmal spürt man dann schon einfach intuitiv, was gut zum jeweiligen Song passen würde (schmunzelt).
Robert Fischer: Hat „Almond, Trees & Roses“ generell ein bestimmtes Thema?
KS: Viele Songs handeln von Abschied bzw. Verlust. Das zieht sich bei manchen Songs durch. Aber wir haben da vorher überhaupt nichts ausgemacht, das hat sich eher so ergeben. Der Song „Packing Blankets“ handelt z.B. davon, dass kürzlich meine Katze gestorben ist, die ich lange Jahre hatte. Nach Ihrem Tod habe ich alles zusammengepackt, was mit Ihr zu tun hatte, wie z.B. die Decke, auf der sie immer gelegen ist, und habe es weggeschmissen. Für mich war das auch so eine Art Abschied.
„Disappear“
Robert Fischer: Evelyn, von dir stammt der berührende Song „Disappear“. Wie war die Entstehungsgeschichte?
EB: Dieses Lied trage ich schon seit Anfang der Nuller-Jahre mit mir herum. Das ist mir damals beim Spazierengehen im Wald so in den Sinn gekommen, habe die Melodie und paar Text-Fetzen plötzlich vor mich hin gesummt. Ich hatte aber keine Ahnung, was „i disapear in front of you“ bedeuten könnte. Das war mich selbst wie ein Rätsel. Dann habe ich mir den Text einmal aufgeschrieben, habe das Ganze liegen gelassen, und sehr lange damit gewartet, das Stück in die Band zu bringen. Zu einer Zeit als es mir selbst auch gesundheitlich nicht so gut ging, hat sich „Disappear“ während der Studioarbeit dann auf einmal von einer ganz einfachen Melodie zu einem starken, kraftvollen Song entwickelt.
Leider gab es dann eine sehr tragische Wendung, und im Nachhinein wurde mir der Zusammenhang klarer. Während wir im Studio waren, um aufzunehmen, ist meine Mutter verstorben! Ich habe den Gesang zu „Disappear“ zum Glück schon ein paar Tage vor ihren Tod aufgenommen. Später hätte ich das wahrscheinlich nicht mehr zusammengebracht, weil der Song genau das thematisiert, was mit ihr passiert ist: sie hat sich langsam verabschiedet bzw. ist verschwunden. Deshalb bedeutet mir dieses Lied persönlich sehr viel.
Robert Fischer: Klaus, welches Lied auf der neuen CD ist dir besonders wichtig?
KS: Der „Moritat vom Rückzieher“! Das ist ein besonders gelungener, ironischer Text von Christian über eine spontane Mann/Frau-Begegnung in den „Öffis“ und zum anderen ein Song, zu dem wir nach langer Zeit auch wieder einmal ein Video gemacht haben. Das man sich auf „Vimeo“ ansehen.
Robert Fischer: Wo liegen eure musikalischen Wurzeln?
EB: E: Also ich bin ganz stark mit der Musik Ludwig Hirsch sozialisiert. Darum habe ich mich sehr gefreut, dass die Singer/Songwriter-Szene in den letzten Jahren wieder im Aufschwung ist.
KS: Ludwig Hirsch? Für mich war das ein absolutes „No-Go“ (schmunzelt)! Ich stand in meiner Jugend total auf Punk, und auf Bands wie „The Clash“ und so. Und noch ein paar Referenzen an früher, wie z.B. „The Doors“ oder „Velvet Underground“.
Factbox
Die Band Novi Sad wurde im Jahr 1989 in Wien gegründet.
Aktuelle CD: „Almond, Trees And Roses“ (Lindo Records)
Video zu „Moritat vom Rückzieher“
Robert Fischer: Was sind eure Zukunftspläne?
KS: Wir haben keine großen Erwartungen, dafür sind wir schon zulange im Geschäft. Wir rechnen nicht damit, dass ein Wunder passiert, und wir z.B. mit unserem neuen Album die Hitparade stürmen. Aber das ist auch gut, weil damit die ganze Sache ein bisschen relaxter ist. Wir würden uns einfach freuen, wenn die neue CD gut läuft, wir gutes Feedback bekommen und die neuen Lieder auch regelmäßig bei Konzerten live spielen können.